Diesen Anlass möchten wir gerne noch mitnehmen, bevor wir Bullocks Harbour am Sonntagmorgen ganz in der Früh verlassen werden. Gemeint ist das BBQ, das die Marina jeden Freitag für Einheimische und Gäste organisiert. Und so geniessen wir bevor die USA immer näher rücken, ganz entspannt zusammen mit den Crews der La Bohème und Invia am frühen Abend die reichhaltigen, gut gegrillten Portionen. Da auf den Berry Islands ab 20 Uhr eine Ausgangssperre herrscht, treten wir in unseren Dinghis schon bald den Heimweg an.
Kaum auf der Vairea angekommen, schreckt uns eine Nachricht von Dorothee auf. Der Premierminister habe beschlossen, Bullocks und Great Harbour ab Sonntagabend 20 Uhr unter eine 14-tägige Quarantäne zu stellen, schreibt sie! Na toll, denn das bedeutet, dass nach 20 Uhr kein Schiff mehr weder rein noch raus darf. Und für uns ganz konkret heisst das, sollten wir anderntags nicht 83 Seemeilen nach Grand Bahama segeln, sitzen wir zwei Wochen auf den Berrys auf diesem Ankerplatz fest.
Es wird zwar recht blasen und die Wellen werden beträchtlich sein. Aber wir dafür schnell ankommen, stellt der Captain nach dem Studium der Wetterprognosen fest. Der Entscheid steht fest und wir machen uns sofort und im letzten Tageslicht daran, Vairea für den anderen Tag abfahrtsbereit zu machen. Nach einer kurzen Nacht setzen wir kurz nach der La Bohème das Grosssegel im ersten Reff und holen den Anker auf. Bereits schlag 6 Uhr in der Früh nehmen wir Kurs Westend. Nur ein paar hundert Meter nach dem Ankerplatz steht es da, das militärische Schnellboot der Coast Guard. Den Anblick des Bootes wie die gesamte Situation empfinde ich als sehr unangenehm und bin so erleichtert, dass wir hier rechtzeitig weggekommen sind.
Flotte Überfahrt nach Grand Bahama
Zu diesem Zeitpunkt ahnen wir noch nicht, dass die Behörden entgegen ihrer Ankündigung bereits um 10 Uhr, also gerade mal 4 Stunden nach unserer Abfahrt, keine Boote mehr passieren liessen. Mamma mia, da haben wir mehr als nur ein bisschen Glück gehabt. Es pfeift ganz ordentlich und kurz nach der Abdeckung der Insel erfassen uns die beachtlichen Wellen. Gut festhalten lautet die Devise. Nach und nach kommen uns immer wieder Kreuzfahrtschiffe in Schleichfahrt entgegen, eines grösser als das Andere. Ein trostloser Anblick.
Als der Anker dann nach 11.5 Stunden auf See und noch bei Tageslicht vor Westend ins Wasser fällt, atmen wir auf. Wir gratulieren der Crew der La Bohème zum Anglerglück und freuen uns über die Einladung zu einem gemeinsamen Mahi-Mahi Dinner. Dieses wird leider das letzte Zusammentreffen mit Simone und Peter sein. Die Beiden wollen wie auch die Invia-Crew bereits am Montag los an die Ostküste der USA. Mein Captain hat das Wetter eingehend studiert, kann aber einfach zu wenig segelbaren Wind in den Prognosen erkennen. Und so machen wir uns am Montag nicht wie 99% der Segelboote auf Richtung Westen, sondern leihen uns in der Marina Fahrräder für einen kleineren Inselrundgang.
Charleston für den ersten Landfall in den USA
Ein eigenartiges Gefühl ist das schon, unsere Vairea so ganz alleine vor Anker liegen zu sehen, bei unserer Rückkehr. Nach einem letzten Videocall mit unseren Freunden Barbara und Ralph von der Lille-Venn am Vorabend, Nachrichten an unsere Kinder und Freunde in der Heimat sowie einem weiteren Wettercheck heisst es dann am Dienstagmittag auch für uns, den Bahamas Adieu zu sagen. Auf den Tag genau zwei Monate nach der Ankunft in diesem herrlichen Inselarchipel heben wir um 1200 Uhr den Anker. Entgegen der ursprünglichen Planung segeln wir aber nicht gleich direkt nach Beaufort, sondern steuern Charleston an. Wir freuen uns riesig auf einen wiederholten Besuch der hübschen Hauptstadt von South-Carolina, die uns 2018 bei unserer Landreise durch die USA so sehr gefallen hat. Verlockend und überzeugend ist die Aussicht auf einen Gang zurückschalten, um damit mehr Raum für Zeit und Entspannung zu schaffen und nicht zuletzt, 370 anstatt 520 Seemeilen.
Mein Captain hat die bevorstehende Passage wieder minutiös vorbereitet, dieses Mal neu mit der Markierung von Position und Richtung des Golfstromes. Und auf diese ca. 40 Seemeilen breite Strömung mit dem extra Schub von zwei bis vier Knoten bin ich ja so sehr gespannt. Das Grosssegel und der Gennaker sind gesetzt, total 173 m2 Segeltuch bringen uns in flottem Tempo und bei schönstem Wetter zügig voran. Nach knapp zwei Stunden ist es soweit, der Golfstrom wird fühlbar und auf den Instrumenten sichtbar. Bei 15 Knoten Wind segelt Vairea mit stattlichen 11 Knoten. So darf es gerne weitergehen.
Unterwegs in die USA
Kurz vor Sonnenuntergang bergen wir dann unser Leichtwindsegel und rollen die Genua aus, was unsere Fahrt interessanterweise aber nur minimal bremst. Dani verabschiedet sich bereits um 20 Uhr und legt sich aufs Ohr, währenddessen meine fünfstündige Nachtwache beginnt. Ein voller Mond begleitet mich durch eine absolut ereignislose Nacht. Kurz vor Sonnenaufgang weckt mich mein Captain, damit wir gemeinsam die Segel bergen und dafür den Gennaker setzen können. Das Vergnügen weilt nur kurz, denn der abnehmende Wind lässt das Segel so flattern, dass wir es wieder einholen müssen. Denn halt, knurrt Daniel, und startet zähneknirschend die Motoren. Mir hingegen passt das so richtig gut in den Kram. Denn ich nutze den Umstand für eine Ladung Wäsche waschen und anschliessend geniesse ich eine ausgiebige Dusche mit wohlig warmem Wasser.
Kurz nach 14 Uhr wird unsere nachmittägliche Siesta jäh unterbrochen. Die Angelrute rauscht aus und will gar nicht mehr stoppen. Ui, da muss etwas Kapitales am Haken hängen, ruft freudestrahlend mein Captain. Ui nein der arme Fisch, denkt die etwas dünnhäutige Steuerfrau. Und tatsächlich, was für ein Brocken! Der mindestens 2 Meter lange Tuna springt mehrmals mit grosser Wucht aus dem Wasser, so dass gar die Angelrute aus der Halterung gerissen wird. Glücklicherweise hat Dani sie mit einem Seil zusätzlich gesichert. Dem Tuna ist es durch seine Manöver gelungen, den Haken vom Köder zu reissen und dann in den Fluten zu verschwinden.
Kein Anglerglück
Kurze Zeit später rauscht die Angelrute aber schon wieder aus. Dieses Mal zappelt ein Barrakuda am Köder. Es ist wie verhext, Tschudins scheinen auf den Fang dieses Raubfischs abonniert zu sein. Wegen der Möglichkeit, an der Fischvergiftung Ciguatera zu erkranken, sehen wir vom Verzehr ab. Ziehen den fast ein Meter langen Fisch daher ganz sorgfältig an Bord, befreien ihn vom Angelhaken und schmeissen ihn dann wieder zurück ins Wasser.
Unter Vollzeug geht es in eine weitere Nacht, bei einem angenehmen Leichtwind und wundervoll zahmen Wellenbild. Exakt zum Wachtwechsel um 1 Uhr frischt der Wind kontinuierlich auf, so dass wir gegen 4 Uhr ein Reff einbinden müssen. Unterdessen haben wir Charleston angesteuert und für die letzten circa 100 Seemeilen leider den Golfstrom verlassen. Und damit pendelt sich auch wieder die normale Segelgeschwindigkeit ein. Ein fieser Ebbstrom setzt uns zusätzlich zu. Mich kann das aber in meiner Vorfreude überhaupt nicht bremsen.
Wir laufen die USA an
Angestrengt und mit klopfendem Herzen versuche ich Charleston zu erspähen, doch die Stadt hat sich zu unserer Ankunft in Dunst gehüllt. Auf kabbeliger See reihen wir uns in die Schifffahrtsstrasse ein. Frachter, Schlepper, Schnellboote, Segelboote, Fischerboote oder Ausflugsschiffe, der Verkehr auf dem grossen Fluss ist beachtlich. Es gilt sehr konzentriert zu sein. Kurz nach der pittoresken Altstadt von Charleston biegen wir in den Ashley River ein um dann vor der Highway-Brücke und gegenüber der City Marina den Anker zum ersten Mal in trübes, amerikanisches Wasser fallen zu lassen. Mein Hochgefühl ist unbeschreiblich und die Müdigkeit ist mit einem Schlag komplett verflogen.
Ich könnte schreien vor Glück. Endlich haben wir es geschafft, endlich sind wir in den USA angekommen. Seit zwei Jahren war das mein Wunsch. Zuerst stoppte uns mein damaliger Unfall und ein Jahr später Corona. Doch das Alles ist jetzt am 27. Mai 2021 Schnee von gestern. Während ich mit Gänsehaut und Hochgefühl auf dem Boot umherhüpfe, ist mein Captain mit der Grenzbehörde am Telefon. Ein sehr freundlicher Kontakt, resümiert er fünf Minuten später und stell Dir vor, ein Beamter fährt extra noch raus und trifft sich mit uns in der Marina. Mit allen Dokumenten setzen wir kurz darauf rüber, holen uns im Office die Parkier-Bewilligung für unser Dinghi und schon biegt das Fahrzeug der Zollbehörde um die Ecke.
Freundlicher Empfang in den USA
Ich kann es kaum glauben, da sitzen wir am Nachmittag zusammen mit dem aufgestellten Officer Braxton im Freien an einem Holztisch, lachen und witzeln zusammen während er aus einer mitgebrachten Box den passenden Stempel holt und diesen auf unseren Pässen niedersausen lässt. So einfach funktioniert Immigration Made in USA in Charleston. Für das Cruising Permit sollen wir uns anderntags im Büro in der Stadt einfinden, meint er und schiebt uns die dafür notwendige Adresse und Telefonnummer rüber. Das erste kühle Bier auf amerikanischem Boden rinnt danach so herrlich erfrischend durch unsere Kehlen.
Nach einer wunderbar erholsamen Nacht machen wir uns anderntags bereits ganz früh auf Richtung Stadt und Zollbehörde. Die Suche nach einem Taxi bleibt erfolglos und so nehmen wir die Strecke unter die Füsse. Das wird unseren Knochen nach so vielen Stunden auf See gut tun, sind wir überzeugt. Das Office zu finden ist nicht ganz einfach und wir müssen ein paar Mal nach dem Weg fragen. Treffen dabei immer auf hilfsbereite Menschen, ernten aber auch ganz viel Kopfschütteln. Wie kann man eine so lange Strecke laufen, werden wir ein ums andere Mal ganz entgeistert gefragt. Mit einem einjährigen Cruising Permit für die Gewässer der USA im Sack verlassen wir kurz darauf die Behörde wieder, dieses Mal Richtung Innenstadt.
Charleston gefällt uns wieder
Es trifft sich vorzüglich, dass unser Weg an der alten Zigarrenfabrik vorbei führt. Denn im imposanten Brickstone Gebäude ist mit dem Mercantile and Mash ein Spot untergebracht, der dem grossen Trend nach gutem, gesundem Essen folgt. Für unsere knurrenden Mägen wie geschaffen. Und so lassen wir uns um kurz vor ein Uhr ein feines, verspätetes Frühstück schmecken. Bei T-Mobile holen wir uns eine lokale SIM-Karte und staunen, dass im attraktiven Preis für den Router mit schnellem Internet zusätzlich ein Handy mit SIM inkludiert ist. Bekommen im Visitor Center alle aktuellen Informationen zugesteckt und lassen uns anschliessend durch die bezaubernde King-Street und seine Nebenstrassen treiben.
Der Weg führt uns auch wieder zum Charleston Market, wo unzählige Kunsthandwerker ihre schönen Waren anbieten und ich staune. Zum einen, wie viele Leute unterwegs sind und zum anderen, wie weit entfernt Corona ist. Der Umgang damit scheint hier ein völlig anderer zu sein, als man aus Europa hört. Ab und zu sehe ich Masken, wenn dann tragen sie ältere Menschen. In einer der unzähligen Walgreens-Filialen vereinbaren wir völlig unkompliziert unseren ersten Impftermin für kommenden Dienstag. Bevor wir den Heimweg antreten kehren wir noch im Crab House ein. Charleston und die Krabben sind untrennbar verbunden und schmecken in jeglicher Zubereitung einfach nur lecker.
Kurz vor Sonnenuntergang landen wir dann etwas müde aber glücklich zurück auf der Vairea. Unsere Turnschuhe sowie mein Schrittanzeiger glühen und dampfen, 24000 Schritte in knapp 8 Stunden können sich sehen lassen. Ein Gradmesser für meinen Glückspegel ist immer auch die Qualität meines Schlafes. Und der ist hier in Charleston so hervorragend, dass ich weiteren Tagen mit grosser Entdeckerlust und Vorfreude entgegensehe. Wenn dann der Wind irgendwann in kommender Woche wieder auf Süd drehen wird, werden wir den Anker aufnehmen und eine weitere Etappe Richtung Norden segeln.
Unsere Footloose kommt in den nächsten Wochen zurück nach Europa⛵️Wünsche Euch eine schöne Zeit
Da hoffen wir ganz fest, dass Eure Footloose gut und bald bei Euch ankommt. Herzliche Grüsse nach Österreich