Kurz nach dem Mittag des 11. Mai nähern wir uns Nassau, der Hauptstadt der Bahamas. Schon von weitem sind sie sichtbar, die grossen und noch grösseren Hotelkomplexe. Ich habe jedoch gar kein Auge dafür, denn mir gehen gerade einige Mundartlieder als Endlosschleife im Kopf herum. Eine gefühlte Ewigkeit muss das her sein, als diese Ohrwürmer die Schweizer Hitparade stürmten. Peter Reber komponierte und schrieb sie damals in den 90er Jahren auf seinem Segelschiff. Mit diesem schipperten er und seine Familie vor allem auf den Bahamas umher und lebten später auch eine Weile auf Nassau. Und so ist eben Nassau für mich untrennbar mit ihm und seinen Liedern verbunden. Jede bruucht sy Insle (Jeder braucht seine Insel) heisst sein wohl bekanntestes Werk und nach den Erlebnissen auf den Exumas kann ich seine damalige, vertonte Gefühlswelt mehr als gut verstehen.
Als damals junge Mutter fand ich den Entscheid alle Zelte in der Heimat abzubrechen und dann noch mit Kleinkindern auf einem Boot zu leben als sehr halsbrecherisch. Und das ist noch milde ausgedrückt. Aber man entwickelt sich weiter im Leben schmunzle ich immer noch summend, als unser Anker direkt vor dem Yachtclub von Nassau in den schlammigen Untergrund fällt. Der Zeitplan ist knapp bemessen, wir wollen nur schnell für ein Powershopping an Land. Gleich hinter der Marina wartet Solomons Fresh Market mit seinem verheissungsvollen Angebot auf uns. Ein kleines kulinarisches Paradies, vor allem mit wunderbar frischem Gemüse und Früchten, das Meiste sogar in einer tollen Bioqualität. Vieles im Angebot bezahlbar, anderes dagegen völlig utopisch.
Der Einkaufswagen ist nach einer knappen Stunde gut gefüllt, die Kreditkarte ächzt schwer und der Kassencoupon will nicht mehr enden. Aber die Freude über das Ende der etwas mageren Frischkosttage und die Aussicht auf kommende Festgerichte überwiegt deutlich.
Von Nassau zu den Berry Islands
Während ich die vielen Kostbarkeiten in den extra blitzsauber geputzten Kühlschrank einräume, hat der Captain bereits Kurs auf Athol Island genommen. Dort liegt die La Bohème und schwärmt vom viel ruhigeren Liegen als direkt vor Nassau und vor allem einer schöneren Umgebung.
Film von Peter, SY La Bohème
Nach einer guten Nacht und einem nur kurzen Frühstückskaffee ziehen wir anderntags kurz nach 7 Uhr bereits an den vielen Villen und dem eindrücklichen Atlantis Hotel vorbei und nehmen Kurs auf die Berry Islands. Auf der La Bohème wird der Parasailor gesetzt und Vairea läuft unter dem Wingaker fast wie auf Schienen. Durchschnittliche 15 Knoten Wind und Wellen von achtern bescheren uns das bekannte wundervolle Champagnersegeln. Dani hat mit der Kamera die La Bohème im Visier und Peter lässt mutig seine Drohne steigen. Die landet zum Glück unversehrt und mit absolut phantastischen Bildern und Filmen beider Boote wieder an Bord der La Bohème. Nach etwas mehr als sieben Stunden segeln kommt es bei Alders Cay tatsächlich zu einem Zieleinlauf mit Photo Finish.
Die private Insel beschert uns einen schönen und vor allem schwellfreien Ankerplatz. Zusammen mit Simone brechen wir kurz danach zur Landerkundung auf. Selbstverständlich respektieren wir wie immer bei solch einer Insel die Privatsphäre. Doch heute haben wir Glück und können unser Beiboot noch vor den diversen Kein-Eintritt und Achtung-Privat-Schilder auf einen öffentlich zugänglichen Strand ziehen. Gleich dahinter finden wir einen schönen und gut ausgebauten Weg entlang der Küste bis zum Nordende von Frozen Cay. Etwas zügiger wollen wir in den nächsten Tagen vorangehen. Denn die Wettervorhersagen prophezeien mehr Wind, der aus nordöstlicher Richtung über die Bahamas wehen soll. Den dafür besten Schutz werden wir am Ankerplatz bei Great Harbour Cay, ganz im Nordwesten der Berry Islands finden.
Die Insel Little Gaulding
Bei den oftmals sehr schmalen Durchgängen zwischen den Cays gilt unser Hauptaugenmerk in erster Linie den Gezeiten. Und so müssen wir den Anker halt zum wiederholten Mal sehr früh aufnehmen, damit wir die Einfahrt bei Devils Cay noch bei auflaufendem Wasser problemlos passieren können. Alles klappt wie geplant und unser Anker fällt eine knappe Stunde später bei Little Gaulding Cay ins topfebene Wasser. Von der Invia winken uns Dorothee und Stefan zu und ihrer Einladung zum Kaffee leisten wir gerne Folge.
Hoffman’s Cay, die etwas grössere Nachbarinsel beherbergt im Inneren ein Blue Hole. Nichts wie hin und gerade noch rechtzeitig. Nach einem kleinen Fussmarsch durchs dichte Unterholz gelangen wir zu diesem magischen Ort, den wir ganz alleine und in wohltuender Stille geniessen können. Nur ein paar Vögel leisten uns Gesellschaft. Nach einem kurzen Spaziergang zu einer verfallenen Ruine kommen wir auf dem Rückweg wieder am Blue Hole vorbei. Doch unter völlig anderen Vorzeichen, denn schon von weitem hören wir sie kreischen und quicken. Eine grössere Gruppe, vermutlich Tagestouristen aus dem nahen Nassau, springen lauthals schreiend von den diversen Felsvorsprüngen ins tiefe Blau.
Gutes Timing ist alles, meint Dani grinsend bevor wir uns Richtung Strand aufmachen. Drei Buchten weiter lockt uns ein kleiner Wanderpfad hinüber zur windzugewandten Seite. Keine Menschenseele weit und breit am herrlichen Sandstrand. Wir versuchen, gegen die heranrollenden Wellen ins Wasser zu laufen, als mich einer der Brecher erwischt. Oben und unten verwischt sich für einen Moment, bevor ich völlig unversehrt aber gut durchgespült wieder auftauche. Den ereignisreichen Tag lassen wir dann alle zusammen bei einem Sundowner auf der La Bohème ausklingen.
Unangenehme Überfahrt
Der Zeitpunkt erscheint perfekt für den knapp 30 Seemeilen langen Schlag nach Bullocks Harbour. Wir hoffen auf segelbaren Wind, als wir am Freitagmorgen bei flautigen Bedingungen das Gross setzen und den Anker heben. Vor uns am Horizont sehen wir eine schwarze Front, aber die scheint weit weg zu sein. Wir segeln als Erste der drei Katamarane los, problemlos durch den Ausgang und hinaus aufs flache Wasser. Trügerische Ruhe vor dem sprichwörtlichen Sturm empfängt uns.
Nach ungefähr einer Stunde zieht sich zuerst der Himmel und dann Daniels Gesicht zu. Das da vorne gefällt mir gar nicht, meint er mit etwas sorgenvoller Miene. Richtig erkannt, am Radar ist der riesige Squall neben der Insel deutlich zu erkennen. Und in diesem Biest steckt ganz schön viel Energie. Blitzschnell rollen wir die Genua ein und bergen das Gross. Keine Minute zu früh, denn kaum haben wir alles erledigt, schiesst der Windanzeiger hoch.
Stürmische See vor Great Harbour Cay
Bis knapp 40 Knoten peitscht der Sturm durch das Wasser. Donner grollt unheimlich bevor Petrus alle Schleusen öffnet. Sinnflutartiger Regen prasselt herunter und verunmöglicht jegliche Sicht. Wasser, Himmel und Land verschwimmen zu einem einheitlichen Grau. Und wie wenn das nicht schon genug wäre, entsteht eine mehr als unangenehme, steile Welle. Kaum mehr Fahrt machen wir und Vairea versucht ein ums andere Mal tapfer die Wellenkämme zu erklimmen.
Die Brecher krachen ohrenbetäubend an das Brückendeck und im Innern klappern Gegenstände, die sich in den vergangenen knapp sieben Jahren noch nie bewegt haben. Ich beende das Unterfangen Ordnung schaffen zu wollen ziemlich schnell, denn mein Magen meldet sich unverzüglich. Dani manövriert Vairea im Blindflug durch das nicht endend wollende Unwetter und ist sich unterdessen sicher, dass dies nicht nur einfach ein Squall ist. Da muss ein grösseres System für die unaufhörlichen, ekligen Wellen verantwortlich sein, vermutet er. Von den hinter uns gestarteten La Bohème und Invia erreichen uns gleichlautende Nachrichten, wobei diese beiden Yachten zu allem Elend auch noch mit Blitzen zu kämpfen haben.
Hinter der Insel vor Bullocks Harbour
Nach knapp zwei Stunden können wir Entwarnung geben. Mit Stirup Cay haben wir die Nordspitze erreicht und können endlich abfallen. Beinahe schlagartig ändern sich die Bedingungen. Wir können endlich wieder Segel setzen und die Motoren abstellen. Das Wetter klart auf und gibt uns die Sicht frei auf Coco Cay. Vorbei gleiten wir an der ehemaligen Spielwiese für die unzähligen Kreuzfahrtriesen mit den Abertausenden von Passagieren. Der eigens dafür errichtete Wasserpark mit den Achterbahnen liegt einsam und verlassen da. Ein trauriges Bild. Am Pier stehen zwei riesige Kreuzfahrtschiffe, einfach abgestellt, nur aus dem Schlot steigt Rauch auf.
Weitere sechs Passagierschiffe liegen etwas ausserhalb der Insel vor Anker. Was passiert wohl mit den vielen Angestellten, fragen wir uns nachdenklich. Ob überhaupt und falls ja wann wieder Kreuzfahrten angeboten werden, scheint zum jetzigen Zeitpunkt fraglich zu sein. Wir wenden den Blick ab und geniessen die letzten Seemeilen wieder mit perfekten Bedingungen. Erleichtert werfen wir den Anker vor Bullocks Harbour ins ungewohnt grünliche Wasser. Zusammen mit den Crews der La Bohème und der Invia geniessen wir später einen verdienten Sundowner an Bord der Vairea und stossen zusammen auf den guten Ausgang eines doch turbulenten Segeltags an.
Nun beginnt das etwas ungeliebte aber notwendige Warten auf ein Wetterfenster für die Überfahrt an die Ostküste der USA.
Schöner Bericht, toll geschrieben und der Film ist echt klasse
Vielen Dank liebe Eva für Deinen Kommentar. Wir wünschen Euch alles Liebe und vor allem beste Gesundheit!
Wie immer ein interessanter Bericht mit schönen Fotos und super Filmaufnahme.
Hier am Bodensee warten wir immer noch auf schönes warmes Segelwetter.
Liebe Grüsse Thomas
Hallo lieber Thomas
Wir haben uns über Deine Rückmeldung gefreut. Und hoffen, dass Du möglichst zeitnah auf Deiner Sirius segeln kannst.
Liebe Grüsse noch von den Bahamas
Ihr Lieben, wiederum ein sehr interessanter Bericht. Ich bin immer voll dabei und kann das Meer geradezu riechen, leider spüre ich das Unwetter auch und mir ist es dann sogar ein bisschen unwohl. Aber Gottseidank gibt es immer wieder ein Happyend
Bis bald Eure Freunde aus Stettfurt
Unsere Lieben
Wie wunderbar, dass ihr immer mit dabei seid. Auch mir wurde es etwas unwohl und ich war ebenfalls sehr glücklich als sich das Unwetter wieder verzog.
Schon in grosser Vorfreude auf ein Wiedersehen mit Euch, ganz herzliche Grüsse von Euren Freunden auf See