Oh Amore mio

Bis Amore mio sauer wird, braucht es viel! Ihn mürrisch zu erleben ist selten, doch am Vormittag des 16. März ist es soweit. Aber nicht etwa der südlich von Spanish Wells gelegene Current Cut ist der Grund, wie man annehmen könnte. Dieser schmale Durchgang, durch den das Wasser je nach Tide und Mondphase mit bis zu 8 Knoten fliesst. Nein, diese Stelle passieren wir zwar kurz vor Stillwasser mit immer noch 4 Knoten Gegenstrom, aber völlig problemlos. Die Ursache für seine schlechte Stimmung beginnt erst danach. Zwar nur gerade 20 Seemeilen entfernt liegt Hatchet Bay, unser heutiges Tagesziel.

Current Cut

Aber eben in östlicher Richtung, auf diesem mühsamen Dornenweg. Daher ist der Captain sogar ausnahmsweise bereit, die Strecke unter Motor zurückzulegen. Der Wind bläst uns zwar fast genau auf die Nase, aber nur mit 15 Knoten. Warum sich aber bei diesem nicht starken Wind eine dermassen fiese und steile Hackwelle aufbaut, bleibt uns völlig unerklärlich.

Was sich bewegen kann im Inneren, das klappert und wir bleiben sozusagen auf der Stelle stehen. Amore mios Laune wird immer düsterer, bis ihm der Geduldsfaden reisst. „Segel hoch, Motoren aus, wir kreuzen auf“, ruft er reichlich angesäuert. Das hilft zwar, denn Vairea schiesst jetzt mit 7 Knoten von einem Wellental ins nächste und von einer Seite der riesigen Bucht zur anderen. Doch dass es vor dem eindunkeln nie und nimmer bis Hatchet Bay reicht, ist uns schnell klar. Der einzige einigermassen geschützte Ort ist Mutton Fish Point, wo zu unserem Erstaunen tatsächlich bereits fünf arg schaukelnde Boote liegen. Bis zum eindunkeln werden es sogar neun sein. Scheinbar sind nicht nur wir von diesen ekligen Wellen überrascht worden. Die restlichen acht Seemeilen anderntags bis zur geschützten Hatchet Bay werden genauso ein Elend. Mühsam stampft die eingesalzene Vairea gegen die Wellen der Küste entlang.

Hatchet Bay Harbour

Da vorne müsste der Eingang sein meint Daniel. Doch ich sehe nichts, nur die hoch aufspritzende Gischt an den Wänden. Da schiesst wie aus dem Nichts ein Boot hinter einem Felsen hervor und ich bekomme fast Schnappatmung. Durch diesen schmalen Durchgang müssen wir durch? Ich bin fast sicher, das passt nie und nimmer.  Und einfach furchterregend, wie sich die Wellen vor dem Eingang brechen. Doch mein Captain hat Nerven wie Stahlseile! Er bringt Vairea in die richtige Position, ruft noch «Achtung, es geht los» und schon drückt er beide Motoren fast bis zum Anschlag. Während ich mir vor Aufregung fast ein Fingerbeeri abbeisse, schiesst Vairea wie ein Flugzeug durch die enge Passage.

Einfahrt nach Hatchet Bay Harbour

Und schlagartig wird das Wasser ganz ruhig auf diesem seeähnlichen Ankerplatz. Man hört nur noch mein Herz schlagen. Vom amerikanischen Katamaran Exodus kommen Glückwünsche zum gekonnten Manöver, als wir mit dem Dinghi bei ihnen vorbeifahren. Der Anblick unserer Einfahrt sei spooky aber sehr cool gewesen.

Hatchet Bay Harbour

An diesen kleinen Ort verschlägt es vermutlich bis auf die Segler weder Touristen noch Fremde, so unser Eindruck nach dem ersten Spaziergang. Das Dorf besteht aus vielen kleinen, zum Teil kunterbunt zusammengezimmerten Häusern und einer auffallend hohen Anzahl von Bars. Wo wir auf Leute treffen, schlägt uns ein warmes und freundliches Willkommen entgegen. An einem der zahlreichen Sandstrände geniessen wir einen kleinen Lunch mit Blick hinaus aufs seichte, türkisfarbene Wasser. Alles könnte so herrlich sein, wenn nur dieser Abfall nicht wäre, stellen wir enttäuscht fest. Ob Plastikflaschen, Einweggeschirr oder die vielen fortgeworfenen Masken, überall liegt der Unrat im Dorf verstreut. Und das ist kein angeschwemmter Müll, nein dieser Abfall ist hausgemacht.

Preacher’s Cave und Sapphire Hole

Glass Window Bridge

Emmet betreibt gleich beim Anlegesteg eine Bar und einen kleinen Lebensmittelladen und ist so etwas wie die gute Seele der Segler. Er weiss zu wem man Schmutz-Wäsche bringen kann oder welche Attraktionen man sich anschauen sollte. Und ich vermiete auch Fahrzeuge, erzählt er uns. Das trifft sich gut, benötigen wir doch für die Inselerkundung einen fahrbaren Untersatz. Wir sind uns schnell einig und warten am anderen Morgen geduldig auf das versprochene Auto. Natürlich dauert es «etwas» länger wie die karibischen zehn Minuten. Wir stoppen bei der bekannten Glass Window Bridge und geniessen von dort diesen speziellen Ausblick auf das dunkelblaue Wasser des Atlantik zur einen und das türkisfarbene Wasser der karibischen Lagune zur anderen Seite.

Preacher's Cave und Sapphire Hole

Ganz oben und fast am Ende von Eleuthera liegt Preacher’s Cave, eine riesige, zum Teil eingefallene Höhle wo die ersten europäischen Siedler auf den Bahamas unterkamen. Und an diesem geschichtsträchtigen, mystischen Platz entstand die erste bahamaische Verfassung, sozusagen das Rütli der Bahamas. Der wunderschöne und völlig einsame Strand gleich gegenüber mit dem puderweichen Sand eignet sich perfekt für einen kurzen und erfrischenden Badestopp. Und nur ein paar Fahrminuten entfernt zweigt der Weg ab zum Sapphire Hole. Zuerst ist die Versuchung gross von der hölzernen Plattform ins glasklare Wasser zu springen. Doch beim Anblick des sehr sportlichen Ausstiegs über eine Strickleiter und ein Tau lassen wir es lieber bleiben.

Tay Bay Beach

Sweetings Pond nahe Hatchet Bay Harbour

Zufahrt zu Lenny KravitzObwohl das Tor wirklich eher unscheinbar grau ist entdecken wir es. Es ist das Tor, das zu einer musikalischen Legende führt. Denn hier befindet sich das Musikstudio und der Zweitwohnsitz von Lenny Kravitz, dessen Mutter von Eleuthera stammt. Ihn bekommen wir leider nicht zu Gesicht. Nach einem kleinen Lunch im hübschen Dorf Gregory Town stoppen wir kurz vor Hatchet Bay und machen uns zu Fuss auf zum Sweetings Pond. Dieser grosse Salzsee wartet noch auf die Nationalpark-Anerkennung, weil dort Seepferdchen beheimatet sind. Leider ist unsere Suche nicht von Erfolg gekrönt, aber wenigstens hat uns das schnorcheln erfrischt. Enttäuscht sind wir von The Cave, einer Höhle gleich bei Hatchet Bay und wir fragen uns, warum solche Orte immer vollgekritzelt werden müssen. Vielleicht weil sie unbewacht sind?

Am Samstag ziehen wir bereits um 8 Uhr in der Sweetings PondFrüh los. Dieses Mal geht unsere Fahrt Richtung Süden. Immer wieder erhaschen wir einen Blick auf die unberührten Sandstrände und das herrliche Wasser, das heute schon viel ruhiger ist. Wir stoppen in Governor’s Harbour, dem Hauptort von Eleuthera. Leider hat die dort ansässige Bäckerei geschlossen und so wird es halt nichts mit dem berühmten Ananaskuchen. Dafür werden wir in der Island Farm mit einem grossen Angebot an herrlich frischem Gemüse, Salat, Früchten und einem Rumcake entschädigt. Für den Besuch des Leon Levy Native Plant Preserve, der grössten Attraktion von Eleuthera müssen wir an die Luvseite der Insel wechseln.

Leon Levy Native Plant Reserve

Leon Levy Native Plant Reserve

Der rund 10 Hektaren grosse Park, der im Jahr 2011 eröffnet wurde, bietet Lebensraum für Vögel, Schmetterlinge sowie einheimische Bäume, Sträucher, Pflanzen und Kräuter. Das amerikanische Ehepaar Levy machte es sich zusammen mit dem Bahamas National Trust zur Aufgabe, die Pflanzen- und Tierwelt der Bahamas zu bewahren. Wir sind völlig begeistert von diesem einmaligen Fleck Natur. Unglaublich, dass wir während unserer zweistündigen Wanderung durch das Gelände keiner anderen Menschenseele begegnet sind. Nach einem Lunch in der direkt am Meer gelegenen Beachbar Tippy’s machen wir uns dann auf den Heimweg. Tauschen bei Emmet den Schlüssel des Mietwagens gegen zwei Trink-Kokosnüsse, die er uns frisch vom Baum holt und aufschlägt.

Tippy's

Am 21. März dreht der Wind wie prognostiziert auf Nordost, für uns das Zeichen zum weiterzuziehen. Was für ein Unterschied! Bei der Ausfahrt ist das Wasser dank ablandigem Wind fast spiegelglatt. Wir setzten das Grosssegel im 2. Reff, ist doch einiges an Wind für die knapp 24 Seemeilen lange Fahrt vorausgesagt. Es wird ein herrlicher und vor allem schneller Segeltag. Und Amore mio ist wieder richtig versöhnt mit sich und der Welt. Vor Ten Beach, einem langen Sandstrand gesäumt mit Casuarinabäumen fällt der Anker bereits drei Stunden später ins glasklare Wasser. Wir bleiben die nächsten zwei Tage hier, geniessen das Baden und Schnorcheln im warmen Wasser bevor wir uns dann noch etwas südlicher in den Rock Sound verlegen und dort auf das passende Wetter für die Überfahrt nach Little San Salvador und Cat Island warten.

Ten Bay Beach

Eleuthera vermochte uns vor allem mit der wunderschönen Natur und den freundlichen Menschen zu begeistern. Sehr dankbar sind wir für das Privileg, dass wir die Schönheiten der Landschaft praktisch überall fast alleine geniessen konnten.

Im März 2022 in Hatchet Bay Harbour

Unsere Reise im Überblick Unsere Schatzkiste

2 Kommentare zu „Oh Amore mio“

  1. So schön ihr Lieben, besonders dass Ihr dann doch noch entschädigt wurdet…, Eleuthera war letztes Jahr auch eine meiner Lieblingsinsel

    1. Danke herzlich ihr Lieben. Ja, wir wurden allerdings so sehr verwöhnt bisher. Und dass Dir Eleuthera so gut gefallen hat, kann ich nur zu gut verstehen 🙂 Ganz liebe Grüsse zu Euch Beiden

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