Auf unserer Fahrt von Aruba zur östlich gelegenen Insel Curaçao treffen wir vermutlich eine fast einmalige Wetterlage an. Für gewöhnlich kämpft man auf dieser Strecke dreimal gegenan. Gegen viel Wind, gegen unangenehme Wellen und gegen eine starke Strömung. Aktuell beeinflusst aber das Rückseitenwetter der Tiefdruckgebiete über Kuba und Florida die Wetterlage auf den ABC-Inseln und beschert uns richtig flautiges Wetter. Für uns ist dieser Umstand ein Glücksfall, den wir dankbar nutzen wollen. Zusammen mit Simone und Peter von der SY La Bohème werfen wir noch vor dem Mittag des 9. November bei der Barcadera den Anker ins trübe, faulige Wasser. Dieser Platz bekommt definitiv keinen Schönheitspreis. Rechts mottet, raucht und stinkt der Schandfleck Arubas, die grausliche Mülldeponie und rechts qualmt‘s aus den Schloten der Ölraffinerie.
In strömendem Regen erledigen wir den Papierkram, verabschieden uns von den wieder sehr freundlichen Beamten, bevor es dann um kurz vor 17 Uhr heisst: Anker auf, Curaçao – wir kommen. Mit der untergehenden Sonne motoren wir mit Unterstützung der Genua der Küste entlang, dem südlichen Ende der Insel entgegen. Bevor die Dunkelheit einsetzt, geniesst der relaxte Captain eine letzte Zigarre auf dem Vorschiff. Und nicht wie beim Törn von den US Virgins nach Aruba treffen die Prognosen dieses Mal voll zu. Eine leichte Brise von durchschnittlich 6 Knoten und ein leichter Schwell bescheren uns die vorausgesagte, herrliche Wetterlage für die Überfahrt. Einzig die Gegenströmung von 2 Knoten verbleit. Am Ende haben wir bei einem Schnitt von 5 Knoten Geschwindigkeit zwar 77,5 Seemeilen über Grund, aber knapp 100 Seemeilen durch das Wasser zurückgelegt. Sehr dankbar bin ich für den Umstand, dass wir auf der ganzen Strecke von den gefürchteten Gewittern verschont bleiben.
Wetterlage mit Gewitterneigung
An der Küste Venezuelas sind zwar immer Blitze zu beobachten, doch die bleiben glücklicherweise dort. Ein spannender Umstand ist, dass lange Zeit beide Inseln dank ihrer vielen Lichter gut auszumachen sind. Um kurz nach 6 Uhr erreichen wir die nördliche Spitze von Curaçao. Und auch dieses Eiland treffen wir in besonderer Wetterlage bei völliger Flaute an. In spiegelglattem Wasser motoren wir der Küste entlang, vorbei an Willemstad bis zur Einfahrt zu Spanish Waters. In dieser riesigen, weit verzweigten und gut besuchten Lagune fällt dann um kurz vor 8 Uhr der Anker in das ruhige und klare Wasser. Sofort organisiert Simone einen Mietwagen und noch vor der Mittagszeit brausen wir damit Richtung Hauptstadt zum einklarieren. Die Reihenfolge ist immer dieselbe. Zuerst zur Immigration, dann zum Zoll. Wo sonst die beiden Behörden zumindest nah beieinander liegen, trennen hier der Fluss und die sich hoch darüber spannende Brücke die beiden Amtsstellen.
Erschwerend kommt dazu, dass die Mittagszeit mit mindestens zwei stündiger Schliessung der Schalter naht. Sowie dem zusätzlichen Stolperstein, dass uns das Ankerpermit nur mit den Zollpapieren ausgehändigt wird. Und merke, dieses Ankerpermit gibt’s bei der Immigration, also links vom Fluss. Die Zollpapiere aber bekommt man auf der rechten Seite des Flusses. Mir wird fast schwindelig vom ganzen Hin und Her und irgendwann habe ich aufgehört zu zählen, wie oft wir über die Brücke brausten. Zur Stärkung kehren wir im Beach Club St. Tropez ein. Direkt am Wasser gelegen geniessen wir bei einem lauen Lüftchen unseren Lunch, bevor es ein weiteres Mal über die Brücke geht. Auch nach unterdessen vier Stunden Bürokratie vergehen uns weder der Humor noch die gute Laune.
Amtsschimmel erfordert Humor
Und schon gar nicht, als die beiden Captains beim Ersuchen um das Ankerpermit von der Vertreterin der Hafenbehörde allen Ernstes aufgefordert werden, ihre Boote zu zeichnen. Kein Witz! Denn bei einem Notfall möchten sie ja schliesslich unsere Schiffe finden… An diesem Nachmittag gibt‘s im Umkreis der Hafenbehörde bestimmt kein zweites Fahrzeug, wo vier Insassen so Tränen lachten. Das war‘s dann aber mit der Bürokratie, jetzt sind wir offiziell eingereist und dürfen bleiben. Wieder zurück auf der Vairea fallen wir bereits um kurz vor 21 Uhr todmüde ins Bett und schlafen tief und fest wie die Murmeltiere durch bis anderntags um 6 Uhr.
Was für eine gute Idee, den ersten ganzen Tag auf dieser Insel ganz relaxt anzugehen. Ausgerüstet mit Schnorchel, Tauchmaske und Flossen fahren wir einmal ums Eck an den Jan Thiel Beach. Für einen kleinen Obolus sind wir Tagesgäste im Beach Club. Und staunen gleich mehrfach. Maskenpflicht? Ein Fremdwort. Ausser in den offiziellen Gebäuden trägt hier niemand eine Mund-Nasenbedeckung. Und Abstand? An diesem Strand unbekannt. Da stehen die Liegen dicht an dicht. Für uns mehr als ein ungewohnter und befremdlicher Anblick. Auf dem Rückweg halten wir beim Supermarkt und stocken unseren Früchtevorrat auf. Interessant, dass auf Curaçao alles in der einheimischen Währung angeschrieben ist und der Antillen-Gulden auch als offizielles Zahlungsmittel genutzt wird. Anders auf Aruba, da dominierte der Dollar. Ein weiterer Unterschied ist bei der Herkunft der Touristen auszumachen. Hier kommen mindestens 90 Prozent der Urlauber aus Holland auf die Insel, der Anteil Amerikaner dagegen ist verschwindend klein.
Buntes Willemstad
Willemstad gilt als die bunteste Stadt der Karibik. Und noch viel farbenfroher sind die vielen Häuser rund um die Havenstraat, Ijzenstraat oder im Scharlooviertel. Tolle Graffitis einheimischer Künstler, sowohl mit- wie auch ohne politisches Statement, zieren die Anwesen. Völlig begeistert streifen wir durch die kleinen Strassen und verwinkelten Gässchen der Hauptstadt. Nur ein kleiner Hunger kann uns zwischenzeitlich stoppen. Zeitlich perfekt, denn eben kündigt das Bimmeln die Öffnung der Brücke an. Parallel dazu nimmt die Fähre ihren Dienst auf, jedermann soll trotzdem zeitig von der einen auf die andere Seite des Flusses gelangen. Nachdem ein riesiger Frachter aus dem Innenbereich passiert hat, schliesst der Wärter die Brücke wieder. Für uns wird es höchste Zeit nach Spanish Waters zurückzukehren, denn um 17 Uhr beginnt die Sailor’s Night.
Wöchentlich trifft sich die bunte und internationale Segelschar im nahegelegenen „The Pier“ zu Speis, Trank und geselligem Beisammensein. Ein lustiger und feuchtfröhlicher Abend endet für uns genau zur richtigen Zeit. Denn kaum auf der Vairea angekommen, öffnet der Himmel seine Schleusen. Starkregen prasselt auf unser Boot, Blitze erhellen während Stunden die Nacht und es kracht und donnert, als wolle die Welt untergehen. Für 3 Yachten endet diese Wetterlage mehr als unglücklich. Ihre Elektronik wurde durch die Blitze arg in Mitleidenschaft gezogen. Und das an einem Freitag dem 13.! Auch den ganzen Tag über will sich die Sonne nicht zeigen und es bleibt regnerisch. Holgers abendlicher Besuch bei uns an Bord bleibt der einzige Lichtblick des Tages. Wir geniessen ein gemütliches Beisammensein und freuen uns sehr, dass es endlich mit einem persönlichen Kennenlernen klappte.
Günstige Wetterlage für den Sint Christoffel
Es ist Sonntag geworden und doch schrillt der Wecker heute unchristlich früh. Raus aus den Federn, denn bereits um 7 Uhr braust das Dinghi der La Bohème heran. Die Wetterlage verspricht endlich wieder einen trockenen Tag, perfekte Bedingungen also für einen Tag im Nationalpark. Zusammen mit Simone und Peter wollen wir den Sint Christoffel bezwingen, seines Zeichens höchster Berg von Curaçao. Zwar nur 375 Meter über Meer, aber der Aufstieg hat sich wirklich gewaschen. Nur einmal steil bergan geht’s und mitunter wähnen wir uns schon fast auf einer Kletterexpedition. Entsprechend schweissnass geniessen wir nach einer Stunde einen herrlichen Ausblick über die Insel. Obwohl mir mein Knie absolut keine Probleme verursacht, habe ich nur vier Monate nach der Operation gehörigen Respekt vor der letzten Passage. Nicht umsonst heisst es „man soll nichts übers Knie brechen“.
Und so lasse ich meine Wandergspänli diese paar Meter alleine hoch kraxeln und warte knapp unter dem Gipfel auf ihre Rückkehr. Geniesse die herrliche Aussicht und den Anblick von etwa 30 kleineren grünen Papageien, die laut krächzend von einem Wipfel zum nächsten fliegen, bevor wir uns dann Alle wieder an den Abstieg machen. Diesen empfinde ich noch bedeutend anstrengender wie den Aufstieg. Zum Glück unbeschadet, dafür mit dreckigem Hosenboden, glücklich und eine weitere Stunde später haben wir aber auch das gemeistert. Zur Belohnung springen wir in die Badehosen und ins herrlich erfrischende und glasklare Wasser. „Grote Knip“ gilt als schönster Strand von Curaçao, sagt jedenfalls der hiesige Tourismusverband. Am Abend dann lesen wir, dass die Regierung von Curaçao aufgrund steigender Infektionszahlen neue Restriktionen beschlossen hat.
PCR-Test für Bonaire
Neu gilt per sofort überall Maskenpflicht, eine nächtliche Ausgangssperre bereits ab 21 Uhr und an den Stränden werden nur noch kleinere Gruppen von vier Personen geduldet. Da trifft es sich, dass wir eh auf dem Sprung nach Bonaire sind. Für die Einreise auf die dritte der ABC-Inseln benötigen wir einen negativen PCR-Test. Dieser muss 72 Stunden vorher übermittelt werden. Also geht’s gleich am Montag früh zu viert ins Lab de Med nach Willemstad. Zwar mit einem wesentlich dünneren Stäbchen als noch in Aruba, dafür aber mit drei Umdrehungen und 15 Sekunden Wartezeit, die laut mitgezählt werden, wird uns irgendwo zwischen Nasenwurzel und Kleinhirn ein weiteres Mal eine Probe entnommen. Um kurz nach 16 Uhr ist das Resultat da – Beide negativ.
Jetzt sind wir gespannt, ob uns das Ausklarieren am Dienstag wieder bürokratische Hürden beschert, oder ob wir dieses Mal schlank durch den Papierdschungel schlüpfen und uns auf die kurze Etappe nach Klein Curaçao machen können.