Nach einigen Wochen des Landrattendaseins haben Dani und ich unterdessen wieder in den gewohnten und geliebten Bootsmodus zurückgefunden. Segelmodus zu sagen wäre übertrieben, liegen wir mit unserer Vairea doch noch in der Marina. Die Tage nach der Rückkehr waren ausgefüllt mit vielen kleinen und oft zeitraubenden Arbeiten, Umbauten und als grossem Highlight dem Einbau einer Dachluke. Davon berichtet euch der stolze Bauleiter in einem separaten Bericht. Aber natürlich ebenfalls mit der Wiedersehensfreude mit einigen Seglern, die auch hier im Hafen liegen.
Wir pflegen mit vielen näher oder weiter den Kontakt und geniessen den Austausch, aber dass die Chemie so passt wie mit der Crew der „Double Pleasure“ ist vermutlich nicht alltäglich. Fast derselbe Katamaran, beinahe das gleiche Alter und ähnliche Vorlieben, das konnte nur gut kommen mit Susanne und Arne. Ein positives Laster, dem wir Alle frönen, ist das Kochen und gut Essen. Wahlweise hier oder dort kredenzen wir uns auserlesene und für die Gegenseite unbekannte Gerichte. Vier Bäuche schmerzten jeweils abwechselnd wegen zu viel gutem Essen, hervorragendem Wein oder herzhaftem Lachen. Sie segeln unterdessen in entgegengesetzter Richtung, aber man sieht sich immer zweimal im Leben, heisst es so doch so treffend.
Für Ursula und Alex hege ich Bewunderung. Die beiden sympathischen Deutschen, sie könnten nämlich altersmässig unsere Kinder sein, haben Heimat, Job und Alltagstrott ebenfalls Adieu gesagt und segeln auf ihrer 10-Meter-Yacht „Faith“ genau so langsam, gemütlich und interessiert wie wir neuen Abenteuern entgegen. Ihre längerfristigen Ziele liegen in derselben Richtung wie die unseren.
Vor wenigen Tagen an einem Nachmittag hört Dani ganz in der Nähe ein ihm sehr bekanntes Motorgeräusch. Und tatsächlich, für einmal hat ihn sein Gehör nicht getäuscht, es ist unser Freund Vitor (Xana) von Alvor Sailing, der mit seinem Katamaran Catja neben uns festmacht.
Er kommt retour von Arbeiten an seiner Yacht auf der Werft und will ein paar Tage mit seiner Partnerin Gilda hier in der Marina verweilen. Am Freitagabend sollen Dani und ich bereit sein, meinen die Beiden, es gebe eine Überraschung!! Und was für eine. Gilda weiss um meine Liebe und Interesse für die einheimische Küche und serviert uns an Bord ihres Bootes ein exzellentes portugiesisches Gericht. Das Tolle, den Squid für die ausgezeichnete Caldeirada (Fischeintopf) hat Xana selbst gefangen.
Es ist absolut nicht selbstverständlich, dass man so liebenswert und grosszügig bewirtet wird und wir wissen das sehr dankbar zu schätzen!
Der Februar ist unterdessen gegangen und der Frühling längst an der Algarve angekommen. Weder kam er auf leisen Sohlen noch zaghaft, nein über Nacht war er einfach da. Das zartrosa der Mandelblüten konkurriert mit dem knalligen Gelb des Ginsters und das fahle Wintergrün an den Büschen und den Bäumen ist einem satten Farbton gewichen. Die Sonne hat bereits viel Kraft und die zahlreichen Regentage des Februars sind Geschichte. Die Portugiesen lachen wieder, wir werden depressiv wenn es zu lange zu schlechtes und zu kühles Wetter ist, erklärten sie uns. Das kennen wir aus der Schweiz, nur da sind es mehrere Monate die uns aufs Gemüt drücken, geben wir ihnen zur Antwort. Wir nutzen jetzt wieder jede Gelegenheit und geniessen stundenlange Spaziergänge der Küste und des Strandes entlang.
Heute werden wir bereits früh und unsanft geweckt, alles ist in Bewegung. Aha, wieder einmal Schwell aus dem Süden. In Kombination mit der ablaufenden Tide wackelt, ruckelt und schaukelt es ganz schön heftig in der Marina. Ein Blick auf den Tidenkalender bestätigt, es ist Wassertiefstand in Kombination mit kürzlichem Neumond. Bei Leer oder bei Vollmond sind die Gezeiten besonders ausgeprägt. Wir nutzen also die Gunst der Stunde, schlüpfen in die Laufschuhe und machen uns auf Richtung Praia da Rocha. Und tatsächlich! Die Ebbe hat viel Strand freigegeben und wir können fast trockenen Fusses zu den unzähligen Felsen laufen, die sonst aus dem Meer ragen.
Draussen braust der heute sehr aufgewühlte Atlantik heran und grosse Wellen brechen sich vor dem Strand.
Ich kann Dir zeigen, warum die Region nicht nur „Algarve“ heisst, sondern „Felsalgarve“. Klar, für die meisten Besucher bedeutet diese Gegend im äussersten Südwesten Europas kilometerlanger und feinster Strand. Aber die unzähligen Badebuchten werden durch diese einmalig geformten rot-gelben Felsklippen mit bizarr geformten Höhlen und Grotten begrenzt. Diese Gebilde sind für mich das Besondere und Einmalige im südlichen Portugal. Vielerorts ist das Betreten dieser durch das Meerwasser ausgewaschenen Höhlen viel zu gefährlich und oberhalb der Klippen warnen zahlreiche Schilder vor herabstürzenden Felsen. Zum Teil stehen die Felsbrocken tatsächlich nur noch sehr wacklig aufeinander und wir fragen uns bei dem einen oder anderen Felskoloss, wann ihm die Erosion des Wassers den Rest gibt. Im Sommer werden wieder tausende von Sonnenhungrigen aus der ganzen Welt diese Strände zwischen Portimao und Alvor bevölkern, heute haben wir das Vergnügen fast für uns Alleine.