Zurück ins Leben

Zu Zeiten unseres Landlebens, also vor langer Zeit, war das Fernsehgerät ein fester Bestandteil des Alltags und meist täglich im Gebrauch. Einiges bewusst konsumiert, anderes mehr zum Abschalten nach einem langen Arbeitstag. Oft lief das Gerät halt einfach im Hintergrund mit. Wir haben jetzt zwar einen kleinen Bildschirm an Bord, unauffällig hinter einem Schrank festgemacht, aber der Fernseher ist praktisch nie an. Diese Beschäftigung ist wie in Vergessenheit geraten, hat seinen Stellenwert und den Sinn verloren. Bis jetzt. Denn in der aktuellen Zwischenphase auf dem Weg zurück ins Leben, von zwar nicht mehr ganz immobil aber doch noch nicht seetauglich zog ich mir ab und zu abends eine dieser mit Prädikat Suchtpotential versehenen US-Staffeln rein.

Schweizer Fernsehen zeigt Wege zurück ins Leben

Und dann, warum auch immer, stosse ich auf eine Sendung des Schweizer Fernsehens. Das Reporterteam besuchte das Paraplegiker Zentrum in Nottwil. Ich sehe Menschen, die von unterschiedlicher Paraplegie betroffen sind und wohl zeitlebens im Rollstuhl leben müssen. Deren Leben von einer Sekunde zur anderen nicht mehr dasselbe ist und wohl nie mehr sein wird. Zum Teil waren beinahe banale Unfälle die Ursache, so wie meiner im vergangenen Dezember. Aber bei diesen Patienten mit so gravierendem Ausgang und weitreichendem Einschnitt für ihr zukünftiges Leben. Es sind Patienten, die vom Schicksal so hart getroffen sind, aber nicht wehklagen oder grollen. Sondern voller Zuversicht und Hoffnung in ihre Zukunft schauen. Es gab Phasen, wo ich mit meinem Zustand haderte und sogar ein paar Mal jammerte. Als es mit der Beweglichkeit nicht schnell genug vorwärtsging und mich die Schmerzen stoppten.

All das kommt mir wieder in den Sinn und ich schäme mich sehr. Denn wir konnten den Rollstuhl wieder zurückgeben und auch die Krücken sind unterdessen weggeräumt. Ich schlucke während der 60 Minuten ein paar Mal sehr schwer. Wie nahe doch Glück und Unglück beieinander liegen können. Ich schaue an mir herunter und bewege dankbar meine Beine und Füsse. Zwar laufe ich noch etwas unrund und abwärts am liebsten gar nicht – aber ich laufe! Was sind ein paar Wochen oder gar Monate mehr, die wir hier in der Marina auf Martinique verbringen. Einige aktuelle Einschränkungen oder Behinderungen, aber Alles mit der Aussicht auf Genesung und Mobilität? Gar nichts. Das wurde mir an diesem Abend sehr bewusst. Und manchmal, wer weiss warum, kommt der Griff zur Fernbedienung des Fernsehgerät halt genau zur richtigen Zeit.

Letzte Phasen auf dem Weg zurück ins Leben

Es sind jetzt über vier Monate seit der Operation vergangen und ich befinde mich in einer der letzten Rehaphasen. Trainiere nur auf dem operierten Bein auf einem weichen Gummiteil und versuche wildrudernd das Gleichgewicht zu halten. Alles schwitzen, stöhnen und jede Schinderei in der Physiopraxis dient dem Muskelaufbau des immer noch etwas schlaffen Oberschenkels. Denn nur ein starker Quadrizeps gibt einem Bein Halt und stützt es. Es sei dummerweise so, meint Sophie meine Therapeutin, das Fett kommt schnell und verschwindet langsam. Bei den Muskeln sei es halt gerade andersherum. Jetzt müsste ich bitteschön beim Muskelaufbau einfach noch alles überschüssige Fett verlieren, dann… Aber das sind jetzt vermutlich Wunschgedanken.

Zurück ins Leben mit der Physiotherapie

Anders wie die Muskeln haben die Französischkenntnisse bereits stark zugenommen. Unterdessen können wir uns bestens unterhalten, nachfragen muss ich noch bei speziellen Begriffen. Dass mein französischer Wortschatz aber so viele medizinische Begriffe umfasst, war ganz sicher nicht geplant. Ich habe vor, die baldmöglichst wieder zu vergessen.

Planung für die kommende Zeit der Hurrikane

Apropos Planung, wo verbringen wir die kommende Hurrikan-Zeit? Diese Frage wiederholt sich regelmässig und alljährlich für alle Segler, die in den karibischen Gewässern unterwegs sind. So auch für uns. Und mit der definitiven Entlassung wieder hinaus aus der Marina und aufs Wasser voraussichtlich im Mai wird die Planung konkret und wir diskutieren nicht mehr über ungelegte Eier. Sinnvoll weil vernünftig erscheint uns die Variante Grenada für die rund fünfmonatige Hurrikan-Zeit. Und so wird es noch einmal  die Spice Island ganz im Süden des Antillenbogens.

Aktuell beschäftigt ein Angriff mit Schusswaffeneinsatz seitens Piraten zwischen den Inseln von Trinidad und Grenada die Segelcommunity. Schon seit geraumer Zeit befürchten wir, dass die Probleme auf Venezuela eskalieren könnten und sich damit die Sicherheitslage im südlichen Teil der Karibik verschlechtert. Und womöglich scheint dieses Szenario nun eingetroffen zu sein. Es bleibt abzuwarten, wie die Küstenwachen der verschiedenen Länder auf diese Aggression reagieren. Aber auch vor diesem Angriff wären Trinidad und Tobago aufgrund seiner Feuchtigkeit nicht in Frage gekommen. Wegen möglicher Hurrikangefahr muss man auch nicht unbedingt auf Trinidad oder Tobago ausweichen. Diese Inseln sind bisher in etwa gleich selten von Hurrikanes getroffen worden wie Grenada. Auch bietet Grenada gute technische Infrastruktur zur Lagerung und Wartung von Yachten. Und so passt es für uns bestens mit der getroffenen Wahl.

Auch habe ich Ende Juni für mich Flüge mit guten Verbindungen in die Schweiz gefunden. Daniel wird während knapp fünf Wochen gut zu unserem Daheim schauen und die Vorzüge der Ankerplätze auskosten.

Segler treffen sich immer wieder

Bis es soweit ist, geniessen wir Besuche und das Gastgebersein mit bekannten Segler-Gesichtern. Angela und Franz sind da! Er ist der absolute Motorenspezialist. Durch seine Adern fliesst vermutlich Benzin statt Blut. Mit dem Beitrag „Wir haben den Franz“ ist ihm sogar ein eigener Blog auf unserer Homepage gewidmet. Die beiden Süddeutschen verwöhnen uns nach Strich und Faden mit einem exzellenten Grillabend. Auch die beiden Holländer Jannie und Jacko kennen wir von der kanarischen Insel La Palma. Die zwei legen mit ihrer Maaike-Saadet auf dem Weg nach Neufundland hier einen Stopp ein. Und mit Isabelle und Peter, die wir aus Grenada kennen, gibt es wieder einmal ein paar Schweizer Treffen. Wir sind gespannt, wo wir wen das nächste Mal wieder antreffen werden.

Unsere Reise im Überblick & Unsere Schatzkiste

2 Kommentare zu „Zurück ins Leben“

  1. Mein Onkel befindet sich derzeit zur Reha in einer Physiopraxis. Wie Sie bereits anführen, verhalten sich Muskeln leider anders als Fett und sind weitaus umständiger anzutrainieren. Vielen Dank fürs Teilen Ihrer Erfahrungen in der Physiopraxis!

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