Fünf Jahre an Bord – Zwei Resumées

Nach einer langen Fahrt am 27. Februar 2015 vom damaligen Wohnort Feldmeilen bis Premià de Mar liessen wir das bisherige bürgerliche Leben in der Schweiz zurück und begannen das Leben auf unserer Vairea. Wir starteten unsere Reise nach dem Motto: Der Weg ist das Glück und nicht das Ziel. Nun sind fünf Jahre vergangen, die wir an Bord leben. Unabhängig voneinander haben wir darüber ein Resumée verfasst.

Route 2015 - 2020 - Zeit für ein Resumée
Fahrtgebiet der ersten fünf Jahre

Resumée von Martina

Dass die letzten 5 Jahre so schnell vergangen sind, das kommt mir zuerst in den Sinn. Nur genauso oft habe ich das Gefühl, wir sind schon ewig unterwegs. Ob dieses komische und gestörte Zeitgefühl damit zu tun hat wie wir leben? Nicht mehr nach der Uhr oder Terminen, sondern mit der Natur? Heute richten wir uns meistens nach Wind und Wetter. Stehen mit der Sonne auf und gehen wenn‘s dunkel wird zu Bett. Meistens. Welchen Tag haben wir denn eigentlich heute? Eine oft gehörte Frage auf der Vairea. Diese Lebensart ist Luxus und steht ganz dick auf der Habenseite.

Mut steht auch da. Den brauchte ich und den hatte ich. Darauf bin ich stolz. Den Schritt aus dem Hamsterrad gewagt, alles Hab und Gut bis auf Weniges verkauft oder verschenkt. Dafür einen Katamaran mitangeschafft. Den Job gekündigt und sogar den Atlantik überquert. 22 Tage auf See ohne Land in Sicht. Vielleicht würde mir der Mut heute fehlen. Ziemlich sicher sogar. Nur schon fünf Jahre älter machen einen Unterschied, habe ich festgestellt. Unser Zusammenleben. Auch so ein Punkt, der mich damals sehr beschäftigt hat. Kann das gutgehen? Riskieren wir viel? Fast immer zusammen sein und das auf so engem Raum? Ja es geht gut. Wir streiten zwar genauso oft oder selten wie früher. Müssen jetzt aber oft schneller zu einem Konsens kommen. Daher werden Konflikte viel zeitnaher angesprochen und ausdiskutiert. Und so bleibt ein ausuferndes Nachtragen oder Beleidigt Sein aus. Grosses Plus.

Kein Anhänger langer Törns

Immer noch auf der Haben-Seite, das Reisen. Ich werde nie der Segelfanatiker werden, geschweige ein Anhänger von langen Törns. Ankommen und in schönen Ankerbuchten liegen, das ist herrlich. Das Segelschiff dient mir, um von A nach B zu kommen. Dafür ist es die beste Option. Im Vordergrund steht für mich aber immer das Reisen. Ob während unserer zwei Jahre im Mittelmeer oder jetzt in der dritten Saison in der Karibik: wir haben so viel Gesehen und Erlebt. Schönes wie auch Anderes. Sind von Kriminalität und Gewalt verschont geblieben. Hatten bis auf meinen Unfall nie Pech oder grosse Probleme. Dafür bin ich zutiefst dankbar. Kontakte wurden geknüpft, sind geblieben, Freundschaften haben sich entwickelt. Unbezahlbar!

Es gibt bei allem Positiven auch die Sollseite. Sehnsucht steht da ganz zuoberst. Diese Befürchtung war immer da und hat sich bewahrheitet. Ich vermisse meine Kinder, meinen Enkel, meine Freundin. Mal tut es mehr weh, mal geht’s besser. Das ist Realität und die Kehrseite der Medaille. Mindestens einmal pro Jahr sitze ich im Flieger und tanke das angeknackste Herz bei meinen Liebsten auf.

Das Nomadenleben ganzjährig ist nicht Meines. Das habe ich ausprobiert. Einmal Hurrikansaison auf dem Boot reichte mir. Ursprünglich war die Annahme, dass Beides – Schiff und Haus – nicht geht. Dann ist man in Gedanken immer beim jeweilig anderen und nirgends richtig daheim. So lautete unsere Befürchtung. Heute weiss ich es besser. Ich brauche Wurzeln. Während der Hurrikansaison ein Wohlfühlort an Land, wo wir sein können und leben werden. Sozusagen das Beste aus zwei Welten. Und näher bei den Liebsten. Was hoffentlich bleiben wird, ist die Neugier und die Toleranz. Mich einlassen auf Neues und Spannendes, auf Natur und Menschen. Weiterhin ganz unvoreingenommen reisen. Dabei meinen Horizont und die Herzensbildung erweitern. So lange es uns vergönnt ist. Im Team, mit Spass, Freude und guter Gesundheit.

27.02.2015 Einzug auf Vairea
 Februar 2016 in Gibraltar
Februar 2017 an der Algarve
Februar 2018 Atlantiküberquerung
Februar 2019 in Martinique
Februar 2020 in Anguilla
27.02.2015 Einzug auf Vairea

Resumée von Daniel

Fünf Jahre und ein Resumée! Eine lange Zeit. Aber auch kurz. Für mich ist dieser Zeitraum schwierig zu fassen. Eigentlich habe ich das Gefühl bereits viel länger unterwegs zu sein. Die Erinnerungen an das frühere Landleben und an die Arbeitswelt sind verblasst. Eine Welt die weit weg ist. Ich geniesse die Freiheit die dieses Leben auf dem Wasser bietet. Das Leben in und mit der Natur. Die Freiheit den Weg der Reise zu wählen. Natürlich muss man sich den Elementen von Wind und Wasser immer wieder mal beugen. Es ist nicht ratsam sich Wind und Wellen widersetzen zu wollen.

Auch ist nicht immer eitler Sonnenschein. Auch während dem dauernden Reisen ist nicht immer Ferienstimmung. Es gibt alltägliche Arbeiten zu erledigen, wie putzen, kochen und einkaufen. Das Boot braucht Pflege, muss gewartet und repariert werden. Doch man hat Zeit. Wir nehmen uns Zeit. Vieles lässt sich aufschieben oder dann erledigen, wenn man Lust dazu hat. Das macht das Leben insgesamt entspannter. Nicht wie früher, wo viele dieser Dinge am Wochenende erledigt werden mussten. Heute weiss ich oftmals gar nicht welcher Wochentag ist. Ist auch nicht wirklich wichtig. Viel wichtiger hingegen ist das Wetter. Im früheren Leben interessierte das Wetter vor allem am Wochenende und war ausschlaggebend was man anziehen muss. Heute ist es ausschlaggebend dafür, wo man bleibt und wohin man reist. So gehört der erste Blick frühmorgens dem Himmel und dem Studium der Wetterdaten.

Der Lebensraum ist beschränkt

Auch wenn wir kein kleines Boot haben, so ist der Lebensraum beschränkt. Man lebt auf kleinem Raum und man kann das Haus nicht immer so einfach verlassen. Wenn ich aber zurückdenke und mir überlege, wo ich mich in unserer damals sehr grossen Wohnung jeweils aufgehalten habe, so muss ich feststellen, dass nur ein kleiner Teil des verfügbaren Raums genutzt wurde. Am schwersten fällt der kleine Raum ins Gewicht, wenn man etwas umräumen oder reparieren muss. Hier kann das Boot innert Kürze im Chaos versinken und viel Zeit verschlingen. Eine kleine Arbeit von 30 Minuten kann somit zu einem Tagewerk werden, bis alle Spuren beseitigt sind.

Wir sind als starkes Zweierteam unterwegs. Mit anderen Seglern oder Einheimischen ergeben sich meist flüchtige Bekanntschaften, manchmal aber auch Freundschaften. Auch hier ist ein wichtiger Schlüssel die Zeit. Man muss in aller Regel länger an einem Ort verweilen, um mit Einheimischen in näheren Kontakt zu kommen. Auch andere Segler muss man mehrmals sehen, damit daraus eine Freundschaft entstehen kann. Die sozialen Medien erleichtern auch den Kontakt mit der Heimat und bestehenden Freunden zu halten.

Ich fühle mich in diesem Leben wohl. Es gibt wenig Fremdbestimmtes, aber man muss auch bereit sein, für seine Eigenbestimmung die Verantwortung zu übernehmen. Man kann die Verantwortung keinem System übertragen in dem es halt so ist, wie es eben ist. Ich bin froh diesen Schritt getan zu haben und mit meinem Schatz auf der Reise zu sein, wo der Weg das Glück und nicht das Ziel ist. Wie lange diese Reise dauert und wohin sie uns führt ist dabei nebensächlich. Zurzeit bin ich hier in der Karibik, geniesse die Vielfältigkeit und lasse bis zum nächsten Resumée die Lebenszeit langsam und entspannt zerrinnen.

Die Vaireaner 2020 in Nevis
Nevis 2020

Unsere Reise im Überblick & Unsere Schatzkiste

Resumée: Unsere alte Reiseseite

8 Kommentare zu „Fünf Jahre an Bord – Zwei Resumées“

  1. Ganz toll geschrieben!
    In sehr vielen Punkten sprecht (bzw. schreibt) ihr mir aus dem Herzen. Auch wenn unsere Outremer eine wirklich sportliche Lady ist, deren Schnelligkeit und Seegängigkeit in miesem Wetter wie bei Schwachwind ich nicht mehr missen möchte: Auch bei mir steht das Reisen im Vordergrund, insbesondere die langen Schläge sind ein Mittel zum Zweck. Und und und…. Ich kann bei so vielem nur zustimmen.

    Ich wünsche Euch beiden von ganzem Herzen, dass ihr weiterhin ein gutes Team bleibt und Eurer gemeinsamer Weg weiter viel Freude bereitet. Damit lassen sich alle kommenden Herausforderungen meistern!

    1. Hallo Stefan
      Lieben Dank für Deinen Kommentar. Interessant finden wir, dass unsere beiden Resumées in vielerlei Hinsicht identisch sind, obwohl wir nicht darüber geredet haben, bevor wir sie unabhängig voneinander verfasst haben.
      Wir wünschen auch Euch ganz herzlich, dass ihr alle kommenden Herausforderungen im Dreierteam meistert. Wir sind ebenfalls der festen Überzeugung, dass man im funktionierenden Team viele Hürden schafft. Offenheit ermöglicht Dialog und öffnet Wege, manchmal auch unkonventionelle. Herzliche Grüsse an Dich und Dorothee.

  2. Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Wir haben uns nie persönlich kennengelernt, leben aber ein ähnliches Leben. Ich wünsche Euch weiterhin viele schöne Erlebnisse und immer eine Handbreit Wasser unter den Kielen

    1. Herzlichen Dank liebe Eva für Deine Zeilen. Ja, der Faktor mit der Zeit ist erstaunlich. Und wer weiss, vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja doch einmal. Wir würden uns sehr freuen, Dich und Deinen Mann kennenzulernen. Weiterhin eine gute Reise, möge Euch gute Gesundheit und Freude begleiten.

      1. Hallo Martina, hallo Daniel,
        da habt ihr Beiden aber wunderbare Worte und Bilder gefunden für das Leben als Vagabunden auf einem Segelschiff und uns auch ganz aus dem Herzen gesprochen. Außerdem eine gute Anregung gegeben, dass jeder sein Resumee für sich alleine zieht. Obwohl ich glaube, dass es wie bei euch Beiden dann doch sehr ähnlich ausfallen wird. Bei uns wird es ja am Ende der Saison ein Schlussresumee sein, woran ich im Moment noch gar nicht denken will, weil es mich ganz traurig macht und wieder zweifeln lässt. War diese Art zu leben jetzt lang genug, weil ich das Gefühl habe dass wir schon ewig unterwegs sind und mich etwas magisch nach Hause zieht. Oder noch lange nicht lang genug, weil es noch so viel zu sehen und zu erleben gibt und das Leben an Bord so herrlich unbeschwert ist Werden wir uns zu Hause auch so oft sagen hören – ist es nicht wunderschön !

        Wir wünschen Euch weiterhin viele spannende und tiefgreifende Erlebnisse, viele wunderbare Begegnungen und dass der Weg das Glück für euch Beide bleibt.
        Alles Liebe
        Sybilla und Stefan von der Saya

        1. Herzlichen Dank liebe Sybilla und lieber Stefan für Eure schönen Worte. Zuerst stimmt es natürlich traurig, dass wir Euch nicht mehr auf der Saya antreffen werden. Wir hätten uns über weitere Treffen irgendwo auf dem Wasser sehr gefreut. Bestimmt ist so ein Entscheid wohlüberlegt getroffen. Und klar sind da auch immer wieder Zweifel. Doch so ein Schritt schafft auch Raum für Neues. Und die Erinnerung an eine besondere Zeit mit grossartigen Erlebnissen und tollen Begegnungen, die bleibt Euch für immer erhalten. War es nicht wunderschön, genau so soll es sein. Aufhören, wenn es am schönsten ist. In dem Sinne wünschen wir Euch einen wunderschönen Neuanfang und grüssen Euch herzlich, Martina und Daniel

  3. Unsere Lieben Freunde
    Das ihr zwei das Abenteuer auf engsten Raum schafft war für uns gar kein Thema!
    Aber dass ihr so lange bleibt hätten wir nicht gedacht! Schön mal euer Resümee zu hören und dabei fühlen wie es euch geht und wie glücklich ihr seit dieses Leben gewählt zu haben.
    Es ist nirgends auf Welt nur eitler Sonnenschein und es muss einfach für jeden selber stimmen. Wir hoffen dass es euch noch lange gefällt und wir dann die Gelegenheit haben euch zu besuchen.

    Herzlichst
    Graziella und Heinz

    1. Martina & Daniel

      Unsere Lieben, vielen Dank für Eure schönen Zeilen. Wir warten schon ganz sehnsüchtig darauf, mit Euch zusammen schöne Stunden auf der Vairea zu verbringen. Ihr werdet erwartet und seid uns immer willkommen. Und ja so ist es: wo Sonne ist, fällt auch Schatten hin.
      Fühlt Euch herzlich umarmt, Martina und Daniel

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