In der Krisensituation ergreift der Kapitän vorübergehend das Ruder des Blogs. Als wir von St. Martin herkommend auf den British Virgin Islands anlandeten, war das Coronavirus hier noch kein allzu grosses Thema. Man hörte die Schreckensmeldungen aus China und Italien und dachte, dass wohl auch Europa von der Pandemie überrollt werden würde. Hier wurden vereinzelt Kreuzfahrtschiffe abgewiesen oder in Quarantäne versetzt. Mittlerweile hat sich die Lage aber verändert. Wie Dominosteine wurden die Einreisebeschränkungen vieler Karibikinseln umgeworfen, von einem Einreisestopp für definierte Personengruppen oder gar für Alle.
An verlässliche, gesicherte Informationen zu gelangen, gestaltete sich als schwierig. Obwohl wir immer guten Internetzugang hatten und haben. Was man vor allem in reichlichem Überfluss hatte, waren die heillosen Übertreibungen bezüglich Einreisebestimmungen. Denn in den sozialen Medien tummeln sich Subjekte, die sich schneller als das Virus ausbreiten und mit Desinformationen um sich werfen. Bestenfalls werden diese Nachrichten einfach im guten Glauben weitergegeben, im schlechtesten Fall schmücken sie die Nachricht dramaturgisch aus. So wird aus einem simplen Problem bei der Einreise am Schluss ein Feuergefecht mit der Küstenwache in stürmischer See. Im Moment liegen wir jedenfalls in den US Virgin Islands, nachdem wir gestern absolut unproblematisch, schnell und freundlich von der United States Customs and Border Protection mit einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten in die USA einklariert wurden. Nun aber alles der Reihe nach.
British Virgin Islands
Mit dem Verschwinden der Nachtschwärze atmet Martina hörbar auf. Die ruppigen Wellen kommen zwar unvermindert steil von der Seite und bleiben höchst unangenehm. Doch jetzt sieht man sie anrollen und kann auf die Bewegungen reagieren. Mit der Finsternis verabschiedet sich zum Glück die Übelkeit bei meiner Frau. Nach langer Zeit hat es sie wieder einmal erwischt. Vermutlich auch begünstigt durch die Kälte. Denn trotz drei Lagen Kleidung hat sie die ganze Nacht über geschlottert und gezittert. Es ist deutlich fühlbar, wir segeln in nördlicheren Breiten. Was für ein schöner Moment, bei Sonnenaufgang die Konturen von Virgin Gorda zu sehen. Unser erstes Ziel in dieser Inselwelt. Als wir die Abdeckung von Anegada erreichen, lässt endlich auch der Schwell etwas nach. Wir segeln durch merklich ruhigeres Wasser und hinter der Prana Cat der Westseite der Insel entlang.
Ich bin überrascht wie viele Boote hier unter Segeln unterwegs sind. Man sieht zwar erstmals in grösserer Zahl Motorkatamarane, aber bei Segelkatamaranen stehen überall die Segel. Der Katamaran vor uns halst wie wir vor dem Wind im Virgin Sound zwischen Neckar Island und Prickly Pear Island hindurch. Bei sich kreuzenden Kursen werden die Ausweichregeln der KVR korrekt angewendet. Ich bin positiv überrascht, denn was hat man von diesem Revier für Räubergeschichten gehört. Alles fahre unter Motor und die Skipper am Steuer der gecharterten Jachten hätten von Tuten und Blasen keine Ahnung.
Virgin Gorda
Um kurz vor 12 Uhr fällt der Anker vor Spanish Town ins Wasser. Während ich mit Dominique von der SY Prana Cat mit dem Dinghi zum einklarieren fahre, geniesst Martina mit einer Tasse heissen Tee den Moment des Angekommen Seins. Leider steht so unangenehmer Schwell in die Bucht, dass wir uns am Nachmittag in die nur ein paar Seemeilen entfernte Long Bay verholen. Die Sonne ist noch nicht untergegangen, da hört man bereits unser lautes Schnarchen über die ganze Bucht hinweg. Zwölf Stunden seligen Schlafes später sind wir wieder fit und bereit für ein erstes Bad im glasklaren Wasser. Zähle mit Verwunderung die Schiffe in der Bucht. Hätte mit Sicherheit auf wesentlich mehr als nur fünf Boote in dieser riesigen, tollen Ankerbucht getippt. Es heisst, die BVI’s seien ein beliebtes und darum sehr volles Segelrevier. Wir zucken mit den Achseln, uns soll es so recht sein.
Ein ähnliches Bild zeigt sich anderntags im Gorda Sound. Nur wenige Boote liegen hinter der geschützten Insel Prickly Pear. Aber zusammen mit der Prana Cat und der Laya liegen sogar drei Schweizer Boote vor Anker. Für die kommenden Tage ist Schwachwind prognostiziert. Perfekte Bedingungen für Anegada, die Koralleninsel, 15 Seemeilen nördlich von Virgin Gorda gelegen.
Anegada
Der Wind bläht die Segel und Vairea jagt über das dunkelblaue, fast glatte Wasser ihrem Ziel entgegen. Wir finden knapp drei Stunden später den perfekten Platz. Entgegen unserer Befürchtung ist es nicht voll am Setting Point. Vairea ankert auf zwei Meter in türkisfarbenem Wasser auf sandigem Grund, gleich daneben hat die Prana Cat einen ebenso schönen Platz gefunden.
Zusammen mit Monika und Dominique lassen wir zum Sonnenuntergang ein kühles Bier durch unsere Kehlen rinnen und graben anschliessend unsere nackten Füsse in den feinen Sand von Anegada. Auf dem Grill brutzeln fangfrische Lobster. Sanft rollen die Wellen an den Strand und über uns leuchten tausende Sterne am Himmelszelt. Momente der Dankbarkeit und für die Ewigkeit.
Bereits am Nachmittag haben farbige Pseudo-Jeeps hinter dem kleinen Hotel mein Interesse geweckt. Ja, die kann man mieten bestätigt die Hotelangestellte. Und so sitzen wir anderntags in einem dieser offenen Moke‘s, bereit zur Inselerkundung. Einer Insel, so flach wie eine Flunder. Mit einem kleinen Museum zu Ehren von Theodolph Faulkner, dem berühmten Sohn Anegadas. Dem Iguana Sanctuary, einer Aufzuchtstation für die bedrohten endemischen Echsen sowie einem Flamingo-Aussichtspunkt.
Unser Highlight sind die einsamen Strände im Osten und Nordwesten der Insel. Das Spektakel der Farben ist schier unglaublich. Das Türkis und die Blautöne des Wassers konkurrieren mit dem Azur des Himmels. Dazu im Kontrast das blendende Weiss des Strandes und die verschiedenen Grüntöne der Büsche und Bäume. Kilometerlang, soweit das Auge reicht. Und kein Mensch, nur wir Beide. An der Flash of Beauty Bay, der Name ist definitiv Programm, serviert uns die Besitzerin der kleinen Strandbar zur Mittagszeit ein Roti. Das Beste, das wir je hatten, stellen wir beglückt fest. Als wir den Mietwagen am Abend zurückgeben, sind wir so richtig tiefenentspannt. Anegada ist der perfekte Ort zum Herunterfahren.
The Baths und Peter Island
Am 7. März geht’s unter denselben tollen Bedingungen wieder Richtung Virgin Gorda zurück. Solange es so schwachwindig ist, bietet sich ein Besuch bei „The Baths“ an. Dieser ganz spezielle Ort im Süden von Virgin Gorda ist das Wahrzeichen der Insel. Einmalige Steinformationen, wie man sie sonst nur von den Seychellen kennt. An der Trunk Bay finden wir einen sehr rolligen Ankerplatz. Hoffen, dass die Schaukelei im Laufe des Tages nachlässt. Das Dinghi binden wir bei der Absperrung ausserhalb der Bucht an und schwimmen die letzten paar Hundert Meter an Land. Lösen ein Ticket für den Nationalpark und machen uns auf die kleine Wanderung durch diese einzigartige Landschaft. Da wir praktisch die ganze Zeit alleine unterwegs sind, haben wir vermutlich die genau richtige Zeit für unseren Ausflug gewählt.
Zurück auf der Vairea merken wir schnell, dass es nichts wird mit Bleiben. Der Platz ist viel zu schwellig. Zudem überzeugt uns der Ankergrund nicht. Und so verbringen wir eine weitere Nacht an der Long Bay. Am 8. März fällt unser Anker in der White Bay bei Peter Island. Was für eine tolle Überraschung, als kurz danach die SY Invia mit unseren Freunden Dorothee und Stefan einläuft. Bei Kaffee und Bananenkuchen feiern wir das freudige Wiedersehen. Zwei Tage später segeln wir ans Westende von Tortola, der grössten Insel der British Virgins. In Soper’s Hole feiern wir bei Monika und Dominique auf ihrer Prana Cat einen temporären Abschied. Unsere Freunde wollen westwärts ziehen und erwarten auf den Turks & Caicos Besuch. Wir verlegen uns in die Hauptstadt Road Town, um unseren zur Neige gehenden Vorrat an Früchten und Gemüse aufzustocken.
Dominospiel des Coronavirus
Nun beginnt das Dominospiel des Coronavirus. Nachdem die USA einen Reisebann für die Schengen-Staaten erlassen hat, führen auch die karibischen Inseln Schutzmassnahmen ein. Hier auf den BVI wird der Verkehr mit Kreuzfahrtschiffen ausgesetzt, die Flughäfen auf Anegada und Virgin Gorda werden geschlossen. Jachten können nur noch auf Tortola in Road Town und in Soper’s Hole klarieren. Unsere Freunde von der Prana Cat brechen ihre Reise westwärts ab, da ihr Besuch nicht über die USA anreisen kann und scheinbar bereits Yachten auf Turks & Caicos abgewiesen worden sind.
Road Town – Hauptstadt der British Virgin Islands
Wir besuchen Road Town, wobei der Begriff Stadt etwas irreführend ist. Aus meiner Sicht ist es ein Kreuzfahrtterminal mit einer Ansammlung von Gebäuden rundherum. Die ehemalige Main-Street ist eigentlich eine Nebenstrasse. An dieser Strasse liegt aber eine Sehenswürdigkeit. Der H.M. Prison. Das Gefängnis wurde 1774 erbaut und war praktisch unverändert bis 1995 in Betrieb und ständig überfüllt. In einer anschaulichen Führung erzählt uns die Museumswärterin viele Geschichten. So wurden die Leichen der Hingerichteten auf dem kleinen Gelände verbrannt und die unterirdischen Zellen mussten kürzlich zugemauert werden. Denn dort fanden Schäferstündchen statt, die sogar einmal einen ganzen Rettungseinsatz notwendig machten, da Gebäudeteile einbrachen.
Mit vielen Eindrücken und vollen Einkaufstaschen verziehen wir uns zurück nach Hause. Am nächsten Tag verlassen wir den Hauptort und legen uns hinter Beef Island in die Bluff Bay. Wir sind erkältet und wollen uns hier auskurieren, bevor wir diese schöne Inselwelt weiter erkunden. Während unserem Aufenthalt an diesem idyllischen Ort zieht sich aber die unsichtbare Corona-Schlinge unaufhaltsam zu. Überall gibt es Grenzschliessungen mit teils widersprüchlichen Informationen. Dazu gesellen sich eben die vielen Räubergeschichtenerzähler und Wichtigtuer. Nach dem Ausfiltern der vielen Fake News und dem Überprüfen der verbliebenen Nachrichten über vertrauenswürdige Quellen verbleiben uns dann die, für unsere Entscheidungsfindung wichtigen Informationen.
US Virgin Islands
So beschliessen wir schweren Herzens die British Virgin Islands zu verlassen, da hier die Grenzschliessung unmittelbar bevorsteht. Wir wollen das Risiko vermeiden, dass uns womöglich nach Ablauf der dreissig Tage gültigen Aufenthaltsgenehmigung eine Verlängerung verweigert wird. Ist dann eine Einreise in die USA noch möglich? Ist die Schliessung der Grenze zu Kanada der Beginn, dass auch die USA alle Grenzen dicht machen? Daher entscheiden wir uns, in die US Virgin Islands einzureisen. Segeln am frühen Morgen des 18. März bei wundervollem Segelwetter unter Gennaker entlang Tortola zurück nach Soper’s Hole, wo wir problemlos und freundlich ausklariert werden. Anker auf, nun geht es weiter in die US Virgin Islands nach St. John in die Cruz Bay. Dort wollen wir in die USA einreisen. Etwas angespannt laufen wir den Ankerplatz an und machen uns anschliessend auf den Weg zum Büro der United States Customs and Border Protection (CBP).
Im Hinterkopf haben wir die vielen Schauergeschichten und Aussagen, dass dies sicherlich nicht klappen wird. Beim Betreten des Büros erscheinen die schwarzen Beamten der CBP in ihren schwarzen Uniformen mit grossem Waffengurt nicht gerade freundlich. Doch unser Hallo wird freundlich erwidert und nach der Frage, ob wir ein Visa hätten wird mir ein Formular in die Hände gedrückt. Ich bin gerade fertig mit dem Ausfüllen, da hat die Beamtin bereits den Pass verarbeitet. Nach dem Erfassen der Fingerabdrücke wünscht sie uns einen schönen Aufenthalt in den USVI. Schon fast unter der Türe drückt sie uns noch das notwendige Formular in die Hand, welches wir bei der Weiterreise nach Puerto Rico dann mitbringen wollen.
Keine Fragen über das Woher, das Wieso oder Wohin. Und ohne Gebühren zu entrichten, haben wir eine Aufenthaltsgenehmigung über sechs Monate. Wieder draussen, schauen wir uns gross an. Das war die mit Abstand unkomplizierteste und freundlichste Einreise in der ganzen Karibik.
Great St. James Bay
Bevor wir weiterziehen wollen wir anderntags im Marketplace noch frische Lebensmittel einkaufen. Wir finden einen reichlich und gut sortierten Supermarkt. Nirgends Spuren von Hamsterkäufen. Selbst das Regal mit dem WC-Papier ist prall gefüllt. Die Leute rundherum sind freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. So wie wir sie bereits im vorletzten Jahr auf unserem Road Trip durch die USA kennen und schätzen gelernt haben.
Wir wollen uns hinter Great St. James Island legen, wo wir nun wohl für diese Saison zum letzten Mal auf die SY Prana Cat stossen. Sie wollen nun definitiv nord-westwärts weiterziehen mit Saisonende an der Ostküste der USA.
Wie geht es bei uns weiter? Vorläufig wollen wir die US Virgin Islands erkunden. Ein Besuch von Puerto Rico macht nur Sinn, wenn der dortige Lockdown aufgehoben wird. Bis dahin dürfte vielleicht auch die Einreise nach Curacao einfacher sein. Momentan wird man bei Ankunft in eine 14-tägige Quarantäne gesetzt, bevor man einreisen kann.
Das Filtern von Fake-News wird unumgänglich sein. Ist der Hamsterkäufer mit dem Fake-News-Verbreiter identisch, gehört er der neu entstandenen „elitären Gruppe“ an, die über 80% der Vorräte an WC-Papier besitzt. Ich werde nicht weiter ausführen, was diese „Elite“ damit anstellen soll…
Wünsche euch beiden alles gute. Stay safe.
Hilde und ich sind froh das es euch gut geht. Abgesehen von der Seekrankheit. Martina das kann ja mal passieren.
Bei uns herrschen strikte Regeln. Es darf nur noch ins Büro wer unbedingt muss. Sonst Homeoffice.
Gruss Hilde und Roger
Hallo liebe Hilde und lieber Roger
Vielen Dank für Eure Zeilen und schön von Euch zu hören. Bleibt vor allem gesund. Und auch zuversichtlich, dass diese Zeit vorbeigeht. So wie auch mein kurzer Anfall der Seekrankheit. Hier gibts ebenfalls Regeln, noch sind die aber weniger drastisch als bei Euch. Auch hier liegts an der Eigenverantwortung der Menschen. Grüssen euch herzlich aus dem Haus auf dem Wasser, Martina und Daniel
Viele Grüße an Euch und bleibt gesund. Mit Wehmut haben wir die Bilder der VI gesehen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, wir werden zum Tauchen wieder kommen. Holger
Hallo Holger
Ja, die Virgin Islands sind wirklich wunderschön. Sie warten darauf von Dir betaucht zu werden.
Liebe Grüsse
Daniel
wünsche euch ‚Fair Winds‘ in allen Belangen !
herzlichst Gerald (Motorkurs Heinz 😉
Hallo Gerald
Lieben Dank und auch Dir und Deiner „Motor“-Truppe ein gutes Überstehen bei bester Gesundheit in dieser Zeit.
Liebe Grüsse Daniel
Hallo ihr Lieben, wir wünschen euch weiterhin viel Spass beim Reisen und bleibt gesund. Ich freue mich schon auf den nächsten Blog von euch. Interessant geschrieben lieber Dani. Auch du machst die Sache gut
Alles Liäbi
Graziella und Heinz
Hallo ihr lieben Beiden, dass wir Alle gesund und bald aus dieser Sache herauskommen, das wünschen wir uns! Dani dankt für das Kompliment.
Bis zum Wiedersehen, Eure Freunde