Keine Garantie auf dem Weg in den Süden

Was dreimal wunderbar funktioniert hat, das wird doch bestimmt auch beim Vierten Mal klappen. Denn eine weitere reibungslose und schnelle Fahrt rund Hatteras, das wünsche ich mir sehr, als wir am frühen Morgen des 18. Oktober den Anker aus dem Wasser ziehen und uns auf die 210 Seemeilen lange Fahrt in den Süden aufmachen. Auch vor der vierten Rundung hat sich mein Captain gewissenhaft mit der Wettervorhersage beschäftigt. Und die Prognosen versprechen uns auf der ganzen Strecke passende Winde und mitlaufende Wellen. Doch schon auf der ersten und längeren Teilstrecke Richtung Kap bestätigt sich die Vorhersage nicht, es bläst viel schwächer als prognostiziert.

Grossschifffahrt

Die eigentliche Rundung klappt dann zwar perfekt doch gleich danach glaubt der Wind wohl, er müsse alles Verpasste aufholen und zu allem Elend bläst er uns direkt auf die Nase. Bei über 20 Knoten Wind baut sich eine unangenehme Welle auf, die stundenlang und ohrenbetäubend ans Brückendeck knallt. Alles ist mit Salzwasser überspült und wir werden durchgeschüttelt wie auf einer Achterbahn. Unsere Stimmung ist unterdessen ganz tief im Keller und Beide sehnen wir die Ankunft und die Ruhe herbei. Einzig unsere Vairea kämpft sich tapfer und unverdrossen ein ums andere Mal durch die beachtlichen Wellentäler. Dann endlich, nach elend langen 80 Seemeilen ist es geschafft, der Anker fällt noch bei Tageslicht bei Cape Lookout in den sandigen Untergrund. Nein, was dreimal perfekt klappte muss nicht zwingend immer so sein, stellen wir nach dieser 32 Stunden langen Episode müde und geschafft fest.

Cape Lookout

Beaufort

Die Pizza im Black Sheep Restaurant mit Blick auf den Taylor Creek in Beaufort am anderen Nachmittag haben wir uns aber sowas von verdient. Zum x-ten Mal verweilen wir wieder in diesem kleinen, unaufgeregten Ort wo ich mich so wohl fühle und wo unsere Freundin Dianne zu Hause ist. Und die agile Texanerin ist selbstverständlich im Bilde über unsere Ankunft und hat bereits ein Programm für uns zusammengestellt. Und so brausen wir am Samstag nach dem Besuch des Farmer Markets mit ihr zum grossen, jährlichen BBQ in den Morehead-Beaufort-Yachtclub. Wie schön, so viele bekannte Gesichter wieder zu sehen und kaum zu glauben, wieviele der Mitglieder sich noch an uns erinnern können. Es ist bereits dunkel, als uns Dianne zurück zum Dinghi-Steg fährt. Und natürlich hat sie uns auch dieses Mal diverse Leckereien vom Grill eingepackt. Nicht dass ihr mir verhungert, meint sie ganz besorgt.

BBQ im Morehead-Beaufort-Yachtclub

Nach einigen Tagen mit viel Wind, Regen und tanzenden Schiffen klart es am 24. Oktober endlich wieder etwas auf. Wir wuchten den grossen Sack mit der Schmutzwäsche in Diannes Van und fahren in ihr hübsches Zuhause. Während die Trommel von Diannes Waschmaschine fleissig ihre Runden dreht, fährt sie uns zum Einkaufen. Den Abend verbringen wir wieder einmal im Island Grille in Morehead und ein weiteres Zusammenkommen endet auch dieses Mal zu vorgerückter Stunde mit der Verabschiedung am Dinghi-Steg von Beaufort. Tags darauf haben es dann auch Monica und Dominique südwärts geschafft und der Anker ihrer Prana Cat fällt direkt hinter Vairea ins Wasser.

Festessen im Aqua in Beaufort

Das Wiedersehen wird standesgemäss mit einem Glas Hopfensaft in der Brauerei und einem gemeinsamen Pizzaschmaus gefeiert. Den letzten Abend in Beaufort geniessen wir dann zu viert im Restaurant Aqua und sind uns beim anschliessenden Verdauungsspaziergang zurück zum Dinghi-Steg sicher, dass dieses Restaurant nicht vergebens so einen exzellenten Ruf hat.

Zwischenstopp auf dem Weg in den Süden in Georgetown

Noch vor Sonnenaufgang heben wir am anderen Tag den Anker und sagen diesem liebgewordenen Ort Adieu. 210 Seemeilen bis Charleston zu segeln, das ist der Plan. Wir haben eben Cape Fear passiert, als der Autopilot aufgrund der hohen Wellen kurzzeitig aus dem Kurs gerät. Für uns Zeit über die Bücher zu gehen. Mit dem Resultat, dass diese ruppige und ungemütliche Fahrt in den Süden bereits nach 174 Seemeilen vor dem hübschen Ort Georgetown endet. Bekannte Yachten wie die Perseverance oder die Don’t Panic treffen wir hier wieder an.

Vor Anker in Georgetown

Und an der noch unbekannten SY Alita vor uns weht die deutsche Fahne. Und so wird aus einem geplanten kurzen Hallo-Sagen ein längeres, unterhaltsames Kennenlernen. Bevor wir uns anderntags zum Trick & Treat ins Städtchen aufmachen, kommen uns dann Brenda und Bernd auf der Vairea besuchen. Bei einem längeren Spaziergang entlang des Flusses mit den Beiden erfahren wir viel Interessantes und Spannendes wie es sich lebt als ein Deutsch-Amerikanisches Paar in den USA.

Auf dem Weg in den SüdenFür die Nacht vor unserer Weiterfahrt legen wir uns wieder nahe der Ausfahrt vor Anker. Bei Sonnenuntergang jagen die Delfine um unser Boot und ihr lautes Schnaufen begleitet uns in den Schlaf. Mit gesetztem Gross fahren wir am 2. November bei Sonnenaufgang durch das Inlet hinaus in den Atlantik. Es ist ruppig, Wind steht gegen Tide. Doch bald können wir in den Süden abfallen und schaffen es knappe 60 Seemeilen später wie erhofft mit dem einlaufenden Wasser durch die breite Einfahrt von Charleston und den Ashley River hoch zum gewohnten Ankerplatz. Wir sind schon zum fünften Mal in der Hauptstadt von South Carolina, was es einfach macht mit allen anstehenden Arbeiten, wie einkaufen oder Wäsche waschen. Und während mir Eden im Coven-Haircraft die Haare schön macht, erledigt Dani im Metro Store das Problem mit dem zu geringen WiFi-Datenguthaben.

Charleston

Alles wäre so wundervoll und perfekt, würde sich da nicht draussen auf dem Atlantik der Tropical Storm Nicole bilden. Ab sofort gilt diesem riesigen Gebilde im Süden unser ganzes Augenmerk, vor allem die Zugrichtung gilt es genau zu beobachten. Ja, die Hurrikansaison ist definitiv noch nicht vorbei. Am 7. November kehren wir mit der Crew der SY Baradal im Hymans Seafood ein. Auch Martina und Uli haben es unterdessen auf dem ICW bis Charleston geschafft. Am 10. November ist Nicole da und das Wetter dreht. Es beginnt zu regnen und sehr unangenehmer Schwell läuft den Ashley River hoch. Die Wellen werden immer steiler und als kurz nach 16 Uhr das kleine, unbesetzte Boot neben uns nur haarscharf an uns vorbeischrammt, nehmen wir sofort den Anker auf.

Ankerplatz bei Flugzeugträger Yorktown

Höchste Eisenbahn, einen besser geschützten Platz zu finden. Gegen Wind und Welle motoren wir knapp sieben Meilen den Fluss runter und werfen im strömenden Regen beim Flugzeugträger Yorktown den Anker. Es wird keine ruhige Nacht, es schwellt, blitzt und donnert und der Regen prasselt unaufhörlich aufs Dach. Doch der grosse Vorteil ist, dass wir bis auf ein anderes Boot hier ganz alleine liegen. Gleich nach Tagesanbruch heben wir den Anker wieder und motoren eine Stunde lang den Wando River hoch. Inmitten Natur und perfekt gegen den kommenden, starken Südwind geschützt werfen wir den Anker. Im Süden zeigen sich die Wolkentürme vom Sturm Nicole und der Wind nimmt im Laufe des Tages kontinuierlich zu.

Aus dem Süden kommt Nicole zu Besuch

Quelle: NOAA

Der Himmel zieht sich immer mehr zu und unterdessen regnet es pausenlos. Wir lesen, dass der Sturm oberhalb von Palm Beach auf Land getroffen ist und jetzt hinter uns über Land von Nordflorida, Georgia und die Carolinas zieht. Die NOAA warnt nebst dem Wind vor den riesigen Wassermassen, den Tornados die sich bilden können und Gewittern. Charleston liegt noch haarscharf im gefährdeten Gebiet, doch uns scheint das Glück hold zu sein. Bereits am anderen Tag hat sich die Lage soweit normalisiert, dass wir wieder an den gewohnten Ankerplatz zurückkehren. Im Kühlschrank lagert frisch zubereiteter Süsskartoffelstampf, Hackbällchen und eine Apfelwähe, denn bereits für den 13. November ist ein passendes Wetterfenster in Sicht. Und mit 160 Seemeilen bis nach Cumberland Island wird es leider wieder eine Etappe mit Nachtfahrt werden. Ich träume unterdessen von den kürzeren Tagesetappen!

Auf dem Weg nach Süden

Bereits kurz nach 5 Uhr in der Früh holen wir den Anker auf und machen uns wieder auf Richtung Atlantik. Fast kommt ein Regattafeeling auf, denn insgesamt 6 Katamarane und ein Monohull stampfen durch die Ausfahrt. Die See ist konfus, da Windwelle aus Norden mit altem Schwell aus Süden aufeinandertreffen. Je weiter wir jedoch vorankommen umso mehr setzt sich der stramme Nordwind durch. Die Wellen bleiben hoch, kommen aber zum Glück jetzt mehrheitlich aus einer Richtung. Es wird eine ultraschnelle Etappe und obwohl wir seit vier Uhr kräftig aufs Bremspedal treten, stehen wir bereits vor sechs Uhr vor der Einfahrt. Der Wind pfeift unterdessen mit fast 30 Knoten von der Seite, als wir das Vorsegel einrollen. Es ist stockdunkel und alles was ich an diesem mondlosen Morgen sehe, sind die brechenden, weissen Wellenkämme.

Cumberland Island

Mein Herz schlägt bis zum Halszäpfchen und trotz Kälte bricht mir der Schweiss aus. Doch Daniel hat Nerven wie Drahtseile und manövriert unsere Vairea gekonnt über die hohen Wellen, durch den engen Pass und zwischen den Seezeichen hindurch. Am Heck von Vairea kleben zwei weitere Yachten. Wohl getreu dem Motto, lasst uns diesem knallharten Schweizer folgen. Nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigt sich das Wasser, wir sind endlich innerhalb der Wellenbrecher. Manchmal ist es besser nicht alles zu sehen, meint mein immer noch entspannter Captain ganz cool. Nach 163 Seemeilen fällt der Anker vor Cumberland Island noch auf dem Gebiet von Georgia ins Wasser. Bei Tageslicht zeigt sich dann das ganze Ausmass vom hier durchgezogenen Sturm Nicole. Ein vielerorts erodierter Strand, geknickte Äste und gefällte Bäume.

In Fernandina Beach Im Süden angekommen

Das Wetter ist lausig, es regnet und der weiterhin stramm blasende Wind bringt eine unangenehme Welle. Trotzdem wollen wir uns kurz die Füsse vertreten und fahren mit dem Dinghi an Land. Doch ohje, alle Stege sind gesperrt und auch der Park ist geschlossen. Wie traurig, der Besuch bei den Gürteltieren ist dieses Mal nicht möglich. So macht dieser Ankerplatz wenig Sinn und wir beschliessen, nach Fernandina Beach zu wechseln. Nur gerade einmal fünf Seemeilen quer über das Wasser und am 15. November sind wir wieder am äussersten nördlichen Zipfel von Florida angekommen.

Im Oktober 2022 in Georgetown auf dem Weg in den Süden

Unsere Reise im Überblick Unsere Schatzkiste

2 Kommentare zu „Keine Garantie auf dem Weg in den Süden“

  1. Hallo ihr Lieben
    Schön dass ihr jetzt wieder trockenes und warmes Wetter habt.
    Ich habe grad mit euch gelitten in diesem Bericht.
    Wie geht es unterdessen deiner Schulter ?

    Ich wünsche euch von ganzem Herzen alles Liäbi und Gueti

    Graziella

    1. Ihr Lieben
      herzlichen Dank für Euren wie immer so sehr geschätzten Kommentar. Wir lieben von Euch zu lesen.
      Uns gehts hier unter der Sonne Südfloridas wieder so viel besser als noch in der Kälte. Und auch die lädierte Schulter macht zum Glück grosse Fortschritte.
      Wir grüssen und drücken Euch ganz fest und wünschen Euch eine wundervolle Adventszeit!

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