Geschichte von einigen Metern, Traum & Dankbarkeit

Kannst Du Dir vorstellen, wie ärgerlich „einige“ Meter sein können? Ob zu kurz, zu tief, zu hoch oder wie im aktuellen Fall „einige“ Meter zu lang? Die Geschichte dazu erzähle ich sehr gerne, denn sie hat ein Happy End.

Zuerst blättere ich zum Mai 2016 zurück, als wir den Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal hochfahren und im spanischen Hafen von Ayamonte anlegen. Denn da herrscht Hoffnung, später mit unserer Vairea bis nach Alcoutim zu fahren, trotz dieser Brücke, die sich kurz nach Ayamonte über den Rio Guadiana spannt. Über die genaue Höhe dieses Stahlungetüms ist man sich uneins. Aber dann, nach genauer Recherche in der Marina zerschlägt sich die Hoffnung, denn der Mast des Lagoon-Katamarans 400 ist mit knapp über 22 Metern definitiv zu hoch. Und das Risiko, die Fahrt bei absolutem Niedrigwasser zu wagen, ist uns zu gross. Und so ziehen wir ein paar Tage danach wieder ab, mit Seufzern und wehmütigem Blick nordwärts. Elende Brücke!

2. Kapitel: In Alvor verbringen wir im Juli/August beinahe 6 Wochen vor Anker. Mehrmals am Tag passiert der gewerbsmässig betriebene Katamaran „Alvor Sailing“ unsere Vairea. Die beiden Capitanos winken uns immer fröhlich und mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu. Bei einem Treffen an Land lernen wir dann Vitor, den Besitzer des Katamarans und seine Frau Gilda näher kennen. „Kommt uns doch auf der Vairea besuchen, wir würden uns freuen“, lädt Daniel ein. Aber ehrlich, dass die Zwei dann wirklich kommen, daran glaube ich weniger. Weit gefehlt, ein paar Wochen später kommen sie tatsächlich mit ihrem Beiboot angefahren. Irgendwann im Lauf des Gesprächs erwähnen wir auch den Rio Guadiana und die doofe Brücke. Vitor meint, wir hätten halt das falsche Boot, sein Katamaran passe da spielend unten durch. Danke schön, netter aber schwacher Trost….

3. Kapitel: Wochen später, es ist Anfang Oktober und wir liegen unterdessen im Hafen von Portimao kommen uns Gilda und Vitor erneut besuchen. Vitors Arbeit mit dem Katamaran ist unterdessen zu Ende und er sieht seinem ½-jährigen Winterurlaub mit grosser Freude entgegen. Endlich privat auf dem Wasser unterwegs sein, darauf freut er sich sehr.

Kurz darauf meine ich, mich verhört zu haben. Er erzählt, dass ihn sein erster Törn den Rio Guadiana hinauf nach Alcoutim führt, wir Beide eingeladen sind ein paar Tage an Bord seines Katamarans zu verbringen. Wow! Wir sind sprachlos und sehr geehrt. Was für eine Frage, ob wir mitkommen möchten, sehr gerne. Ich hätte nie gedacht, dass sich dieser Traum erfüllt.

Happy End: Am 14. Oktober schultern wir Rucksack und Schlafsack und fahren 3 Stunden mit der Eisenbahn von Portimao nach Vila San Real, wo uns Vitor und sein langjähriger Freund Jorge auf dem Katamaran Catja bereits erwarten. Tags darauf legen wir um 9 Uhr in der Früh bei Niedrigwasser ab. Ich kann sagen, es kribbelt schon ganz schön, unter dieser Brücke durchzufahren. Aber alles klappt perfekt und problemlos, der Katamaran rauscht mit viel Luft nach oben unter der Brücke durch. Als dann das Wasser kentert und die Flut einsetzt, treibt uns der Strom flott voran. Bereits nach kurzer Zeit wird die Landschaft immer lieblicher. Die hässlichen Verbauungen sind komplett verschwunden und sowohl auf spanischer wie portugiesischer Seite säumt zum Teil hoher Wasserbambus das Flussufer. Dass dahinter kleinere Häuschen stehen, bleibt dem Blick fast völlig verborgen. Oft erahnen wir diese nur, weil davor Segelschiffe vor Anker liegen oder hölzerne Stege ins Wasser ragen. Es sei sehr einfach, mein Vitor, hier ein Grundstück zu kaufen. Dann ein kleines Haus darauf stellen und im Flussufer das Segelboot vor Anker zu legen. Ich kann das sehr gut verstehen, denn die Ruhe ist paradiesisch und auch jetzt, Mitte Oktober steigt das Thermometer kurz vor der Mittagszeit bereits wieder auf fast 23 Grad. Nach knapp 4 Stunden Fahrt taucht nach einer letzten Kurve das portugiesische Alcoutim mit seinen leuchtend weissen Häusern auf der linken Seite des Flusses auf, gegenüber das ebenso hübsche, spanische Örtchen San Lucar. Catja machen wir an einem der zwei Schwimmpontoons fest und sind dann bereit für einen ersten Dorfrundgang.

 

Ein Umstand ist besonders spassig. Drüben in Spanien, ennet dem Fluss, zeigen die Uhren im Gegensatz zu Portugal die mitteleuropäische Zeit an. Wir müssen also höllisch aufpassen, wenn eine Kirchenglocke bimmelt. Die Frage lautet dann immer: in welchem Land steht das Gotteshaus? Gleiches gilt für die Öffnungszeiten. Für das liberale Portugal sind Begriffe wie Siesta oder „Sonntags geschlossen“ Fremdwörter. In San Lucar jedoch öffnet der kleine Laden am Nachmittag erst wieder um 17.30, aber eben spanische Zeit. Und so stehen wir vier natürlich eine Stunde verfrüht vor verschlossenen Türen. Verwirrend gell. Wir machen uns den Spass draus, wechseln für eine Nacht das Ufer und gehen wortwörtlich in Spanien ins Bett.

Alcoutim hat knapp 2600 Einwohner, ein paar feine Restaurants, wovon interessanterweise einen Inder, 3 Geldinstitute, einen kleinen Lebensmittelladen und ein Souveniergeschäft. Wenn man Ausländern begegnet, dann sind es auch Yachtbesitzer, die meisten liegen mit ihren Booten vor Anker.

Der Ort ist ruhig, beschaulich, sehr relaxed und wenig touristisch. Doch wer jetzt meint, dass hier die Zeit stehen geblieben ist, dem rate ich zu einem Besuch in Pomorao. Denn das machen wir mit Vitors Beiboot 2 Tage später. Dieser ehemalige Minenort liegt eine knappe Stunde Fahrzeit nördlich. Während der Winterzeit leben etwa 30 Bewohner in diesem verschlafenen Ort, der bereits zum Alentejo und nicht mehr zur Algarve gehört. Beim Rundgang haben wir Glück, eines der beiden Restaurants ist geöffnet und wir lernen gleich die Hälfte der Bewohner kennen, die kurz vor dem Mittag bei Kaffee und Schnäpsli zusammen sitzen und über den Bau eines neuen gemeinsamen Brotofens unten beim Fluss diskutieren. Ebenfalls dort steht das Waschhaus, das den Frauen des Dorfes nebst dem waschen auch als Treffpunkt und Austausch dient. Wie wohl die Zukunft dieses Ortes aussieht, fragen wir uns. Denn an mehr als der Hälfte der Häuser klebt ein „zu verkaufen“ Schild. Dabei würde hier in dieser herrlichen Ruhe und Natur wohl manch gestresster und abgekämpfter Städter seine Batterien aufladen können. Aber vermutlich fehlt es nicht so sehr an den Ideen, sondern der Kommune halt vor allem am Geld.

Nach einer letzten Nacht, wieder auf portugiesischer Seite, geht’s dann bereits früh morgens mit dem ablaufenden Wasser zurück nach Vila San Real. Wir können Vitor gar nicht genug danken für diese einmalige Überraschung und die herrlichen Tage in einer wundervoll unberührten Landschaft. Während unsere beiden portugiesischen Freunde ihre Reise auf dem Wasserweg fortsetzen, fahren wir mit dem Überlandbus zurück nach Portimao.

 

Unser Fazit: Damit Begegnungen entstehen können, muss natürlich ein Interesse am Land, an den Leuten und ihrer Kultur vorhanden sein und dieses auch gezeigt werden. Vertiefte Beziehungen werden dann möglich, wenn man längere Zeit an einem Ort verweilt. Wir sind Gast im jeweiligen Land und unser Verhalten hat entsprechend neutral zu sein. Kritik an Politik, Religion oder Staatsführung ist selbstverständlich zu unterlassen.

Vielleicht magst Du ja auch einmal dieses Land besuchen, wir  können es Dir sehr empfehlen! Damit Du auch so tolle Begegnungen hast,  helfen im Umgang mit den Portugiesinnen und Portugiesen einige interessante Bräuche, damit man nicht ins Fettnäpfchen tritt:

  • Vergleiche mit Spanien sind zu unterlassen, das hat nichts mit Minderwertigkeitskomplexen zu tun. Aber die Portugiesen sind stolz auf ihre eigene Kultur und sind bei ewigen Vergleichen beleidigt.
  • Die Begrüssung erfolgt mit Handschlag, eine Umarmung unter Männern gehört sich nicht. Frauen werden ab und zu mit zwei Wangenküssen begrüsst.
  • Wenn man zu Portugiesen eingeladen wird, bringt man der Dame des Hauses Blumen oder Süssigkeiten mit. Dem Hausherren eine Spezialität aus dem eigenen Land (spezieller Schnaps, Schokolade oder Käse zum Beispiel)
  • Titel sind in Portugal sehr wichtig, also unbedingt benützen (der Doktor wünscht die Anrede „Senhor Doutor“ oder der Ingenieur „Senhor Engenheiro“)
  • Die Kleidung in Portugal ist anders als in Spanien üblich eher förmlich und konservativ. Mit grellen Farben macht man sich hier eher lächerlich
  • Die meisten Portugiesen beherrschen Englisch!
  • Der Umgang der Portugiesen gegenüber ausländischen Frauen zeugt von grossem Respekt!

 

1 Kommentar zu „Geschichte von einigen Metern, Traum & Dankbarkeit“

  1. Liebe Martina und lieber Dani
    Vielen Dank für diesen lebhaften und spannenden Bericht!
    Auch ich habe in dieser ganz kurzen Zeit sehr viel schönes in und von Portugal gesehen und kann eigentlich nicht nachvollziehen, warum ich noch nie in diesem Land Urlaub gemacht habe. Das wird sich definitiv ändern.
    En liebe Gruess
    Reni

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