Teneriffa – Noch so viel mehr als nur der Teide

Ich gestehe, ich war die vergangenen Wochen etwas unausgeglichen, nett formuliert. Ich schob nämlich eine Krise! Künstler leiden manchmal unter einer Schaffenskrise, Kirchengänger ab und an unter einer Glaubenskrise. Männer leiden ab einem gewissen Alter unter der Midlife Crisis. Ich litt unter einer Gebietskrise. Ich tue mich (noch) etwas schwer mit diesem Segelgebiet seit wir auf Teneriffa sind. Ein Gebiet, das mich mit seiner Wucht bisweilen verunsicherte und anfänglich gar verängstigte. Ohne Zweifel erkenne ich den Vorteil, dass hier immer ein konstanter Wind bläst, unabdingbar für ein gutes Segeln. Aber hier kommt man aus dem Hafen und die Urkraft schlägt direkt zu. Es bleibt mir wie keine Zeit der Angewöhnung. Kein Luft holen oder eine gemässigte Steigerung wie zum Beispiel an der Algarve. Hier geht’s von 0 auf 100 in kurzer Zeit, dieser Umstand war neu und ungewohnt.

Ich benötigte etwas Luft. Die Entscheidung, nicht in den Süden von Teneriffa zu segeln, sondern in der Marina Santa Cruz zu bleiben und von dort aus die Insel zu erkunden, war wie sich herausstellte in jeder Hinsicht die Beste.

Teneriffa hat kaum geeignete Ankerbuchten

Also reisten wir ein weiteres Mal mit dem Guagua, dem Bus 102 zum Flughafen Norte gleich hinter La Laguna und holten uns einen Mietwagen ab. Im Revierführer waren drei Ankerplätze auf der östlichen Seite der Insel beschrieben. Die wollten wir uns von Land aus näher ansehen. Wieder einmal gemütlich vor Anker liegen, das wäre halt schon toll. Doch beim Anblick der anrollenden Brandung begruben wir unsere Träume dann ganz schnell wieder. Dafür konnte der Strand Playa de la Tejita und der rote Fels, der Montana Roja, so richtig gut gefallen.

Montana Roja im Süden von Teneriffa

Von der Marina Las Galettas im Süden waren wir dagegen weniger begeistert. Der fast permanente Schwell und der Krach der vielen Scootertöffs hätte uns nicht gefallen. Weiter ging’s, wir wollten uns noch die Marina San Miguel unweit des BananenplantageFlughafens Süd anschauen. Ich fahre liebend gerne Auto mit heruntergelassenem Fenster! Manchmal dringen üble Gerüche ins Wageninnere, dieses Mal aber erschnupperte ich einen herrlichen Holzkohlegrillgeruch. Daniel roch es ebenfalls und trat geistesgegenwärtig auf die Bremse. Aber eigenartig, bis auf eine Bananenfarm entdeckten wir rein gar nichts. Kann ja nicht sein, wir rochen diesen betörenden Geschmack doch noch immer. Da, bei genauerem Hinsehen sahen wir einen rauchenden Kamin und ein kleines Restaurantschild. Dem folgten wir mit bereits laut knurrenden Mägen.

Eine Entscheidung, die wir nicht bereuten. Inmitten tropischem Ambiente schmausten wir kurze Zeit später in dieser Bananenfarm und unter vielen Tinerfenos einfache, aber richtig leckere kanarische Hausmannskost. Träge und mit randvollen Bäuchen machten wir uns anschliessend auf den Weg zur zweiten südlichen Marina und dann auf den Heimweg. Einhellig waren wir der Meinung, dass die Marina Santa Cruz die richtige Wahl war.

Masca

Im Reiseführer stach mir die Beschreibung über das Dorf Masca ins Auge. Das Bergdorf, welches abgeschieden und schwer zugänglich inmitten der fast fünfzehn Kilometer langen und 500 Meter hohen Steilklippen von Los Gigantes im Westen der Insel liegt. Der Ort wird sogar als „das schönste Bergdorf Teneriffas“ beschrieben. Wobei ich bei solchen Ranglisten ja immer etwas vorsichtig bin. Aus Erfahrung wussten wir aber bereits, dass Strassen mit dreistelligen Nummern etwa mit Gebirgsstrassen in der Schweiz vergleichbar sind. Und wirklich, in engen Serpentinen schlängelte sich die Passstrasse TF 454 nach oben. Bis sich uns von einem der zahlreichen Mirador ein wirklich atemberaubender Blick in die tief eingeschnittenen, zerklüfteten Barrancos und auf das Bergdorf Masca eröffnete.

Rundfahrt über die Insel Teneriffa

Bereits kurz nach einem weiteren Möglicher Ankerplatz beim Faro de TenoAussichtspunkt, dem von El Baracan zeigten sich nebst den schroffen Felsformationen die flacher abfallenden Täler in Richtung Buenavista. Schmunzeln mussten wir beim Anblick des „angeknabberten“ Berges bei El Palmar. Durch die Entnahme von Baumaterial macht dieser Vulkankegel tatsächlich einen etwas angefressenen Eindruck.El Palmar Kurz vor Buenavista bogen wir Richtung Faro de Teno ab, dem westlichsten Punkt der Insel und notabene einem sehr windigen! Nach zwei Tunneldurchfahrten hatten wir den spektakulären Punkt erreicht. Nebst seiner Schönheit bietet dieser Ort auch einen sehr ruhigen und sicheren Ankerplatz, wie wir schnell und erfreut bemerkten.

Der etwas verbaute Ort Icod de los Vinos könnte man getrost aussen vor lassen, würde dort nicht „El Drago“ stehen. Der Drachenbaum ist Teneriffas Wahrzeichen und der auf 800 Jahre geschätzte El Drago nach dem Teide der Co-Star der Insel. Klar ist er mit 16 Meter Höhe und einem Stammumfang von 20 Meter Der El Drago auf Teneriffa ist geschätzte 800 Jahre altgrössenmässig nicht DER Reisser, doch ich als Drachenbaumfan schloss ihn gleich ins Herzen. Garachico konnte uns so richtig gefallen. Mit einem intakten Dorfkern, dem Kastell am Meer und einem dieser genialen, natürlichen Meerwasserpools ist der Ort eine kleine Augenweide.

Unseren letzten Halt an der Nordküste legten wir in El Sauzal ein. Dort wurde ein alter Fincakomplex aus dem 117. Jahrhundert vorbildlich und behutsam in ein Weinmuseum, das Casa del Vino umgebaut. Wir liessen uns über Geschichte, Technik und Weinanbau informieren und genossen danach eine wohlverdiente Degustation. Die Flaschen in unserer Alkoholbilge rückten am Abend zusammen um für weitere zwei Flaschen Wein aus Teneriffa Platz zu machen….. Den Ort El Sauzal empfanden wir zwar schön, konnten uns aber der fast euphorischen Beschreibung des Reiseführers nicht so ganz anschliessen.

Garachico
Garachico

Schlacht auf Teneriffa gegen die Briten von 1797

Generäle auf Teneriffa
Generäle

Nach dem Fest der Virgen Carmen stand rund um den 22./23. Juli schon wieder ein Ereignis an. Die letzte Schlacht und anschliessende Kapitulation der Briten auf Teneriffa von 1797 wurde in Santa Cruz nachgespielt. In britische Uniformen gesteckte Spanier schlichen bei einsetzender Dämmerung mit Karabiner um die Hausecken. Sie wurden von martialisch brüllenden Spaniern in spanischen Uniformen, ebenfalls mit Karabinern und sogar einer heftig knallenden Kanone schlussendlich zur Kapitulation gezwungen. Alles fand inmitten der Altstadt und unter den Augen von unzähligen Schaulustigen statt. Die letzte Schlacht und anschliessende Kapitulation der Briten auf Teneriffa von 1797 wird in Santa Cruz nachgespielt.Jeder „Treffer“ der Spanier und das pathetische Zusammensinken des getroffenen Engländers wurde frenetisch beklatscht. Ein Höllenspektakel bei dem es in den engen Gassen so richtig donnerte, knallte und bombastisch rauchte.

Wanderung im Anagagebirge

Camorga im AnagagebirgeWir dachten, der 24. Juli sei passend für eine Wanderung ins Anagagebirge. Im Wanderführer stand, dass diese Wanderung besonders mit grandiosen Aussichten Wanderung im Anagagebirge auf Teneriffaüber die weitgehend unberührte Nordostecke Teneriffas punkte, also ganz nach unserem Gusto. Bis zum hübschen Weiler Camorga auf 500 Meter führte uns die enge und kurvige Höhenstrasse. Es wurde merklich immer kühler und wir waren froh, endlich los laufen zu können. Die warmen Jacken geben zuhause am besten warm…. Je weiter wir nach oben kamen umso mehr peitschte der stürmische Nordwind Nebelschwaden die Bergflanken hinauf. So blieb uns die Aussicht bis auf eine geschlossene Nebeldecke leider verborgen.

Auf dem Mond gibt es kein Wasser

Mondlandschaft auf Teneriffa

Anderntags lockte die Mondlandschaft Teneriffas uns und unsere Wanderschuhe in den Süden Teneriffas. Vom hübschen Dorf Vilaflor auf 1466 Meter über Meer aus starteten wir. Ziel war das Tuffsteingebiet, ein faszinierendes Naturphänomen Teneriffas. Der Wanderführer bezifferte für die 12,5 km eine Wanderzeit von gut 4 Stunden und eine Höhendifferenz von ca. 600 Meter im Auf- und Abstieg. Schade sahen wir auf dem Weg nur noch eine verblühte rote Naternkopfpflanze. Die bis drei Meter hohen Tajinasten blühen leider nur bis Ende Juni. Der teilweise steile Aufstieg führte uns durch Föhrenwälder, die uns manchmal an den Schweizer Nationalpark erinnerten. Als wir die weisse Mondlandschaft auf 1879 Meter erreichten war klar, dass die Berechnung von vier Stunden nie und nimmer stimmen kann. Daniel rechnete kurz nach und kam auf eine Zeit von ca. 7 ½ Stunden.

Nach dem Gipfel auf knapp 2000 Meter ging es bei gefühlten 40 Grad wieder hinunter Richtung Vilaflor. Wir schleppten uns schweisstriefend und nur noch mit einem Liter Wasser praktisch von einer kleinen Schattenoase zur nächsten. Nur noch ein Abstieg und dann der kurze Gegenanstieg, meinte Daniel. Dann haben wir es geschafft. Doch diese letzte kurze Etappe sollte uns beinahe den Rest geben. In einem 50 Grad heissen und windstillen Couloir schleppten wir uns keuchend den giftigen Anstieg nach oben. Beim nächst besten Schattenplatz in einer Einfahrt warfen wir uns dann auf den Boden. Keine zehn Pferde hätten uns da zum weiter gehen bewegen können. Der unbändige Gluscht nach einem Getränk half uns schliesslich auf die völlig kaputten Beine. Mit völlig trockenen Kehlen erreichten wir das nächst beste Restaurant. Noch selten zuvor hat mir Wasser dermassen gut geschmeckt!

Mondlandschaft auf Teneriffa

Playa statt Teide

Wollen wir heute auf den Teide wandern, neckte mich Daniel anderntags. Ich bedankte mich freundlich und schlug ein chillen am Playa Teresitas vor. Angebot dankbar akzeptiert. So machten wir uns mit Badehosen, Sonnenschirm und Sonnenschutz auf an den Hausstrand von Santa Cruz. Bis 1972 war dort nur eine einsame Bucht mit schwarzem Sand. Vier Millionen Sack Sand aus der Sahara verwandelten diese in einen 1,6 km langen Vorzeigestrand. Besonders genial sind die vielen gepflanzten Palmen und sonstigen Bäume, die als natürlicher Schattenspender dienen. Für fünf Euro gabs zwei Liegen. Wir freuten uns ab der freundlichen Bedienung des Kioskes, die uns Bier und Bocadillos vorbeibrachte. So genossen wir unseren ganz perfekten Ruhetag.

Playa de Teresitas

Unser letzter Tag auf Teneriffa war einer der wärmsten. Daher flüchteten wir in die gekühlten Museen. Zuerst besuchten wir direkt unter der Plaza Espana die Kanone El Tigre. Der Überlieferung nach wurde Lord Nelson in der Schlacht von 1797 der linke Arm durch El Tigre weggeschossen. Das Naturhistorische Museum informiert über die Guanchen, die Ureinwohner Teneriffas, aber auch über die Flora, Fauna und die Geologie der Kanaren. Als etwas gruselig empfand ich die Mumien oder Teile davon, wegen derer Daniel überhaupt ins Museum wollte…..

Tiger unter sich
El Tigre

Wir freuten uns, auch auf Teneriffa wieder bekannte oder neue Segler zu treffen. Judy und Günther machten mit ihrer Isis in Santa Cruz fest und kamen für ein Bier auf der Vairea vorbei. Auch Marie-Do und Jean, die mit ihrer Vagabonde in Las Galettas liegen, kamen uns besuchen. Und wir lernten die Norddeutschen Inga und Norbert kennen, die mit ihrer Marisol auf gleicher Route unterwegs sind wie wir. Ach ja, auf dem Teide waren wir bis heute nicht. Das sparen wir uns auf. Wir können uns mehr als gut vorstellen nochmals auf Teneriffa anzulanden.

Wir ziehen weiter nach La Palma

Vorläufig sagten wir am 28. Juli der tollen Stadt und der Marina von Santa Cruz Adieu und legten ab. Unser Ziel war die Ensenada de Antequera, dem zehn Meilen nördlich gelegenen Ankerplatz. Wenn immer möglich bevorzugen wir einen Start zu einer längeren Etappe von einem Ankerplatz aus und nicht direkt aus dem Hafen. Und so eine stand uns wieder einmal bevor. 120 Seemeilen trennten uns von unserem nächsten Ziel, der Marina Tazacorte auf der westlichsten Kanareninsel La Palma.

Die Nordküste von La Palma im Morgegrauen - nicht gerade einladend

Und dort sind wir seit dem 30. Juli um 10 Uhr. Wie vom Wetterbericht prognostiziert trafen wir „mässige“ Wellen an, aber leider auch sehr unstete Winde. Leider sind 120 Seemeilen nicht bei Tageslicht zu bewältigen und so mussten wir ein weiteres Mal durch die Nacht segeln. Ein Umstand, der mich überhaupt nicht bekümmert. Aber während einer mondlosen und daher pechschwarzen Nacht etwa mit einer Achterbahnfahrt in völliger Dunkelheit zu vergleichen ist. Will heissen, Du siehst die in diesen Gewässern manchmal ruppigen Wellen überhaupt nicht kommen. Sie treffen Dich einfach völlig unvorbereitet. Und so war ich dieses Mal froh, mit einem etwas durcheinander geratenen Magen etwas länger liegen und schlafen zu dürfen.

Die Marina von Tazacorte liegt zwar an der Westküste, also der Wetterseite der Insel.Dank ihrer mehr als fetten Mole hat sie aber einen ausgezeichneten Ruf. Bisher können wir das nur bestätigen und fühlen uns hier sehr wohl. Irgendwann in den nächsten Tag werden wir uns um einen Mietwagen bemühen. Damit werden wir uns dann die Insel mit dem Beinamen „ die Schöne“ ansehen. Wir brauchen dazu im Minimum eine Woche bis zehn Tage, was uns aber als Zeitmillionäre nicht im Geringsten juckt.

Grüsse von Teneriffa

Unsere Reise im Überblick & Unsere Schatzkiste

2 Kommentare zu „Teneriffa – Noch so viel mehr als nur der Teide“

  1. Hallo Ihr 2 Zeitmillionäre 🙂

    Wir ( Eli und Artur vom Katamaran Leo) liegen noch in der Werft in Portimao und hoffen das wir unser Ruderproblem bis ende August in den Griff bekommen. Dann wollen wir auch los auf die Kanaren.
    Was uns besonders Interessiert sind die Marinas. Schutz, Platzverhältnisse und Preise. Bekommt man mit einem Katamaran jederzeit einen Platz oder sollte man reservieren ?

    Viele Grüsse und vielleicht bis bald
    Eli und Artur

    1. Hallo Eli und Artur
      Wir hoffen ihr bekommt das Ruderproblem rasch in den Griff.
      Aus unserer Sicht bieten hier auf den Kanaren die Marinas Arrecife, Las Palmas, Santa Cruz de Tenerife und Tazacorte den besten Schutz auch bei Schlechtwetterlagen. Die Preise bewegen sich zwischen 30 bis 40 Euro mit Ausnahme von Las Palmas, wo der Preis unter 15 Euro liegt. Wir melden uns jeweils ein paar Tage vorher telefonisch an, so hat man Gewähr auch einen Platz zu bekommen. Die Marinas werden nun auch langsam voller mit Booten, die dann über den Teich übersetzen wollen.
      Liebe Grüsse aus La Palma
      Daniel & Martina

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