Eine Nacht noch bleiben wir an der werfteigenen Boje, man weiss ja nie meint der Captain. Doch nach einem letzten Check am 31. August gibt er grünes Licht, alles ist dicht und staubtrocken in den Motorenräumen, sowie überall einwandfrei laufende Systeme vermeldet er zufrieden. Nichts hält uns jetzt noch zurück. Die Freude wieder auf dem Wasser zu sein ist gross und das Stück bis Deltaville sollte bis zum späteren Nachmittag problemlos zu schaffen sein. Die letzten 30 Tage verbrachten wir ohne die kleinste Bewegung auf der Vairea, bockruhig lebten wir einen Monat an Land. Und jetzt werden wir doch gleich beim ersten Törn bei der Ausfahrt aus dem East River in die grosse Chesapeake Bay so richtig heftig durchgeschüttelt. Wind steht gegen Welle, Willkommen zurück in der Realität lachen wir und räumen schnell die verrutschten und herausgefallenen Sachen zurück.
Trotz den nicht gerade optimalen Verhältnissen macht Vairea dank der neuen Propeller deutlich mehr Fahrt als unter den alten Zweiblättrigen. Kaum hält der Anker bombenfest im schlammigen Untergrund der grossen Ankerbucht von Deltaville, gilt meine ganze Aufmerksamkeit sofort dem armen Captain. Denn sein Arm sowie die Hand sind dick angeschwollen, hart und heiss. Am letzten Tag auf der Werft wurde Daniel von Wespen oder Hornissen vermutlich mehrfach gestochen. Was zuerst eher harmlos aussah, entwickelt sich leider nicht positiv. Auch weil er wider besseres Wissen daran gekratzt hat bis sich zusätzlich alles entzündet hat. Zum Glück finden wir in der gut sortierten Bordapotheke die passenden Medikamente und Salben und hoffen damit eine baldige Heilung ohne Arztbesuch zu schaffen.
Zurück bei Freunden
Am Abend setzten wir mit dem Dinghy hinüber an Land und geniessen den Abend in der Tap and Raw Bar. Der Sonnenuntergang, dazu zwei Pfund topfrische Shrimps, einen eisgekühlten Mimosa für mich und ein Bier für Daniel – mehr brauchts definitiv nicht um happy zu sein. Tags darauf hat die Schwellung glücklicherweise bereits deutlich abgenommen und mit Freude beobachten wir, wie sich die Prana Cat dem Ankerplatz nähert. Ein Treffen auf dem Wasser macht definitiv mehr Freude wie eine Zusammenkunft auf der Werft sind wir vier uns einig, während unsere mitgebrachten Fleischstücke und Würste auf dem Grill brutzeln. Es gibt viel zu erzählen und zu lachen und die Sonne hat sich längst schlafen gelegt, als wir Vier uns im Schein der Taschenlampe auf den Rückweg zu unseren Booten machen. Bis zum nächsten Wiedersehen rufen wir uns zu, denn für uns geht es am folgenden Tag bereits wieder weiter.
Noch heute denken wir oft, was für ein glücklicher Zufall uns doch fast genau vor einem Jahr nach Hunts Cove geführt hat. Dass wir damals ausgerechnet bei «The Point» unseren Anker warfen, könnte man fast als schicksalshaft bezeichnen. Der Rest ist Geschichte einer unglaublichen Gastfreundschaft, die damals ihren Beginn nahm und während den vergangenen Monaten nie abbrach. Kommt doch bitte endlich wieder vorbei steht praktisch in jeder Nachricht der vier Amerikaner. Und so steuern wir jetzt an diesem 3. September mit grosser Freude Pitman’s Cove an. In Sichtweite zu den Anwesen unserer beiden Freundespaare fällt der Anker in das völlig ruhige Wasser. Die Sonne brennt vom Himmel, kein Lüftchen weht und uns rinnt der Schweiss von der Stirn. Was sind wir dankbar über die Einladung von Suzy und Glenn zu einer Abkühlung im Pool.
Freude auf dem Segelausflug in die Chesapeake Bay
Alle Nachbarn scheinen sich zu unserer Begrüssung eingefunden zu haben und von überall wird uns jegliche Unterstützung angeboten. Mit Glenns schnittigem Auto brausen wir anderntags bereits ganz früh zum Einkaufen. Es gibt einiges vorzubereiten, denn am Nachmittag kommen unsere vier Freunde zu Besuch an Bord. Nach einer kurzen Führung durch Vairea heben wir den Anker und verlassen Pitmans Cove. Kaum zu glauben, aber wir können entgegen der Wettervorhersage doch tatsächlich die Segel setzen. Und auf dem Rückweg frischt der Wind sogar auf 14 Knoten auf, sodass Vairea flott dem Ziel entgegen prescht.
Ein wunderschöner und lustiger Segeltag unter Freunden geht kurz vor 18 Uhr zu Ende. Ganz besonders gefreut hat mich der Ausflug für Anita und Charlie. Mussten die Beiden doch wegen seiner Erkrankung unlängst ihr Segelboot verkaufen. Wir trauern solchen Ausflügen auf dem Wasser sehr nach und haben es entsprechend so sehr genossen, vertrauen sie uns beim Abschiednehmen an. Glenn und Suzy stecken uns noch die Kontaktdaten ihrer Tochter zu, die in Washington arbeitet und wohnt. Denn genau dahin wollen wir ja in Kürze. Wir müssen hoch und heilig versprechen wiederzukommen und uns sofort zu melden, wenn wir irgendetwas benötigen. Und unterdessen weiss ich, dass sie es genau so meinen wie sie es sagen und wir ihre grosszügigen Angebote auch annehmen dürfen, ja müssen.
Saint Mary’s City
Am 5. September um 11 Uhr sagen wir den Freunden und der wunderschönen Bucht auf Wiedersehen, heben den Anker und ziehen nordwärts dem Potomac River entgegen. Die Berechnungen passen perfekt, wir erreichen die Mündung des breiten Stroms genau zum Tidenwechsel. Wir können gut Fahrt machen und dank den mitlaufenden Wellen bleibt es dieses Mal zum Glück ruhig auf der Vairea. Nach etwas mehr als 41 Seemeilen fällt der Anker direkt vor Saint Mary’s City ins Wasser. Nach einer ruhigen Nacht empfängt uns der Morgen regnerisch und kühl. Als Petrus gegen 10 Uhr endlich ein Einsehen hat, setzen wir sofort mit unserem Dinghy hinüber. Denn den als National Historic District bekannten Ort möchten wir gerne erkunden.
1634 als vierte Siedlungsgründung europäischer Einwanderer in Nordamerika war der Ort bis 1694 die erste Hauptstadt der englischen Kolonie von Maryland. Unterdessen wurden einige Gebäude der frühen Kolonialzeit rekonstruiert und für die Besucher zugänglich gemacht. Uns erinnert dieser Historic District an das schweizerische Pendant, das Freilichtmuseum Ballenberg. Als Zückerchen ist in einem der historischen Gebäude eine Bäckerei untergebracht, die Brot bäckt wie wir es aus der Heimat gewohnt sind. Wir geniessen den langen Rundgang zu Fuss. Von den vielen Volunteers werden wir wie üblich aufs herzlichste begrüsst und ausführlich mit allen notwendigen Hintergrundinformationen versorgt. Als sich der Himmel wieder zuzieht und schwarze Wolken über das Wasser ziehen, machen wir uns schleunigst auf den Heimweg.
Wie prognostiziert beginnt auch der 7. September regnerisch, als wir den Anker aus dem schlammigen Untergrund heben. Mit ausgerollter Genua fahren wir den Potomac hoch, bis uns vor dem Schiessplatz die Navy anfunkt und uns anweist, wie wir den Weg um das Gebiet zu befahren haben. Bis auf diese Begegnung wird es ein völlig ereignisarmer Tag, der mit dem Ankerwerfen 41 Seemeilen später regnerisch endet.
Hochspannung und Freude vor Washington DC
Copy – Paste auch am Folgetag, mit dem einzigen Unterschied, dass es heute trocken bleibt. Das tägliche Überraschungsmoment liefert ein nicht in den Seekarten verzeichnetes Hochspannungskabel, das über dem Potomac hängt. Nach kurzer Hektik an Bord finden wir heraus, dass Boote 70 Fuss (21,3 Meter) Höhe nicht überschreiten dürfen. Denn zwischen Ende Mast und Hochspannungskabel muss ein Abstand von 100 Fuss gewährt sein. Die zehn Zentimeter die wir zu viel haben wird man uns hoffentlich nachsehen. Nach knapp fünf Stunden und 30 Seemeilen fällt der Anker bei schönstem Wetter vor Mason Neck ins trübe, braune Wasser des Potomac River. Richtig freudig gehe ich an diesem 8. September ins Bett, denn morgen werden wir in Washington DC, der Hauptstadt der USA einlaufen. Eine Boje sozusagen in Sichtdistanz zu den Sehenswürdigkeiten ist für 10 Tage reserviert.
Ihr Lieben
Herzlichen Dank für diesen wundervollen und interessanten Reisebericht.
Liäbs Grüessli vo üs
Vielen herzlichen Dank ihr Lieben und wir freuen uns immer, wenn ihr auf diese Art mit uns reist. Ganz liebe Grüsse von uns!