Mit dem gewünschten Ankerplatz direkt in der Stadt wird es nichts, Miami verwehrt Vairea mit ihren vielen fixen, 20 Meter hohen Brücken schlicht jegliche Zufahrt. Daniel hat die hinterletzte aller möglichen Varianten geprüft und es bliebe da nur die Möglichkeit bei dieser Marina bei Bayside, meint er. Sie verlangen pro Fuss 8$, macht im Total pro Nacht 320$ plus Steuern!! Natürlich ohne Strom und Wasser. Wir lachen herzlich, schütteln den Kopf und nehmen Kurs auf Richtung Key Biscayne, der im Süden von Miami vorgelagerten Insel. Dort lockt No Name Harbour, auch so ein ruhiger und geschützter Ententeich wie Lake Sylvia in Fort Lauderdale. Und dort warten unsere Freunde Monika und Dominique auf uns. Gar etwas eng ist es schon, so unser etwas zwiespältiger Eindruck, als der Anker knapp hinter der SY Prana Cat ins Wasser fällt.
Doch es bleibt ruhig die nächsten Tage, alle Boote haben genügend Platz zum schwojen, der Untergrund ist perfekt und der Anker gut eingefahren. Nichts spricht gegen einen ersten Ausflug anderntags nach Miami. Wie praktisch, dass Monika und Dominique einen Mietwagen haben, vier Personen reinpassen und sie uns herzlich einladen mitzukommen.
Schlemmen in Miami
Wir streifen zu Fuss durch Coral Gables, diesen gepflegten Stadtteil mit seinen vielen Restaurants, Kneipen und den schönen, gut erhaltenen Häusern. Je später es wird, umso grössere Vorfreude kommt bei mir auf. Es ist soweit, heute Abend besuchen wir endlich wieder das „Pane e Vino„. Abermals in diesem so wundervollen Restaurant schlemmen, das wünschen Dani und ich uns seit knapp vier Jahren. Damals gerieten wir mehr durch Zufall in diese italienische Gaststätte und verliessen sie ein paar Stunden später komplett begeistert. Wir haben seit damals nie mehr so unglaublich leckere und frisch zubereitete Pasta genossen und freuen uns sehr, dass Monika und Dominique uns an diesem 15. Januar begleiten. Die Erwartungen sind hoch, aber wir werden nicht im leisesten enttäuscht. Ein richtig herrlicher Abend war das, stellen wir pappsatt fest, als uns auf dem Heimweg plötzlich die Einfahrt in den Park durch geschlossene Gittertüren verwehrt wird.
Guter Rat ist teuer! Doch als sich das Tor auf der Gegenfahrbahn für ein entgegenkommendes Fahrzeug öffnet, nutzen wir die vermeintliche Gunst der Stunde und bevor es sich wieder schliesst, fahren wir hinein. Gebremst werden wir abrupt durch aufleuchtende Blinklichter, eine Sirene und einen Sheriff. Nach Sonnenuntergang wird der Park geschlossen, klärt er auf und das gilt für jedermann auch für Leute wie uns, deren Boot innerhalb des Parks vor Anker liegt. Wir haben riesiges Glück, dass er Gnade vor Recht walten- und uns mit einer Ermahnung ziehen lässt. Das hätte doof enden können. Dass ein Neuankömmling seinen Anker viel zu nahe neben Vairea ins Wasser geworfen hat, lässt uns bei unserer Rückkehr im Dunkeln zwar stutzen, kann unserer guten Stimmung aber nichts anhaben. Noch nicht.
Sturmböen im Ententeich
Da der Wetterbericht für den Folgetag vor stärkeren Winden und erhöhter Gewitterneigung warnt, kürzen wir unseren Spaziergang durch den Bill Baggs Florida State Park und zum Leuchtturm ab und kehren frühzeitig auf die Vairea zurück. Keine Minute zu früh. Kaum wieder an Bord pfeifen die ersten heftigen Böen, Donner grollt und erste schwere Tropfen fallen auf das Deck. Immer mehr nimmt der Wind Fahrt auf und unterdessen ist bei allen Booten die Crew an Bord, um nötigenfalls einzugreifen. Auf jedem? Nicht bei unserem neuen Nachbarn. Auch keine Spur von ihm als Starkregen einsetzt und der Windmesser über die 40 Knoten Marke klettert. Und wie befürchtet rächt sich jetzt der zu kleine Abstand – sein Boot touchiert zum ersten Mal unsere Solaranlage.
Im strömenden Regen rase ich hin und her, vom Captain der mit dem Motor Vaireas Kette entlastet zum Heck um wiederholt den Monohull wegzudrücken. Erst als die Windböen auf über 50 Knoten klettern, sieht der unterdessen an Bord gekletterte Skipper die Notwenigkeit ein und ankert sein Boot um. Eine Stunde später ist der Spuk vorbei und wir bis auf die Unterwäsche klatschnass. Ich versuche gleich morgen in der Crandon Park Marina eine Boje zu reservieren, meint mein triefender Captain zu meiner grossen Erleichterung.
Stützpunkt Crandon Park Marina
Sehr praktisch ist er, unser neuer Standort an der Boje 57. Nur eine kurze Fahrt mit dem Dinghi, einmal durch den Crandon Park laufen, den Highway queren und keine 5 Minuten später sitzen wir im Bus, der uns knappe 10 Minuten später an der Brickell Station wieder ausspuckt. Von dort erkunden wir entweder zu Fuss, mit der Metrorail oder dem Metromover die Stadt. Miami ist nicht Alles, so unser Eindruck. Aber einiges lohnt einen Blick oder zwei. Einen eigentlichen Stadtkern sucht man vergebens. Es fühlt sich für mich an wie ein zufällig zusammengewürfeltes Puzzle aus verschiedenen Stadtteilen, die sich schwer zusammenfügen lassen.
Was mir selten passiert, ich finde mich schlecht zurecht. Vieles in Downtown wirkt wie aufgegeben und dem Verfall überlassen. Während im Brickell Quartier eine regelrechte Goldgräberstimmung und ein unglaublicher Bauboom herrscht. Little Havanna wirkt traurig und müde. Nur an der berühmten Calle Ocho versucht man, die Stimmung trotz der wenigen Besucher hochzuhalten. Unverdrossen spielen die Musiker die kubanischen Lieder und hin und wieder wiegt sich jemand im Takt der Salsa-Rhythmen dazu. Ich schnuppere hier etwas davon, was mich denn einmal in Kuba erwartet und finde auch Trost, weil wir diese Saison noch bewusst auf einen Besuch verzichten.
Wynwood Walls – Street Art in Miami
Lasst Euch keinesfalls das Wynwood Walls Street Art Museum entgehen, legen uns Monika und Dominique ans Herz, die unterdessen neben uns an einer Boje liegen. Mit ihrer Empfehlung rennen sie offene Türen ein und wir geniessen einen spannenden Ausflug in diesen künstlerischen Distrikt. Das riesige Quartier beheimatet Kunstgalerien, Antiquitätengeschäfte, trendige Bars, kleine Modegeschäfte und ist eine der grössten Openair-Streetart Installation weltweit. Über 200 Graffitis schmücken den 50-Block Distrikt, nur langweiliges Einheits-Grau sucht man hier vergebens. 2009 wurde Wynwood Walls als eigentliches Outdoor-Museum für internationale Street Art gegründet. Unterdessen gehört es zu einem der meistbesuchten Orte für diese Art von Kunst. Es wäre vermutlich spannend, in ein paar Jahren wiederzukommen um zu schauen, was sich wie verändert hat.
Mit einem langen Spaziergang durch den Art Deco Bezirk von Miami Beach und entlang des unterdessen autofreien Ocean Boulevards beschliessen wir unseren Miami-Aufenthalt. Beide haben wir genug von Stadt und uns steht der Sinn nach etwas mehr Ruhe und Natur. Wir sind zur Entscheidung gekommen, mit dem Segeltörn zu den Bahamas noch etwas zu warten. Denn da sind ja noch die Florida Keys, die es lohnt auf dem Wasserweg zu entdecken. Und so heisst es am Morgen des 22. Januar bye Miami, hello Key Largo.