Ach komm, nach St. Anne im Süden von Martinique, sicher vier Stunden gegen Strom, Wind und Welle zu segeln ist nur doof, meint Daniel. Er hat dabei meine volle Zustimmung. Auch alle Ankerplätze auf St. Lucia fallen deshalb mit der gleichen Begründung aus dem Rennen. Wenn wir gleich beim ersten Büchsenlicht hier in Martinique loskommen, sind wir noch vor dem Eindunkeln an der Nordspitze von St. Vincent. Können dann in der grossen Bucht von Chateaubelair unseren Anker fallen lassen und tags darauf gleich weiter. Passt, so kann ich auch grad testen, wie mein Knie unter Segelbedingungen funktioniert, müssen wir doch gleich 2 Kanäle mit ordentlich Wind und Welle queren.
Vairea scheint begeistert zu sein, dass es endlich wieder los geht mit längeren Schlägen und würde wohl jauchzen, wenn sie denn könnte. Allerdings sind die Bedingungen auch wirklich herrlich. Wind und Welle uns wohlgesonnen. Und auch der Küste St. Lucias entlang können wir mit einem Abstand von ca. 15 Meilen wunderbar segeln. Toll wie alles passt, meint mein Skipper und freut sich ab den durchschnittlich 7-8 Knoten, die unsere Vairea läuft. Die prognostizierte Ankunftszeit liegt im Süden von St. Lucia bei 17.30 Uhr. Auch mein Knie macht keinerlei Probleme und wir reiben uns freudig die Hände. Aber man soll den Tag ja nicht vor dem Abend loben.
Strom im Kanal zur Cannabis-Insel St. Vincent
In unserem Fall verdirbt uns ein Strom im 30 Seemeilen langen Kanal zwischen St. Lucia und St. Vincent gehörig die Suppe. Teilweise bremst er unsere Fahrt mit bis 3 Knoten! Wir fühlen uns wie von unsichtbaren Hosenträgern immer wieder nach St. Lucia zurückgezogen. Zu allem Übel piesacken uns fiese, kurze und steile Wellen. Sie zeichnen während längerer Zeit ein völlig asynchrones Bild. Ankunftszeit 19 Uhr steht auf der Anzeige, als der Strom dann endlich nachlässt.
Naja, wir kommen einfach zum wiederholten Mal bei Dunkelheit an. Aber zum Glück kennen wir die Bucht, das macht die Sache einfacher. Und tatsächlich plumpst der Anker kurz nach 19 Uhr in den sandigen Grund der grossen Bucht. „Hello, Hello“, schallt es mitten im Ankermanöver vom Heck her. Es wird doch jetzt im Stockdunkeln nicht noch jemand unterwegs sein? Von wegen, tatsächlich hat uns ein Vinci erspäht und ist flugs rausgepaddelt um uns fröhlich seine mitgebrachten Waren anzupreisen. Früchte und grüne Limonen bietet er feil oder unseren Abfall würde er mitnehmen. Und so kaufen wir gegen halb neun Uhr nachts noch einen Bund frische Bananen sowie eine zuckersüsse Papaya ein. Aber danach löschen wir flugs das Licht, bevor womöglich eine ganze Verkaufskarawane startet.
Kurz vor 7 Uhr nehmen wir am anderen Morgen den Anker wieder hoch, als ein Junge auf einem Paddleboard längsseits kommt. Ich kenne Euch noch vom letzten Jahr, strahlt er uns an. Schade, dass ihr schon wieder weitergeht ruft er uns bedauernd zu. Wir kommen wieder, versprechen wir ihm winkend. Segeln im Morgenlicht der wunderschönen, unverbauten und herrlich grünen Küste von St. Vincent entlang. Ha, meint Daniel, ich würde auch blind erkennen wo wir gerade sind. Ich lache und weiss genau was er meint. Ja genau hier, dieser Küste entlang riecht man den Duft von Cannabis so intensiv.
Bequia – das Eingangstor zu den Grenadinen
Einen weiteren Kanal queren wir, diesmal aber bei allerbesten Bedingungen. Als wir im letzten November in schneller Fahrt von Carriacou nach Martinique zogen, ging mein Blick ein paar Mal sehnsüchtig rüber nach Bequia und ich fragte mich damals etwas wehmütig, ob ich diese Insel wohl noch einmal sehen würde. Und jetzt segeln wir direkt auf sie zu! Mit weit offenen Armen empfängt uns die Admiralty Bay. Mein Herz hüpft und auch beim unterdessen 5. Besuch hier überkommt mich ein freudiges Willkommensgefühl.
Wie spärlich belegt die Bucht doch ist, staunen wir. Die Hochsaison ist definitiv vorüber. Nachdem wir uns überzeugt haben, dass der Anker gut sitzt, fahren wir mit Vairelita zum Zollbüro. Nach den Einklarierungsformalitäten schlendern wir dem Ufer entlang. Schau mal, ruft Daniel, wir können unsere Vairea sogar vom Ende des Hafenbeckens sehen. Ein Umstand, der bei der sonst grossen Anzahl Schiffe vor Anker oder an den Bojen nie möglich war. Freuen uns, dass der im letzten Jahr durch einen Sturm demolierte Princess-Margret-Weg wieder geflickt wurde. Ansonsten ist alles noch genau so wie ich es in schöner Erinnerung hatte.
Wir werden jetzt einige Tage hier verweilen. Freuen uns auf Spaziergänge über die Insel oder auch nur dem Strand entlang. Und werden vielleicht auch die Fähre besteigen und wieder einmal Kingstown, die quirlige Hauptstadt von St. Vincent besuchen.