Vom Trostpflaster zum Hauptpreis

Am liebsten möchte ich wieder umdrehen, schleunigst zurück auf den Ankerplatz. So unsicher, ob das Fortsegeln die richtige Entscheidung ist, war ich schon lange nicht mehr. Es ist der 16. März und wir haben eben den Anker gehoben, Segel gehisst und uns auf den 135 Seemeilen langen Weg Richtung Luperon gemacht. Mit grosser Wehmut blicke ich zurück. Eine Art Notlösung war die Dominikanische Republik für uns. Weil es mit dem direkten Weg zu den Bahamas wettertechnisch nicht klappte, segelten wir halt nach Samana. Sozusagen das Trostpflaster. Im Gepäck zahlreiche aufgeschnappte Vorurteile. Von wegen Notlösung, im Gegenteil! Wir wurden so unglaublich reich belohnt. Mit einer betörenden Landschaft, diesen Millionen von Palmen, sehr freundlichen Menschen mit ihrer so positiven, fröhlichen und nie aufdringlichen Art.

quirliges Samana Town

Samana Town, diese umtriebige, kleine Stadt wo vermutlich jeder Einwohner mindestens ein Moped besitzt. Die uns in vielem an eine Stadt in Asien erinnerte, die wir aber trotz der vielen Bewohner als sauber empfanden. Und den Walen! Springende Männchen, Mütter mit ihren Kälbern, die uns mit unserer Vairea ganz nahe heranliessen. Uns ihre Brustflossen oder Fluken präsentierten. Manchmal bildeten wir uns ein, sie wollen uns damit Hallo sagen. Begegnungen, die uns Gänsehaut bescherten und Bilder, die sich tief ins Herz einbrannten. Und als wäre das nicht schon genug, bekamen wir den Haitises Nationalpark als Sahnebonbon obendrauf!

Wale in Samana

Samana und der Haitises Nationalpark

Drei einmalige Tage inmitten einer unberührten Natur. Fast fühlten wir uns wie Robinson Crusoe und Freitag. Ganz alleine ankerten wir in unserer kleinen Bucht, inmitten unzähliger Karstfelsinseln und zwischen diesen einmaligen Mangrovenbäumen. Teilen mussten wir uns dieses Paradies einzig mit einer Vielzahl verschiedener Vögel, ab und an ein paar Ausflugsbooten und vier weiteren Jachten. Mit dem Dinghi ging‘s auf dem weitverzweigten Flusssystem auf Erkundungsfahrt. Stundenlang und bis hinauf nach Paraiso Cano Honda, wo wir uns bei einer Wanderung kaum satt sehen konnten ab dem unglaublichen Grün der Reisfelder. Fasziniert beobachteten wir die kleinen, gelben Webervögel, wie sie mit einem unglaublichen Geschick ihre kugelförmigen Nester an den Zweigen über dem Wasser woben. Sahen den Haitispecht und zum ersten Mal überhaupt einen Pfau fliegen.

Haitises National Park

 

Im Schein unserer Taschenlampen durchstreiften wir die Cueva de las Linias, eine Höhle mit Petroglyphen, die auch als Drehort für einen der Jurassic Park Filme diente. Selten hatte ich so gut geschlafen wie an diesem Ort. Wenn sich am Abend der letzte Vogel zur Ruhe begeben hatte, herrschte die sprichwörtliche Totenstille. Und auf dem Rückweg warfen wir für eine Nacht unseren Anker vor der Bacardi Insel ins türkisfarbene Wasser. Wieder einmal diesen kitschigen, weissen Sand. In Zeiten von Corona fast alleine vor einer malerischen Kulisse. Einen letzten Abend noch am gewohnten Ankerplatz vor Samana Town, dann sollte es weiter gehen.

Bacardi Island

Auf nach Luperon

Willst Du wirklich zurück, fragt mich jetzt mein Captain. Ich schüttle erst die sentimentalen Gefühle ab und dann meinen Kopf. Nein, auf nach Luperon, auf zur Entdeckung einer weiteren Ecke dieser wundervollen Insel. Ein Segelboot nähert sich, es sind Andrea und Ingo mit ihrer SY Easy-One. Auf beiden Booten werden die Handys für Abschiedsfotos gezückt. Bis zum Wiedersehen auf den Bahamas, rufen wir uns zu. Als wir einige Zeit später das Kap gerundet haben, springt in kurzer Entfernung wie aus dem Nichts ein kapitaler Wal aus dem Wasser. Dreht sich erst einmal um die eigene Achse und kracht dann mit einem Höllengetöse zurück aufs Wasser. Uns stockt beinahe der Atem. Da der Wal aber beschliesst, genau in unsere Richtung zu schwimmen, segeln wir lieber eine Wende.

auf dem Weg nach Luperon
Foto: Andrea von SY Easy One

Schade konnten wir diese unglaubliche Szene nicht auf einem Foto festhalten. Aber in unserem Herzen tragen wir dieses Bild mit. Wir sind uns ganz sicher, dass er uns auf Wiedersehen sagen wollte. Anschliessend geht’s in rasanter Fahrt der Nordküste entlang. Der Strom schiebt uns mit einem Knoten extra voran. In der Nacht schaufelt eine Störung von Norden bis drei Meter hohe Wellen heran und wir sind froh, als endlich der Morgen graut und das Ziel vor uns liegt. Luperon ein kleiner Ort mit einem riesigen lagunenartigen Hurrikan Hole, liegt westlich von Puerto Plata. Ein Ort, wo sich fast alles um uns Segler dreht. Auch hier fühlen wir uns gleich von Anfang an sehr willkommen.

Willkommen in Luperon

Obwohl die Vorgänge mit immer wieder an- und abmelden wirklich sehr bürokratisch sind, geht auch bei diesem Einklarieren alles korrekt, anständig und sehr flott über die Bühne. Alle Papiere werden durch die Offiziellen selbst ausgefüllt. Dani braucht bis zur Unterschrift nicht ein einziges Mal zum Stift zu greifen. Und Jeder gibt sich unglaublich viel Mühe, kramt ein paar Worte in Englisch oder gar Deutsch hervor und freut sich, dass wir versuchen in Spanisch zu antworten. Alison ist die gute Seele für Neuankömmlinge in der Bucht von Luperon. Sie hat uns eine Mooringboje organisiert und der freundliche Papo hilft eifrig beim Festmachen. Alison und ihr Mann Miles brausen kurz danach auf ihrem Dinghi heran und wollen sich selbst überzeugen, dass es uns an Nichts fehlt.

 

Luperon

Euer Timing ist perfekt, meinen sie, denn heute Abend treffen sich die Segler im Dorf zur Happy Hour und BBQ. Und direkt hinter uns schaukelt die Lille-Venn sanft in der Brise. Wie schön, hier zu sein und vor allem mit unseren Freunden noch einige Stunden verbringen zu können, bevor sich Barbara und Ralph auf den Weg zu den Bahamas machen. Sie vermitteln uns freundlicherweise den Einheimischen Junior mit seinem Mietwagen. Denn ohne fahrbaren Untersatz ist man in dieser Ecke der Dominikanischen Republik etwas verloren. Und wir möchten vor unserer Weiterreise zu den Bahamas gerne noch etwas vom Hinterland sehen. Dani hat auch bereits klare Vorstellungen davon und nennt die Orte Puerto Plata, Sosua und Tamboril?!?

Rum und Zigarren

Er wählt drei Orte, wovon zwei Hochburgen für Touristen sind? Ich stutze, aber dann dämmert‘s mir! Rhum und Cigars. Aber natürlich, die Puros aus dominikanischem Tabak haben unter den Liebhabern von Zigarren einen exzellenten Ruf. Schade aber verständlich, dass aktuell keine Führung durch die Rumdistillerie angeboten wird. Dafür klappt‘s mit dem Rauchzeug. Im Sosua Cigar Club kann sich mein Captain direkt vor Ort von der guten Qualität überzeugen. Noch vor dem Mittag ist er mit verzücktem Gesicht bereits hinter einer dichten Wolke verschwunden. Mein Magen knurrt inzwischen immer lauter. Aber zum Glück befindet sich im unteren Geschoss eine italienische Osteria. Der freundliche Koch bereitet mir göttlich schmeckende Jakobsmuscheln zu, so entkomme ich schlussendlich dem Hungerast.

Sosua Cigar Club

Ein Erlebnis der besonderen Art ist der Besuch in Tamboril, einer Kleinstadt bei Santiago. Dorthin verirren sich vermutlich kaum Touristen und so sind wir an diesem Samstag wohl die einzigen Gringos, die unterwegs sind. Die grossen Firmen haben leider geschlossen. Durch Zufall entdecken wir aber zwei kleine Betriebe, wo die ganze Familie bei der Herstellung der Zigarren Hand anlegt. Was für eine vortreffliche Qualität zu einem günstigen Preis schwärmt Dani und verschwindet wieder hinter einer kleinen Rauchsäule.

Zigarren in Tamboril

Nach Stunden Probe qualmen und spannender Unterhaltung mit den Locals wechseln viele Dineros und noch mehr Zigarren ihre Besitzer. Auf dem Weg zurück durch eine liebliche und sehr idyllische Landschaft mit freilaufenden Kühen, Schafen und Ziegen entdecken wir immer wieder kleinere Buden, wo unglaublich leckerer Frischkäse oder betörend riechende Früchte angeboten werden. Die Dominikanische Republik, respektive was wir bisher gesehen haben, mutierte bereits seit längerem vom Trostpreis zum absoluten Hauptgewinn! Wir haben aufgrund unserer persönlichen Erfahrungen alle Vorurteile über Bord geworfen.

Marktstand an der Strasse nach Luperon

Von Luperon in die Bahamas

Inzwischen ist auch unser Wetterfenster da. Die Termine für den PCR-Test im Labor in Puerto Plata sind vereinbart und die Listen für die Einkäufe sind geschrieben. Bis zur Abfahrt werden wir jede Minute hier aber noch ausgiebig auskosten und geniessen.

Im März 2021 auf der Dominikanischen Republik in Samana und in Luperon

Unsere Reise im Überblick & Unsere Schatzkiste

4 Kommentare zu „Vom Trostpflaster zum Hauptpreis“

  1. Graziella Schaffer

    Hallo ihr Lieben
    Du hast diese Destination so gut beschrieben, dass ich das Gefühl habe dabei zu sein.
    Du weisst ja wir waren auch auf der Domrep und uns hat es auch sehr gut gefallen. Klar bei den Touris, aber das hat uns überhaupt nicht gestört.
    Wir waren auch überwältigt von den vielen Palmen und von der Natur.
    Nun ist ja schon wieder Aufbruch bei euch angesagt und wir wünschen euch eine gute Reise. Geniesst es und lass mir die Wale grüssen falls ihr wieder welche seht.

    Alles Liebe von Euren Freunden ❣️

    1. Ich kann mich noch gut erinnern, wie begeistert Du von Eurem Urlaub in der DomRep gesprochen hast. Und jetzt, ein paar Jahre später, konnte ich erleben von was Du geschwärmt hast. Wir sind unterdessen gut in den Bahamas angekommen und von dort schicke ich Euch Lieben ganz herzliche Grüsse
      Eure Freunde

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