Unglaublich, aber da ist einfach nichts! Angestrengt suche ich mit dem Fernglas die Küstenlinie ab. Wo nur ist diese Einfahrt zu Little Harbour? Dann, eine gefühlte Ewigkeit später erspähe ich endlich den sehr schmalen Eingang. Dieser wird durch brechende Wellen auf der einen Seite noch zusätzlich verkleinert. Das passt schon, beruhigt Dani, dreht Vairea in die richtige Richtung und schon schieben uns die einlaufenden Wellen mit Schwung durch die enge Passage in die Bucht. Schlagartig wird das Wasser ganz ruhig und uns eröffnet sich der Blick auf eine traumhafte Umgebung. Unberührte Sandstrände, nur unterbrochen durch kleinere felsige Abschnitte, gesäumt von Palmen und Casuarinas-Bäumen. Und wieder diese Farben des Wassers, Türkis in jeglichen Schattierungen. Nur der Wind, das Gezwitschere einiger Vögel sowie das Plätschern des Wassers sind zu hören. Schon kurz nach uns schiesst auch die Lille-Venn durch die Einfahrt.
Nur wir zwei Boote ankern in der Bucht und so ändern wir bei einem gemeinsamen Kaffee eigenmächtig den Namen von Little Harbour in Swiss Corner. Bereits zu weit vorgerückter Stunde sitzen Dani und ich an Deck und schauen fasziniert nach oben. Da leuchten Millionen von Sternen am pechschwarzen Nachthimmel über uns. Etwas, das wir in dieser Fülle und Schönheit zum letzten Mal auf der Atlantiküberquerung erleben durften. Frühmorgens, nach einer absolut ruhigen Nacht, nehmen wir den Anker auf, holpern bei einlaufendem Wasser über die steilen Wellen wieder hinaus, setzen den Gennaker und fliegen zusammen mit der Lille-Venn der Küste entlang unserem nächsten Ziel entgegen. Knappe drei Stunden später fällt der Anker dann schon wieder, in der grossen Bucht vor Clarence Town und direkt neben der La Bohème.
Clarence Town
Während Ralph und Peter ihrer Leidenschaft dem Kiten frönen, erkunden wir mit Barbara und Simone den Ort. Trotz Sonnenschein und blauem Himmel bedrückt mich die Umgebung etwas. Denn bei praktisch jedem Haus sind Türen und Fenster geschlossen oder sogar verrammelt, weder Restaurants noch Bars haben geöffnet, niemand sitzt draussen und auf dem ganzen Weg begegnet uns keine Menschenseele. Ob das wohl wegen Covid so ist? Ein Lichtblick, in der kleinen Marina bekommen wir ein kühles Getränk ausgeschenkt und im ortsansässigen Lebensmittelladen verkauft man uns Rahm zu einem vernünftigen Preis. Den Abend verbringen wir zu sechst an Bord der Lille-Venn, schmausen lecker Gekochtes und duellieren uns freundschaftlich beim Schweizer Gesellschaftsspiel Brandy Dog. Nach zwei etwas schwelligen Nächten verlassen wir Clarence Town auf Long Island am 11. April wieder und nehmen in der Dreierformation Kurs auf Rum Cay.
Rum Cay ohne Farben
Entgegen der Prognosen bläst der Wind deutlich kräftiger. Vairea fliegt unter Leichtwindsegel dem etwas über 30 Seemeilen entfernten Ziel entgegen. Unsere nachmittägliche Inselerkundung beginnt mit einer Dinghi Fahrt gegen Wind und Wellen hin zur alten Marina, wo wir unsere Beiboote vertäuen. Der Anblick schmerzt. Die Einfahrt ist versandet, von einem gesunkenen Zweimaster sind gerade noch die Spitzen zu sehen. Die Anlegestege bestehen nur noch aus einzelnen, morschen Planken. Weder ein Hurrikan, noch ein Virus sollen die Ursache für diese Tristesse sein, sondern rechtliche Probleme mit finanziellen Auswirkungen. Mit geschulterten Rucksäcken kommen wir anschliessend aber nur ein paar Meter weit, bevor uns von einem flotten Jeep der Weg abgeschnitten wird. Er wolle unsere Health-Visa sehen, verlangt der Polizei-Officer. Als er in fünf verdutzte Gesichter blickt erklärt er, die hätten wir bei jedem Landgang auf uns zu tragen und gegebenenfalls vorzuweisen.
Erst nach ganz viel gutem Zureden rückt er schlussendlich von der Forderung ab und wir dürfen unseren Inselrundgang fortsetzen. Doch grosse Freude mag irgendwie nicht aufkommen. Der eigentlich sehr hübsche Ort Port Nelson wirkt teilweise so, als hätten die Einwohner ihre Häuser Hals über Kopf verlassen. Gerne hätte ich gefragt, warum das so ist, nur wen fragen? Die Strassen sind menschenleer und die Häuser wie zuvor schon in Clarence Town verschlossen. Leider ist auch dieser Ankerplatz sehr exponiert und das vorgelagerte Riff hält das heranrollende Wasser nur bei Niedrigstand einigermassen zurück. Und so nehmen wir nach einer recht unruhigen Nacht gleich nach dem Frühstück den Anker hoch und segeln zusammen mit der Crew der SY La Bohème knappe 20 Seemeilen weiter. Barbara und Ralph sind mit ihrer Lille-Venn bereits wieder auf dem Weg nach Long Island.
Conception Island, im Reich der Farben
Ich sehe Conception Island, unserem nächsten Ziel, mit grosser Vorfreude entgegen, eine Insel zwar ohne jegliche Infrastruktur, dafür aber mit schönster, unberührter Natur. So wird sie im Cruising Guide angepriesen. Kaum sind die Segel gesetzt, wirft Dani die Angel aus. Fangfrischer Tuna oder Goldmakrele, das wäre eine hochwillkommene Abwechslung im Speiseplan. Mir läuft nur schon beim Gedanke daran das Wasser im Munde zusammen. Kaum zu glauben, der Köder ist gerade im Wasser verschwunden, schon saust die Angelschnur aus. Wenn Träume wahr werden. Doch vor dem Genuss steht die harte Arbeit für meinen Captain. Er kurbelt und kurbelt, doch der Fisch scheint einfach nicht müde zu werden. Da muss etwas Kapitales am Köder hängen. Zwischenzeitlich rollen wir das Vorsegel ein um etwas Fahrt herauszunehmen. Und doch dauert es fast eine geschlagene Stunde, bis der etwas aus der Atmung geratene Captain den Fisch nahe beim Boot hat.
Doch oh je, die Enttäuschung ist gross! Da hängt weder ein Tuna, noch ein Mahi-Mahi oder eine Goldmakrele an der Angel – nein, da zappelt ein beachtlicher Barrakuda am Haken. Und vom Verzehr dieses Raubfisches wird in diesen Breitengraden wegen Ciguatera dringendst abgeraten. Zum Glück können wir den Fisch problemlos vom Haken lösen und lebend wieder ins Wasser zurückwerfen. Und naja, mir blüht halt wieder der Küchendienst. Davon gehe ich aus, aber nur bis Simone ein paar Stunden später am Ankerplatz mit dem Kajak vorbeipaddelt und uns Glückspilze zum Nachtessen einlädt. Am Nachmittag schwimmen Dani und ich an Land, laufen stundenlang dem Strand entlang, froh unsere Sonnenbrillen auf der Nase zu haben. Ohne diese würden wir vermutlich fast blind werden, so sehr blendet der blütenweisse Sand in der gleissenden Sonne.
Dinghy-Expedition ins Reich der Farben
Nach einem schönen Abend und einer zwar nicht schwellfreien, doch viel ruhigeren Nacht als die vorangegangenen, brechen wir auf zur Dinghi-Expedition. Auf dem Hinweg können wir die Fahrt noch trocken geniessen, brausen wir doch mit den Wellen dem Ziel entgegen. Es ist auflaufendes Wasser und so gelangen wir problemlos über die Barre ins weitverzweigte Flusssystem.
Der Anblick ist einfach überwältigend und die Farben schier unglaublich. Immer weiter gelangen wir über mal breitere und dann wieder engere Kanäle voran. An einer besonders seichten Stelle lassen wir unsere Dinghis stehen und laufen über einen kleinen Hügel Richtung Küste. Je nach Untergrund schimmert das Wasser tief dunkelblau oder in einem zarten Türkis. Als Kontrast leuchten der helle Sand und das satte Grün der Bäume. Ich verbinde mit den Bahamas eine noch nie gesehene Vielfalt von Farben. Aber gleichzeitig vermisse ich Tiere. Obwohl Conception Island eine Naturschutzinsel ist, sehen wir nur ganz wenige Vögel, gerade einmal einen kleinen Ammen Hai sowie ein paar grüne Meeresschildkröten.
Für den Rückweg schlüpfen wir dann in unsere Regenjacken, binden die Kapuzen zu, zurren alles lose Sitzende fest und dann beginnt der Ritt über die Wellen. Zwar wohlbehalten, aber bis auf die letzte Faser klatschnass erreichen wir unsere Boote. Bevor wir uns am 14. April wieder aufmachen, geniessen Simone und ich noch einen langen Morgenspaziergang entlang der riesigen West Bay, während Dani noch einmal die Drohne steigen lässt, um die Farben in einem Bild einzufangen. Dann heisst es dieser herrlichen Insel auf Wiedersehen zu sagen. Vor der Bucht setzen wir unseren Spi und steuern auf einem herrlichen vor dem Wind Kurs mit der Calabash Bay auf Long Island unser nächstes Ziel an.
Es ist immer wieder eine Freude deine Berichte zu lesen und in Gedanken mit unterwegs zu sein!
Das zu hören freut mich sehr lieber Felix. Und ich lade Dich herzlich ein, vorderhand gedanklich mit uns zu reisen.
Herzliche Grüsse auch an Sandra von uns Beiden, aktuell aus den Exumas