Sabine vom Reiseblog ferngeweht.de hat sich Gedanken gemacht, was für Veränderungen das Reisen mit sich bringt und ruft zu einer Blogparade auf. Ich schliesse mich ihrem Aufruf gerne an, denn diese Frage dünkt mich sehr spannend. Und so beginne ich bei mir zu forschen, ob und wenn ja was sich denn verändert hat.
Der grösste Unterschied zum früheren Reisen mit ein paar Wochen Ferienzeit pro Jahr ist, dass wir heute nur noch reisend leben. Bei uns verschmelzen Reisen und Leben sozusagen nahtlos. Dass wir so leben können, dafür bin ich unglaublich dankbar und froh, diesen Schritt vor bald 5 Jahren gewagt zu haben. Der für mich denkbar grösste Vorteil unserer Art des Reisens ist Zeit! Wir stehen nicht (mehr) unter Druck. Dem Druck, in ein paar Wochen möglichst viel zu sehen, bei hoffentlich gutem Wetter und wenig Touristen. Klar könnte man das Programm beschränken, Qualität vor Quantität stellen.
Aber ehrlich, das machten wir eigentlich selten, denn wenn man schon einmal so weit geflogen ist und schon einmal hier ist, dann möchte man doch möglichst viel von Land und Leuten sehen. Bereits im Vorfeld einer Reise habe ich damals alle verfügbaren Informationen über die neue Destination verschlungen und alles notiert, im Kopf war schon alles verplant. Zeitdruck eben.
Reisen als Zeitmillionäre
Heute, als Zeitmillionäre, kommen wir zuerst einmal an. Wenn dann gerade eine Horde Kreuzfahrtschiffe mit 1000enden von Passagieren dieselbe Insel ausgesucht hat, dann warten wir einfach solange, bis wir die Schiffe wieder von hinten sehen. Ich glaube, dass wir durch die neue Lebensart sehr viel gelassener und ruhiger geworden sind. Komme ich heute nicht, komme ich morgen. Dieses Sprichwort haben wir uns wohl verinnerlicht, es läuft uns ja nichts davon. Und ich erlaube mir heute doch tatsächlich ohne schlechtes Gewissen faul zu sein, wenn mir der Sinn danach ist. Etwas das früher als unerhört galt.
Bei unserem etwas chaotischen Roadtrip durch den Süden der USA im letzten Sommer verfielen wir zeitweise wieder ins alte Muster und stopften ein paar Destinationen zu viel ins Programm. Machen wir nie mehr, lautete das Credo. Denn das brachte uns Stress, machte etwas maulig und liess uns ermüden. Gemächliches Reisen und längeres Verweilen an einem Ort/Region hat den weiteren Vorteil wie wir meinen, dass wir Land und Leute wirklich kennenlernen können. Also nicht nur an der Oberfläche. Ich vermute, nur bei längerem Aufenthalt werden wir wahrgenommen und ein Kontakt wird interessant und spannend.
Toleranter durch Reisen?
Worüber ich mir nicht ganz schlüssig bin ist die Frage, ob ich durch das Reisen toleranter geworden bin. Primär bin ich Gast in einem jeden Land und unterlasse für mein Empfinden jegliche Belehrung zu Politik oder Religion. Obwohl mich diese Themen sehr interessieren, bin ich da vorsichtig und zurückhaltend. Können wir uns nicht einverstanden erklären, dann besuchen wir dieses Land nicht oder segeln schnell weiter. Diesen grossen Luxus haben wir. Aber durch die zeitlich längeren Aufenthalte sieht oder erlebt man halt noch viel mehr Unschönes, Störendes. Umweltverschmutzung oder der exzessive Umgang mit Plastik in diesem Teil der Welt zum Beispiel. Wie viel Belehrung darf oder soll sein?
Selbstredend lehnen wir Plastikverpackungen ab und nehmen unsere eigenen Baumwollbeutel mit zum Einkauf. Und klar fischen wir Plastik oder Müll aus dem Meer oder nehmen diesen am Strand zusammen. Wir hoffen, ein Zeichen zu setzen. Aber reicht das? Mich macht es immer wütend, wenn ich sehe, dass der Müll hier einfach achtlos weggekippt wird oder an Ort und Stelle fallengelassen wird. Bei sowas will ich nicht tolerant sein. Bei Behördengängen wie dem ein- oder ausklarieren, aber müssen wir tolerant sein. Denn die Mühlen mahlen anders und wenn der Beamte dich warum auch immer warten lassen will, dann macht er das. Er ist immer am längeren Hebel. Und ärgern oder gar meckern bringt gar nichts, im Gegenteil. Da hilft nur akzeptieren und lächeln. Aber, die Gedanken sind frei.
Man nimmt sich mit
Ich denke, jeder der Lust hat, über seinen eigenen Tellerrand hinauszuschauen ist interessiert und vielleicht dadurch auch toleranter als der, der nur in seinem eigenen Quadrat bleibt. Will ich mich auf Anderes, Fremdes einlassen, muss ich meine Komfortzone verlassen und mich auf neues, unbekanntes Terrain begeben. Ich glaube meine grosse Erkenntnis ist, dass ich zwar alles verändern kann im Leben – aber mich nehme ich immer mit. Das Glück, die Lebenszufriedenheit finde ich also nicht in einer (Reise)Veränderung, sondern in mir.
Ein weit gereister Freund sagte einmal: „….nach 6 Wochen kommt die Krise, sowas wie Heimweh…“ Diese Erfahrung mussten wir auch machen, ich glaube dies ist der Übergang vom Urlaub zum Reisen, es wird einem bewusst, dass dies jetzt dein ’normales‘ Leben ist, auf Achse halt. Und, ja es verändert einen, wenn man lange weg ist von Zuhause, neue Freunde, neue Ansichten, andere Kulturen…
Viel Spaß noch beim Reisen wünscht Berthold
Vielen Dank für den schönen Beitrag zu meiner Blogparade! Der Begriff „Zeitmillionär“ gefällt mir sehr gut. An diesem Reichtum sollten wir alle arbeiten!
Auch ich finde es toll, dass du dir alle Zeit der Welt einfach nimmst. Das ist so wichtig und erfüllend. Und es beeindruckt mich, dass du dir Gedanken darüber machst, wie viel Belehrung sein darf, zum Beispiel in Sachen Plastikmüll. Alles Liebe, Laura.