Holprig, ruppig und vor allem schnell brausen wir mit Halbwindkurs von St. John südwärts. Ziel ist St. Croix, die letzte der drei Inseln der US Virgins. Die Wellen schlagen in beeindruckender Lautstärke von unten ans Brückendeck und die tapfere Vairea wird ein ums andere Mal mit Salzwasser geduscht. Das wird ja zum Glück beim anstehenden langen Schlag nach Aruba anders, frohlocken wir. Für diese etwa drei Tage lange Passage freuen wir uns auf achterliche Winde und Wellen von hinten. Eine gemütliche und entspannte Seereise, wie wir es mögen. So wie die kommenden etwa sieben Tage auf St. Croix. Doch kaum angekommen und eben zurück vom ersten Bummel durch Christiansted zusammen mit der Crew der SY Laya erregt der Blick auf die Wettersituation unsere Aufmerksamkeit.
Hoppla, da ist ja ein richtig feines Wetter im Anzug, dass dann auf Ende der Woche von einer langen Phase mit sehr starkem Wind abgelöst wird. Sollen wir oder sollen wir nicht? Dieses Wetterfenster zu packen hiesse aber auch bereits übermorgen ablegen. Vorteile werden gegen die Nachteile abgewogen und dann steht der Entscheid fest. Los, ab nach Aruba tönt es von Bord der Vairea. Ein Taxi bringt uns anderntags ganz früh zum Flughafen. Das ausklarieren aus den US Virgins funktioniert nicht anders wie das Einklarieren. Freundlich, fix und unkompliziert. Auf dem Rückweg stocken wir im Supermarkt unsere Lebensmittel auf und verlegen uns dann nach Frederiksted an die Westseite der Insel. In der Küche klappern kurz darauf die Pfannen und Töpfe und der feine Duft von Kürbispüree und Omelette weht durch das Schiff. Daniel macht unterdessen das Schiff klar und inspiziert noch einmal die Wetterprognosen. Sein zufriedenes Gesicht verheisst Gutes.
Auf nach Aruba
Am 9. Juni um Schlag 6 Uhr rasselt die Ankerkette, wir legen ab. Der letzte Check der Wetterprognosen verspricht uns Wind aus bis 130 Grad (bedeutet, dass der Wind von schräg hinten bläst und die Wellen Vairea sanft voran schieben). Für den ersten Tag mit ca. 11 Knoten blasend, am 10. Juni mit 13 Knoten und für das Finale mit bis 21 Knoten. Und das Ganze mit kaum Wellen. Wir freuen uns auf wundervolle Bedingungen. Nach etwa einer Stunde haben wir das kabbelige Wasser rund um St. Croix verlassen und geniessen das sanfte dahingleiten. Noch bläst der Wind schwächer wie vorausgesagt. Das kommt schon noch, verbreitet der Captain positive Stimmung. Damit wir vorankommen, muss wohl oder übel eine Eisenfaust helfen. Unschön zwar, aber hilfreich.
Den Sonnenuntergang geniessen wir stilecht mit einem grossen Glas Wasser auf dem Vordeck und stossen auf hoffentlich auffrischenden Wind an. Mit dieser Hoffnung segeln wir in die erste Nacht hinein. Doch es kommt völlig anders wie gedacht. Denn um kurz nach 21 Uhr stellt urplötzlich der Steuerbordmotor ab. Wir schauen uns verdutzt an. Der Captain hat die Dieselzufuhr im Verdacht. Was heisst, der Dieselfilter muss gewechselt werden. Mühsam und im Schein der Taschenlampe meistert Daniel auch diese unangenehme Arbeit bravourös. Und siehe da, der Motor springt wieder problemlos an. Zum Glück haben wir mit dieser Arbeit nicht zugewartet, bis es hell wird. Denn der neue Tag bringt nichts Gutes.
Ohne Wind und mit hoher Seitenwelle unterwegs
Zum einen keine Windverbesserung wie erhofft, der bläst jetzt sogar noch schwächer. Das steigert sich sogar bis zur fast totalen Flaute. Dafür kommen aber unangenehme Wellen aus 80 – 90 Grad (von der Seite), die zum Teil sogar über das Deck schlagen. Vairea macht kaum mehr Fahrt unter Segel. Als diese zu schlagen beginnen, müssen wir sie schweren Herzens bergen und unsere beiden Motoren voll einsetzen. Wie hässlich! Hoffentlich geht das bald vorbei. Am dritten Tag frischt der Wind auf, zwar nur mit 15 Knoten aber immerhin. Nur, die Richtung ist abenteuerlich.
Wir können es kaum fassen, der Wind fällt teilweise aus 60 Grad ein und wir segeln hart am Wind! Im Gegenzug nimmt die Welle glücklicherweise ab und Vairea macht unter Vollzeug gut Fahrt. Und es herrschen Bedingungen wie bei der Überfahrt nach St. Croix. Erst neun Seemeilen vor Aruba dreht der Wind auf die prognostizierte Windrichtung und beschert uns für die letzte Stunde das eigentlich erwartete schöne Segeln. Wir umrunden die als sehr windreich bekannte Südspitze von Aruba doch tatsächlich mit Vollzeug. Bis Barcadera Harbour schieben uns die Wellen und der Wind platt von hinten schnell voran. Daniel funkt den Hafen an und ein freundlicher Angestellter mit Maske steht mit helfender Hand für die Leinen bereit.
Skurilles aber problemloses Einklarieren in Aruba
Nachdem Vairea festgemacht ist, geht’s zum Einklarierungsmarathon. Vor uns fährt der Pick up der Hafenbehörde, dahinter laufen wir Beide, natürlich mit der obligatorischen Maske. Wenn wir uns immer einmal wie Hunde fühlen wollten, die von ihren Herrchen mit dem Auto zum Gassi gehen ausgeführt werden, voilà jetzt ist der Moment da. Die erste Station ist der Besuch bei der Ärztin. Einzeln werden wir zu ihr vorgelassen. Das Ganze kommt mir vor wie aus einem Katastrophenfilm. In einem Schutzanzug, mit Maske und Faceshield erinnert sie an die Bilder aus den Ebolagebieten. Nach ein paar Fragen zum Gesundheitszustand und dem Fiebermessen werden wir mit dem Befund „gesund“ entlassen. Willkommen auf Aruba Frau Martina, ich wünsche Ihnen eine gute Zeit. Also freundlich ist sie und wie.
Nach den Prozederen bei der Immigration und dem Zoll machen wir uns wieder auf Richtung Vairea. Da stellen sich uns zwei Männer in den Weg. Ihre beschrifteten Shirts weisen sie als Mitglieder des Zolls aus. Ohne Maske, Handschuhe oder dergleichen orientieren sie uns, dass sie das Boot kontrollieren kommen. Unter dem Kommando des eher schmächtig gebauten Beamten reisst sein Kollege vom Kaliber „Conan der Barbar“ ein paar Mal an den Leinen und wir steigen problemlos zu viert auf Vairea über. Jeder der beiden Zollmitarbeiter steigt in einen Rumpf hinunter und nach ein paar Minuten erscheinen sie wieder. Alles paletti meinen sie und herzlich willkommen auf Aruba. Auf Nachfrage verraten wir ihnen, dass wir Arbeitskollegen waren. Das Eis ist gebrochen, ihre Freude ehemalige Schweizer Customsangehörige kennenzulernen scheint riesig zu sein und ihr Fragenrepertoire schier unerschöpflich.
Noch für neun Tage vor Anker in Quarantäne
Bitte ruft uns, wenn wir euch beim ablegen helfen können verlangt Conan der Barbar. Es war uns ein grosses Vergnügen meint er und streckt uns doch tatsächlich seine riesen Pranken hin. Eben noch die Ärztin in Vollmontur und jetzt schütteln wir den Zollbehörden sogar die Hände! Was für eine verrückte Welt. In der geschützten Lagune fahren wir zu unserem Ziel, der Varadero Aruba. Im grossen Ankerfeld vor der Marina und Werft werden wir die kommenden Tage unsere Quarantäne absitzen. Denn die ist jetzt doch obligatorisch, da die Grenzen erst am 1. Juli öffnen werden. Zwei Mitarbeiter erwarten uns mit ihrem Boot und weisen uns einen Platz im Ankerfeld zu. Herzlich willkommen auf Aruba rufen sie uns zu und überreichen uns eine Flasche Sekt als Willkommensgeschenk. Was für eine nette Geste. Wenn ihr etwas braucht, Lebensmittel, WiFi, usw. dann funkt uns an, wir helfen Euch mit allem gerne.
Nach 79 Stunden fällt der Anker am Nachmittag des 10. Juni hinter der englischen La Bohème, einer baugleichen Lagoon wie Vairea, ins Wasser von Aruba. Wir sind angekommen. Zwischen Barcadera Harbour und der Varadero liegt eine grosse Mülldeponie, die bei unserer Ankunft mottet. Mit Schrecken sehen wir den schwarzen Rauch gen Himmel steigen. Entgegen unserer Befürchtung ist hier davon zum Glück nichts zu spüren und zu riechen. Wir hoffen einfach, dass das so bleibt und der Wind nicht dreht. Die nächsten Tage sind jedenfalls ausgefüllt mit Vorarbeiten für das kommende Haul out. Es gibt viel zu tun und uns wird‘s bestimmt nicht langweilig werden. Zudem freuen wir uns jetzt sehr auf die Ankunft des Schweizer Katamarans Lille Venn. Wenn die Quarantäne vorbei ist, steht auch Besuchen von befreundeten Yachten hier am Ankerplatz und einer Erkundung der Insel nichts mehr im Wege.
Super die Skurilität der Situation auf den Punkt gebracht. Wieder ein toller Beitrag!
Danke lieber Ralf.
Und ja, die Situation war absolut surreal. Wir wähnten uns fast wie in einem Film aus Absurdistan. Liebe Grüsse, Martina und Daniel
Jesses was ihr alles erlebt habt unterwegs. Da hatten wir ja segeln für Warmduscher. Wie ihr seht haben wir bereits Empfang und sind bald bei euch. Zum winken von weitem wenigstens bis glii liebe Grüsse von der Lille Venn
Ja, wir fühlen uns seit gestern als so richtig harte Kerle 🙂 Freuen uns mit schon fast steifen Armen vom vielen Winken auf Euch. Herzlich Martina und Daniel
Schön, dass ihr gut angekommen seid und erst noch freundlich empfangen. Alles andere ist in dieser Zeit Zugabe❣️Freut euch des Lebens, Eure Freundin
Wir mussten gleich an Dich denken, als uns diese grosse Delphinschule besuchte. In solchen Augenblicken wünschte ich Dich ganz besonders an Bord zu haben.
Die Leute hier helfen wo sie können, damit es uns auch während der Quarantäne an nichts mangelt. Ein super Service!
Herzliche Grüsse von Deinen Freunden