Eine zweite Chance für Sardinien

Dank des günstigen Wetterfensters entscheiden wir uns, schon etwas früher als geplant zurück nach Sardinien zu segeln. Sehr dankbar für das Erlebte verabschieden wir uns von Sicilia, dieser einmaligen Insel und machen uns auf die 153 Seemeilen lange Überfahrt. Das Wetter im Mittelmeer wird seinem unsteten Ruf wieder einmal gerecht… Böen mit über 30 Knoten und absolute Flaute wechseln sich innert kürzester Zeit ab, wegen den kurzen und ruppigen Wellen wird auch diese Überfahrt nicht zu einem Wohlfühlerlebnis. Kurz vor Sardinien gesellen sich besonders verspielte Delphine zu Vairea. Die pfeilschnellen und wendigen Tiere vollführen tollkühne Saltis und scheinen sich in den hohen Wellen besonders wohlzufühlen. Ich hingegen sehne einfach das Ende des Törns herbei! Um 13.15 Uhr und nach 28 Stunden fällt der Anker in der Bucht vor der Marina Villasimius, wo bereits etliche Segelyachten ruhig liegen. Was freue ich mich auf eine entspannte und schlafreiche Nacht! Nachdem uns die Westküste Sardiniens so überhaupt nicht gefallen hat, geben wir der vielgepriesenen Ostküste eine Chance. Leider finden sich auf den ersten knapp 100 Seemeilen nordwärts kaum gute Ankerbuchten beim meist vorherrschenden Ostwind.

Nach einem Ruhetag in der tollen Ankerbucht stoppen wir kurz bei der Tankstelle, füllen die beiden Dieseltanks wieder auf und wollen eigentlich nur 15 Seemeilen bis zur Ankerbucht Cala Sinzas segeln. Doch dann erwischen wir einen dieser traumhaften Segeltage mit tollem Wind, der unsere Vairea mit bis zu 11,2 Knoten vorantreibt. Und so fällt der Anker halt nicht schon nach 15 Seemeilen sondern nach 59 Seemeilen und 10 Stunden 🙂 vor dem Hafen von Arbatax.

Anderntags gehen wir Anker auf und motoren kurz quer über die Bucht, wir haben im kleinen Hafen von Santa Maria di Navarra reserviert. Diese Marina wird nicht zu Unrecht überall gelobt, der Chef spricht sogar perfekt Deutsch. Ein erster Rundgang durch den kleinen Ort zeigt, dass alles Nötige vorhanden ist. Daniel hat hinter dem Hafen, hoch oben ein Gipfelkreuz entdeckt, das wir uns natürlich aus der Nähe anschauen wollen. Und so stiefeln wir frühmorgens mit Rucksack und hundslausiger Beschreibung los. Was die Schweizer in den Alpen vermutlich zu viel kennzeichnen, das vernachlässigen die Italiener entsprechend. Und so gestaltet sich die Suche nach dem richtigen Weg des öftern als Sisyphusarbeit. Doch irgendwann, Stunden später stehen wir mit zerkratzten Beinen und nassgeschwitzt auf dem Gipfel und suchen das Gipfelkreuz???? Schauen nach links – schauen nach rechts, nichts. Irgendwann schauen wir nach unten und da tief unter uns sehen wir das Teil. Wir sind “fälschlicherweise” auf den viel höheren Monte Oro geklettert…. Bei Pedro Longo finden wir den Einstieg in den Weg zurück nicht mehr. Zum Glück können wir uns spontan einer Nordic-Walking-Gruppe aus Ravenna anschliessen. Mit dieser lustigen Truppe geht’s ohne eine Redenspause aber mit forschem Tempo in Richtung Santa Maria 🙂 Zurück auf der Vairea waren wir 18.5 Km unterwegs.

Weiter nordwärts hält die Küste eine schöne Cala nach der anderen bereit. Für die erste Nacht wählen wir die Cala Sisine aus. Bevor die Invasion der Gummipiraten einsetzt (jeder Sarde hat mindestens ein Gummi-Motorboot!) nehmen wir Anker auf und lassen ihn nach 3 Seemeilen schon wieder in den schneeweissen Sand vor der Cala Luna versinken. Ab 10 Uhr trifft fast im Minutentakt ein Ausflugsboot nach dem anderen ein, die Badegäste an den Strand spülen. Innert kürzester Zeit sieht man vor lauter Leute, Badetücher und Sonnenschirme keinen Strand mehr 🙂 Als dann aber um 18 Uhr die letzte Fähre abgelegt hat, fahren wir mit unserem Dinghi in die nahe gelegenen Höhlen und haben anschliessend die Cala mit dem wunderschönen Strand ganz für uns alleine.

Nach weiteren 3 Seemeilen plumpst der Anker vor dem Hafen von Cala Gonone. Mit dem Dinghi geht’s an Land zum einkaufen und dann gleich 6,3 Seemeilen weiter nördlich bis zur Punta Nera die Osella, wo wir eine ruhige Nacht verbringen. Dann ist wieder einmal ein längerer Schlag angesagt, 39 Seemeilen segeln wir bis zur Cala Coda Cavallo, wo bereits einige Segelyachten vor Anker liegen. Anderntags frönen wir dem Nichtstun, geniessen das herrliche Wetter und bewundern das glasklare Wasser. Überraschenderweise läuft am späten Nachmittag die SY Bluewaft mit unseren Segelfreunden David und Magali in die Bucht ein. Die beiden kennen wir von Premià de Mar und so verbringen wir einen schönen Abend an Bord ihrer Lagoon 560 und staunen, wie klein die Welt doch manchmal ist. Die Zwei brechen anderntags nach Sizilien auf, wir verlegen uns wegen dem drehenden Wind nur kurz ums Eck in den nördlich gelegenen Ankerplatz Porto Brandinghi. Im nahegelegenen Hafen von Puntaldia gibt’s einen kleineren Supermarkt mit allem Nötigen für den täglichen Gebrauch. Wieder frische Früchte und Gemüse an Bord, herrlich!

Am Tag darauf segeln wir an der kleineren Insel Molara vorbei und ankern vor der Isola Tavolara. Etwas weiter draussen liegen drei grössere Motoryachten, die ihre zahlungskräftigen Gäste mit den Beibooten zum Restaurant und wieder zurück führen und dabei unangenehme Wellen verursachen. Wir versuchen uns vorzustellen, wie sich das in der Hochsaison anfühlen muss, wenn nicht “nur” drei sondern dreissig Motoryachten vor Anker liegen….

In der Bucht Porto della Taverna werfen wir anderntags den Anker, nehmen aber wegen des Schwells kurz nach dem Mittag wieder auf und verholen uns in die nördlich gelegene Bucht Golfo Spurlatto. Aber auch dort ist es zu ungemütlich und so fahren wir wieder zurück zur Isola Tavolara, wo wir eine gemütliche und ruhige Nacht verbringen.

Die Gegend rund um Capo Coda Cavallo / Isola Tavolara ist voll mit geeigneten Ankerbuchten, diejenige bei der Isola Porri ist unsere nächste. Es ist Sonntag und entsprechend viele Segel- und Motoryachten liegen bereits in der hübschen Bucht. Am Abend lichten sich die Reihen schnell und wir fahren mit dem Dinghi an Land. Eine Strandbar lockt mit einem Livesänger und gluschtige Düfte wehen herüber. Dort lernen wir Jack, den Skipper der SY Timanfaya und seine Freundin Mikaela kennen. Auch am darauffolgenden Abend trifft man dieselben vier wieder am gleichen Ort an 🙂

Als der Wind auffrischt verlassen wir die schöne Ankerbucht und segeln bis zum Golfo die Aranci. Jack hat uns ein romantisches Restaurant direkt am Strand empfohlen, wo wir am Abend einen leckeren und fangfrischen Fisch in herrlichem Ambiente geniessen.

Ein weiterer toller Segeltag führt uns um das Capo Figaro herum etwas mehr als 20 Seemeilen bis zum Ankerplatz bei Porto Alfodeli/Cugnana. Wir staunen nicht schlecht, als wir bei drei weiteren Segelyachten, darunter der SY Timanfaya, die Schweizer Flagge munter im Wind flattern sehen. Was geschehen kann, wenn vier Schweizer Segelboote mit zwäger Besatzung am gleichen Ort liegen, erleben wir kurz darauf. Einladung zum Nachtessen bei Jack wird per Dinghi überbracht, alle weiteren Details auf Kanal 72. Und dort trudeln bald Funksprüche ein, von “hätt öpper Amaretto für’s Tirami Su”? oder “chömmer no Wii bruche”? bis “gits Tenuezwang”?…. Zusammen mit Urs und Mikaela (SY Timanfaya), Marcel und Conny (SY Marelia) und André und Sabine (SY Aglaea) verbringen wir einen lustigen, feinen und interessanten Abend und die Uhren zeigen doch tatsächlich 3 Uhr, als wir wieder auf unserer Vairea sind.

Anderntags schlafen wir etwas länger aus, fahren anschliessend in den Hafen Portisco um unsere Vorräte aufzufüllen. Den Abend verbringen wir bei Conny und Marcel auf ihrer Lagoon 39, der SY Marelia. Die Männer fachsimpeln über Technik, Segelpläne usw. und wir zwei Mädels wissen uns sonst 1000 Sachen zu erzählen. Und wieder ist es weit nach Mitternacht, bis wir ins Bett plumpsen. Anderntags sind wir bei André und Sabine auf Ihrem Lagoon 52 Katamaran. Spannend, aus erster Hand zu hören, wie die Beiden ihren Charterbetrieb managen – sozusagen ein Hotel auf zwei Kufen 🙂 Im Verbund mit der SY Timanfaya und der SY Marelia segeln wir bei optimalen Bedingungen zurück bis zur Isola Porri.

Mit unserem aufblasbaren Kayak erkunden wir die nähere Umgebung und staunen ein weiteres Mal über das saubere und glasklare Wasser. Wir haben wirklich den schönsten Swimmingpool um unser Haus herum. Unterdessen ist die Wassertemperatur auf 29 Grad angestiegen und von Abkühlung kann keine Rede mehr sein, dafür ist Dani umso schneller im Nass. Wir freuen uns sehr, dass uns unser Sohn mit seiner Freundin für 6 Tage besucht – auch ein willkommener Anlass, die Gästekabine herzurichten. Dabei finden wir in den Stauräumen schon schmerzliche vermisste Sommerkleider. Die Inventarliste verlangt eine Optimierung und die ohnehin schon lange To-Do-Liste ist einen weiteren Punkt länger :-). Am Abend sind wir bei Jack zu Kaffee und Abschiedsdrink eingeladen, er segelt mit seinen Gästen nach Sizilien. Ein unverwechselbarer Duft zieht aus der Küche an Bord, Jack hat Zopf gebacken! Ich bekomme ein grosses Stück davon geschenkt. Wir sind froh und dankbar, einen so aufgestellten und grossherzigen Menschen kennen gelernt zu haben……

Anderntags motoren wir das kurze Stück bis in die Marina von Olbia. Unsere Vairea bekommt ihre verdiente Süsswasserbehandlung, bis sie wieder glänzt. Auch innen wird alles auf Hochglanz gebracht. Anschliessend geniessen wir das tolle und grosse Angebot des Auchan-Supermarktes gleich oberhalb der Marina.  Kurz nach 22 Uhr treffen Manuel und Irina nach ihrer längeren Reise auf der Vairea ein und ich habe endlich wieder einen Teil der Familie bei mir. Wir sind sehr gespannt, ob und wie die zwei Landratten das Zigeunerleben zur See vertragen. Das Wetter und die Winde sind uns während der nächsten Tage wohlgesonnen und so verleben wir tolle, problemlose Tage zusammen. Manuel fährt Dinghi wie ein Meister nur leider war der Ausflug mit der Schleppangel der beiden Männer nicht von Erfolg gekrönt. Viel zu schnell vergehen die Tage und am 12. Juli legen wir am Commercial Quai in Olbia an, wo uns die Zwei wieder verlassen. Dani und ich segeln kurz darauf in den Golfo die Aranci zurück. Nach einer Nacht bei Porto Portisco sagen wir dieser tollen Gegend definitiv Adieu – uns ziehts weiter westwärts. Die Ankerbucht von Golfo Pevero wäre wunderschön, wenn es nicht so viele, grosse und leider oft rücksichtslose Motoryachten hätte. Die meisten verschwinden noch vor Sonnenuntergang in die Häfen von Rotondo oder Cervo und so können wir wenigstens noch einige ruhige Stunden geniessen.

Porto Puddu heisst unser nächstes Ziel und liegt etwas unterhalb des Maddalena Archipelago. Auf dem Weg dorthin geniessen wir perfektes Schmetterlingssegeln. Doch zwischen den Inseln bläst eine kräftige Düse mit bis zu 30 Koten, so dass wir das Vollzeug bergen und die letzten paar Seemeilen nur unter Genau segeln. Vor dem Ankerplatz müssen wir uns den Weg durch Dutzende von Surfern und Kitesurfer bahnen – nicht umsonst gilt der Ort als einer der Windreichsten von ganz Sardinien.  Doch bis zum Abend nimmt er kontinuierlich ab und wir liegen absolut ruhig – aber nur bis Mitternacht, denn wie aus dem Nichts erwachen die diversen Beachclubs zum Leben und beschallen die Bucht mit immer lauterer Musik. Da gibt’s nur eins, raus aus dem Bett, Weinflasche auf den Tisch und abwarten, bis der Spuk vorbei ist 🙂

Am drauffolgenden Nachmittag gesellen sich Conny und Marcel von der SY Maralia zu uns und den Abend verbringen wir zu Viert in angenehmer Atmosphäre in einer Pizzeria. Unser nächster Stopp ist nur knapp 6 Seemeilen weiter westlich und die Ankerbucht heisst Porto Pozzo. Wir können vor dem ankern am Steg der Marina schnell festmachen und Wasser bunkern. Von einem nahe gelegenen Restaurant weht ein köstlicher Duft herüber – riecht verdächtig nach Holzofen. Tatsächlich, aber es werden dort keine Pizzen gebacken, sondern frischer Fisch gegrillt, lecker! Auch der dazu gereichte Wein ist excellent. Uns gefällts so gut, dass wir beschliessen noch eine Nacht zu bleiben. Anderntags sind Conny und Marcel bei uns zum Fischessen eingeladen, es gilt leider, auch von diesen beiden so sympathischen Segelfreunden Abschied zu nehmen.

Wir gehen früh Anker auf, denn bis zur Isola Piana sind es über 60 Seemeilen. Leider müssen wir einiges der Strecke motoren. Der avisierte Ankerplatz beim Hafen von Stintino gefällt uns gar nicht, also noch etwas weiter und so fällt der Anker schlussendlich in der Bucht bei der Isola Piana, einer der schönsten Ankerbuchten von ganz Sardinien. Und dass keine Übertreibung ist, sehen wir am anderen Tag bei Sonnenschein so richtig. Aber so richtig türkisfarbenes, kristallklares Wasser – fast schon kitschig, aber einfach wunderschön! Wir können uns kaum sattsehen.

Nach dem Studium der Wetterdaten steht Samstag, 25. Juli als geeigneter Tag der Überfahrt nach Menorca fest. Ein passendes Wetterfenster für die direkte Überfahrt nach Barcelona ist leider nicht in Sicht. Was dann die kommenden Tage ansteht, ist nichts Neues mehr und schon beinahe Routine und so warten wir und unsere Vairea gut vorbereitet auf den Tag des nächsten grossen Schlages.

 

 

 

 

 

 

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