Kurz nach 14 Uhr rasselt die Kette und unser zuverlässiger Anker gräbt sich in Sekundenschnelle in den Sand vor Castle Island ein. Auch am Tag danach steckt uns die Begeisterung vom Hogsty Reef in den Knochen, unsere Köpfe sind voll der unglaublichen Bilder und das Herz geflutet mit Emotionen. Von einer weiteren Nacht im versunkenen Atoll mussten wir schweren Herzens absehen, leider ist für das kommende Osterwochenende mehr Wind angesagt. Und dann macht ein Aufenthalt im Hogsty Reef wohl keinen Spass mehr. Je nach Wetteranbieter sind es mehr oder weniger Knoten, die da aus nördlicher Richtung über die Bahamas hinweg brausen sollen. Die meisten der Inseln sind in einer Nord-Südausrichtung angeordnet, beim erwarteten Wind mit viel Nordkomponente ist daher guter Schutz vermutlich nicht so leicht zu finden. Etwas anders sieht es bei den Acklins und Crooked Inseln aus und da sind wir an diesem Montagnachmittag gerade angekommen.
Bis am Freitag sollten wir im Snug Corner sein, meint Dani und zeigt auf den entsprechenden Kartenausschnitt. Hoppla, entfährt es mir, diese Ecke scheint zwar wie geschaffen für den kommenden Wind, nur schaut es doch recht flach aus. Mit den angegebenen Wegpunkten, dem sonnigen Wetter und Eyeball-Beobachtung wird das kein Problem sein, ist sich der Captain sicher. Ein Glück, dass uns neuseeländische Segelkollegen in Luperon für einen kleinen Obolus die neusten Ausgaben der Charts and Cruising Guides überlassen haben. Diese Karten erleichtern uns das Segeln in der Inselwelt der Bahamas ungemein. Und der grösste Trumpf, unsere Vairea hat mit nur 1.21 Meter einen geringen Tiefgang. Gebiete wie die Bight of Acklins sind wie geschaffen für Katamarane.
Ungebetener Gast auf Acklins Island
Unser Aufenthalt zu Wochenbeginn in der Datum Bay wäre zwar schön aber ereignislos verlaufen, wäre nach dem Eindunkeln nicht ein ungebetener Gast auf die Vairea gesprungen. Wie immer sind unsere beiden vorderen Luken im Salon zwecks Luftzufuhr offen. Plötzlich werden wir durch ein lautes und aufgeregtes Flattern aufgeschreckt. Oh Schreck ein Vogel ist durch die Luke geflogen, schiesst es mir durch den Kopf. Von wegen. Da zappelt doch tatsächlich ein fliegender Fisch auf der Ablage direkt oberhalb des Sofas. Geistesgegenwärtig packt Dani das luftschnappende Tier an der Schwanzflosse und schmeisst den armen Kerl in hohem Bogen zurück ins Wasser. Wie der Fisch den Flug hinauf auf die Vairea und dann durch das Fenster geschafft hat, bleibt uns ein Rätsel.
Je nach Windeinfall können wir anderntags absolut problemlos von einem Wegpunkt zum nächsten segeln oder fahren, genau wie von Daniel vorausgesagt. Zur Sicherheit lässt er den Tiefenmesser nicht aus den Augen und sein persönlicher Eyeball auf zwei Beinen steht vorne beim Ausguck. Erstaunlich finde ich, dass wir während der ganzen 27 Seemeilen langen Fahrt auf kein anderes Boot treffen. Die einzigen Lebewesen, die uns ein Stück begleiten, sind verspielte Delphine.
Das ändert sich, als wir die Delectable Bay erreichen. An unserem Tagesziel ankert tatsächlich schon ein weiterer Katamaran. Und was für ein spezielles Modell, ein Multihull mit zwei Mastfoils, designt von Chris White. Bereits kurz nach unserem Ankermanöver braust das Dinghi heran. Der Eigner kommt uns besuchen und lädt uns zum Sundowner auf seine SY Ashling ein. Wir verbringen einen interessanten Abend bei John und seiner Frau Alexis und freuen uns, dass die beiden Amerikaner ebenfalls bis in den Snug Corner segeln wollen.
Schwarze Hexe
So richtig unheimlich wird es mir, als es beim Eindunkeln doch tatsächlich wieder flattert. Doch dieses Mal verirrt sich kein fliegender Fisch auf die Vairea, nein ein fast 20 cm grosser Falter fliegt hektisch durch unseren Salon. Andrea von der SY Easy One schreibt mir, dass dieses Exemplar den Namen „Schwarze Hexe“ trägt und rät mir zum Faktencheck im Internet. Bei Wikipedia lese ich, wo der Falter überall vorkommt und dass ihm in vielen Kulturen eine starke Symbolkraft zugeschrieben wird.
Fast durchwegs, ob in Mexiko, Jamaica, Hawaii oder Kuba, gilt sein Auftauchen als schlechtes Omen. Na toll, das hat mir gerade noch gefehlt. Ganz schlechtes Karma. Wir müssen das Tier schleunigst loswerden. Vor der Vertreibung aber noch schnell fertig lesen, denn da folgt ja noch die Bedeutung für die Bahamas. Und da besagt die Legende doch tatsächlich, dass wenn der Falter einer Person auf den Kopf fliegt, diese bald zu viel Geld kommt! Der Falter ist mir ja sowas von Willkommen, dass er sogar Wegflugverbot bekommt.
Bucht von Acklins
Die letzten 10 Meilen zu unserem Endziel werden dann wieder zu einem Fest für die Sinne. Es ist nicht nur dieses schier unglaubliche Blau des Himmels, das mit dem samtenen Türkis des Wassers konkurriert. Es ist vor allem auch diese enorme Weite die fasziniert. Alles erscheint Ufer- und somit grenzenlos. Die Natur erleben in ihren schönsten Facetten und wir Beide mittendrin. Still geniessen und spüren, so fühlt sich Glück an.
In der riesigen Bucht angekommen, ist Geduld gefragt. Bis mein Captain zufrieden ist mit dem Ankerplatz, das kann dauern. Mir wäre ja schon die erste Wahl recht gewesen, doch Monsieurs Ansprüche sind hoch. Und es ist ja schon richtig, dass jede Meile näher unter Land weniger Windwelle und somit ein ruhigeres Liegen bedeutet. Und so heisst es halt noch einmal Anker auf und wieder eine weitere halbe Stunde Ausguck halten. Mit nur einigen Zentimetern Wasser unter den Kielen steuert der Captain unsere Vairea souverän über den sandigen Grund, bis dann der Anker endgültig fällt und auch er restlos zufrieden mit dem Platz ist.
Der gut gewählte Ort, ein sauber eingefahrener Anker und ein Wetteranbieter, dessen Prognosen eintrafen, all das führt dazu, dass wir trotz auffrischendem Wind gegen Morgen gut geschlafen haben. In der Nacht zum Ostersonntag flaut der Wind bereits deutlich ab. So entschliessen wir uns, beim morgendlichen Hochwasser wieder zurück zur Delectable Bay auf Acklins Island zu segeln. Von dort wollen wir am Dienstag zum Landrail Point auf Crooked Island segeln. Dazu geht es noch einmal mit wenig Tiefgang, einem Eyeball auf zwei Beinen und einem souveränen Captain über ziemlich flaches Gebiet.
Wie immer tolle Geschichten von der SY Vareia ☺️Happy easter euch beiden . Liebe Grüße Elisabeth und Markus
Herzlichen Dank für die nette Nachricht, liebe Elisabeth und Markus. Mit herzlichen Ostergrüssen aus den Bahamas ins schöne Österreich!