Das einzig Negative an Key West ist der Ankerplatz. Also nicht explizit der unsere, nein es gibt hier einfach keine guten Möglichkeiten. Man liegt überall und immer sehr ausgesetzt und ganz besonders, wenn es wieder einmal aus Nord bläst. Dann baut sich meist in Kombination mit der Tide eine fiese, kurze Welle auf und die über eine Meile lange Fahrt mit dem Dinghy von Wisteria Island an Land wird zu einer nassen und kühlen Angelegenheit. Aber das ist jammern auf hohem Niveau, ansonsten gibt’s meinerseits überhaupt nichts zu mäkeln.
Auch nach unterdessen einer Woche vor Ort passt Key West in keine Schablone und es würde mir schwerfallen diese Kleinstadt zu charakterisieren, wenn ich denn müsste. Ihre Facetten sind einfach so vielseitig und gleichzeitig so unterschiedlich , dass vermutlich keine Beschreibung dem Ort abschliessend gerecht würde. Laut ist es, sehr touristisch und unglaublich voll. Stimmt genau, rund um die Duval und die Front-Street. Dafür ist es nur ein paar Meter davon entfernt völlig ruhig und wir treffen keine Menschenseele an. Eine schier unglaubliche Dichte an Bars weist Key West auf, die bereits am Nachmittag brechend voll sind. Ganz genau so ist es, doch diese sind auch nur rund um das Epizentrum der Kleinstadt angesiedelt. Gleich dahinter schliessen sich nämlich die ruhigen Quartiere mit Wohn- und Ferienhäusern an. Künstlerisch angehaucht und gewürzt mit einer kräftigen Prise Hippie-Zeit, das ist Key West praktisch überall.
Southernmost City Key West
Wie zuvor schon an den anderen Orten entlang der US-Ostküste erkunden wir auch Key West mit Vergnügen zu Fuss. Bummeln vom Hafen westwärts und schmunzeln, was hier alles «Southernmost» ist. Der Lebensmittelladen, Fahrradverleih, das Hotel oder die Bar, alle machen mit ihrer speziellen Lage Werbung. Bei der meist fotografierten Boje, die den südlichsten Punkt der USA bezeichnet ist die Schlange bereits zu früher Stunde lang. Wie auch vor dem Ernest Hemingway Haus, wo die Besucher im Schatten der riesigen Bäume auf Einlass warten. Und ein paar Meter weiter weisen die Schilder am Strassenrand auf den Beginn des US-1 Highway’s hin, der nach 3810 Kilometern an der kanadischen Grenze in Maine endet.
Das Fort Zachary steht ausgerechnet während unseres Besuches im Zeichen eines Civil War Revivals und wir werden gar Zeuge einer nachgestellten Seeschlacht. Kurzzeitig wähnen wir uns in der Zeit um 1860, aber nur bis sich das riesige Kreuzfahrtschiff ins Bild schmuggelt. Wir bummeln am Little White House vorbei, wo der damalige US-Präsident Harry S. Truman jeweils seine Ferien verbrachte und über dem Marshallplan für die Zukunft von Europa brütete.
Wir geniessen das Entdecken und Erkunden dieser so vielfältigen, kleinen Stadt und alles verläuft in ruhigen und unspektakulären Bahnen bei uns. Genau bis zu dem Zeitpunkt, wo uns Andrea und Ingo einen Besuch im «The Bull» schmackhaft machen. Denn in dieser Bar spielt am Abend Gerd Rube, ein bekannter deutscher Musiker erklären uns die Freunde von der SY Easy One. Das tönt doch wunderbar, wir freuen uns auf wieder einmal live Musik. Das Gebäude ist riesig und wie die meisten Bars komplett offen. Wir ergattern uns einen Tisch gleich neben dem Eingang und sind gespannt auf das was kommt. Um 19 Uhr bringt sich an einem der zwei Eingänge eine farbige Frau mit einem Security Shirt in Stellung.
Der Garden Eden
Wir beobachten, dass sie nur die Ausweise der jüngeren Besucher kontrolliert und sind überzeugt, dass der Grund beim Ausschank von Alkohol liegen muss. Im Nu und wie es in den USA halt üblich ist, sind wir im Gespräch mit Cynthia, der Security-Dame. Wann immer möglich kommt sie für ein Pläuschchen oder ein gemeinsames Foto an unseren Tisch. Und wenn sie kurz austreten muss, dann übernehmen entweder Andrea oder ich ihren Türsteherjob. Und haben jeweils ein Heidengaudi ab den verdutzten Blicken der älteren Männer, wenn wir von ihnen die Ausweise verlangen.
Wir können uns allerdings keinen Reim darauf machen, warum so viele Leute die Treppe hinauflaufen, anstatt auch der schmissigen Livemusik zuzuhören. Unterdessen ist es so laut geworden im Lokal, dass ich nur das Wort «nackt» höre, dass uns eine Frau mit leuchtenden Augen entgegenbrüllt. Der Rest geht im Lärm unter. Doch Ingo scheint alles verstanden zu haben und sprintet mit Andrea an der Hand sofort los die Treppe hoch. Das müsst ihr Euch unbedingt anschauen gehen, meinen die Beiden bei ihrer Rückkehr grinsend. Schwer zu glauben, aber da oben tanzen die Leute nackt!?! Wir sind völlig überzeugt, jetzt dann gleich einem Bären aufzusitzen als nun wir uns auf den Weg nach oben machen.
Im zweiten Stock spielen die Leute Billard und werfen Dartpfeile. Also noch einmal eine Treppe hinauf. Und schon stehen wir auf einer grossen, von aussen nicht einsichtigen Rooftop-Terasse mit Bar, Lichtshow und DJ. Und tatsächlich, zwischen vielen Zuschauern bewegen sich doch tatsächlich auch einige nackte oder halbentblösste Männlein und Weiblein im Takt der schmissigen Discomusik. Was für eine völlig skurrile Situation. Im als prüde verschrienen Amerika treffen in aller Öffentlichkeit und völlig legal Exhibitionisten und Voyeure aufeinander.
Lebensfrohes Key West
Ich hätte alles erwartet, aber zuletzt das. Wir alle vier wähnen uns noch eine ganze Weile wie im falschen Film und uns ist jetzt auch klar, dass die Ausweiskontrolle wohl nichts mit dem Alkoholausschank zu tun hatte. Apropos Alkohol, meint Daniel, auch der Umstand, dass auf den Strassen von Key West ungeniert Hochprozentiges getrunken werden kann, ist verwunderlich. Cynthia erklärt uns bei der Verabschiedung, dass der Garden of Eden jeden Abend geöffnet sei und der Andrang immer riesig sei. Wir versichern ihr, dass uns einmal gereicht hat. Ja, Key West passt definitiv in keine Schublade.
Sehr schöner Bericht – wäre ich nicht live dabei gewesen…hätte ich das wohl eher auch als einen aufgebunden Bären gehalten
War so schön mit Euch … gute Reise ⛵️
Und wer weiß wann und wo wir uns Wiedersehen…
Vermutlich werden wir das Erlebte nie vergessen, es war aber auch speziell 😉 Wir sind so glücklich, dass es noch geklappt hat mit dem Wiedersehen, wenn auch fast auf den letzten Drücker. Kommt gut weiter und geniesst herrliche Tage in Cuba. Hoffentlich bis zum Wiedersehen!