Also mein Captain hat eindeutig einen guten Riecher und den Beweis dafür liefert er am 6. Juni. Wir sind gemütlich unterwegs nach Beaufort und passieren eben die gelbe Tonne C vor dem Bogue Inlet. Beobachten ein Sportfischerboot, welches vor uns in langsamer Fahrt auf das Seezeichen zusteuert, als Daniel in völliger Überzeugung in die Küche ruft: Da vorne hat‘s Fisch. Ach ja, was Du nicht alles behauptest, murmle ich und rühre weiter in der Tomatensauce. Von wegen Behauptung, antwortet er und will eben zur Begründung seiner Theorie ansetzen, als die Angelrute ausrauscht. Donnerwetter nochmal, also das ist jetzt allerdings etwas unheimlich! Während Daniel wild an der Angel kurbelt, gelobe ich ziemlich kleinlaut, Captains Angel-Kompetenz und seinen guten Riecher nie mehr in Frage zu stellen. Schnell stelle ich das Gas ab, ziehe den Topf vom Feuer und greife wunschgemäss zur Gaff.
Entgegen der Befürchtung, dass wieder ein Barrakuda am Haken hängt, zappelt dieses Mal ein stattlicher Bonito am Köder. 55cm lang, ruft ein stolzer und strahlender Captain und beginnt umgehend, den armen, inzwischen mausetoten Fisch fachmännisch zu filetieren. Es bleibt leider kaum Zeit, den erfolgreichen Angler für die Abwechslung im Speiseplan zu loben. Die Einfahrt von Beaufort ist unterdessen erreicht. Kaum sind die Segel geborgen, müssen wir einem entgegenkommenden, grossen Frachter ausweichen, bevor wir uns zwischen gefühlt 100 Fischerbooten einreihen, die auf ihrem Heimweg nach Morehead oder Beaufort sind. Direkt gegenüber der Marina und der hübschen Waterfront fällt dann unser Anker kurz nach 17 Uhr ins trübe Wasser des Taylor Creek.
Beaufort
Beaufort kommt mir nach den ersten Rundgängen vor wie die Miniaturversion von Charleston. Genau so hübsch, einfach ein paar Nummern kleiner und beschaulicher. Im historischen Teil der Kleinstadt treffen wir auf herausgeputzte Häuser in diesem typischen Südstaatenstil. Bestaunen die liebevoll angelegten Vorgärten, oft gesäumt von einem herrlichen, alten Baumbestand. Vor dem Welcome Center wartet ein ausgedienter London-Bus auf Touristen für eine nächste Führung und drinnen werden wir von einer Dame in Kleidung aus dem letzten Jahrhundert aufs herzlichste begrüsst. Wir wähnen uns ein bisschen in einem Freilichtmuseum, fühlen uns aber sehr wohl und willkommen.
Geniessen mit Heike und Jürgen von der SY Valentin ein Bier auf der Terrasse des Moonraker und lassen uns im Black Sheep eine ausgezeichnete Pizza schmecken. Entgegen meiner Befürchtung, eine typisch dicke, amerikanische Version serviert zu bekommen, geniesse ich eine mit diesem dünnen, typisch italienischen Boden. Alles scheint perfekt, nur mit dem Wunsch nach einem Mietwagen kommen wir einfach nicht weiter. Nicht einmal die netten Damen im Welcome Center können uns einen fahrbaren Untersatz herzaubern, kennen aber den Grund der Fahrzeugknappheit: Corona! Doch was soll‘s, der nächste Lebensmittelladen ist zu Fuss eine knappe halbe Stunde entfernt, problemlos machbar. Und wir freuen uns riesig, dass auch die Städteplaner in Beaufort an Trottoirs für die Fussgänger gedacht haben.
Beim Piggly Wiggly aufgegabelt
Mit zwei gut gefüllten und schweren Rucksäcken machen wir uns dann vor dem Mittag auf den Weg zurück vom Piggly Wiggly Supermarkt. Eben im Begriff, eine kleinere Quartierstrasse zu überqueren, stoppt ein Fahrzeug und die Fahrerin lässt uns mit eindeutigen Handzeichen passieren. Wir sind noch nicht auf der anderen Strassenseite angekommen, da hören wir die Dame durchs offene Fenster rufen: „Hey boaters, come on, I’ll give you a lift to the marina“. Du, sie meint tatsächlich uns, sage ich zu Daniel. Wie liebenswürdig, dass sie uns zur Marina mitnehmen, herzlichen Dank. Nur, fragen wir uns, woher weiss sie, dass wir Segler sind? Ich habe einfach einen guten Riecher für Segler, gibt sie uns lachend zur Antwort. Heiliger Bimmbamm, schon wieder jemand mit dieser Gabe!
Und dann wird es richtig abenteuerlich, denn die ältere, aufgestellte Lady am Steuer heisst Dianne Tetrault, war als passionierte Seglerin jahrelang mit eigenem Boot unterwegs, bevor sie in Beaufort sesshaft wurde und jetzt unter anderem als Port Officer des OCC, des Ocean Cruising Club tätig ist. Ein Anliegen dieses Vereins ist es, Seglern bei Fragen zu helfen oder ihnen bei Problemen unter die Arme zu greifen. Seit knapp einem Jahr sind wir ebenfalls Mitglieder dieses Vereins, was Dianne ihrerseits mit einem erstaunten holy cow kommentiert. Ja wirklich unglaublich, sagen wir alle zueinander, die Welt ist definitiv ein Dorf. Von den etwas über 5000 Einwohnern von Beaufort läuft uns exakt diese Frau über den Weg. Das ist mehr als nur ein Zufall. Dianne lässt sich nicht abhalten, noch ein paar Extraschlenker durch den Ort zu fahren und erklärt uns wo wir überall hin müssen und was wir keinesfalls verpassen dürfen.
Farmers Markt & Maritime Day
Am Samstag erwarte ich Euch dann nach dem Farmers Market zum grossen Maritime Day im Gallants Channel. Und übrigens, ruft sie uns noch durchs offene Fenster zu, wenn ihr zum Einkaufen zum Lidl nach Morehead wollt, ich fahre Euch jederzeit hin. Das war jetzt doch einfach ein ganz verrücktes Zusammentreffen, sagen wir uns mehrfach auf dem Weg zurück zur Vairea! Und so ein herzliches und gastfreundliches Willkommen. Für Dani und mich speziell und ungewöhnlich, für Dianne aber völlig normal wie sie mehrfach betonte. Ja, wir fühlen uns richtig gut angekommen und willkommen an der Ostküste der USA!
Kaum 24 Stunden später finden wir eine Nachricht in unserer Mailbox vor, Absender ist unsere Dianne Tetrault. Für Euch wird der kommende Samstag ein busy Tag steht da, denn ihr seid am Abend in den privaten Morehead Beaufort Yacht Club eingeladen. Ihr sollt die Chance bekommen, viele tolle Leute aus Nord Carolina kennenzulernen. Wir alle freuen uns auf Euch und ich hole Euch um 18 Uhr ab! Wie cool ist das denn. Ja gerne kommen wir, freuen uns schon sehr darauf weitere so liebenswürdige Leute wie Dich kennenzulernen.
Mit einer Schüssel Reissalat und einer Flasche Wein unter dem Arm machen wir uns mit grosser Vorfreude pünktlich auf Richtung Land. Dianne erwartet uns bereits, scheucht uns vor dem nächsten Regenguss zu ihrem Wagen. Zusammen brausen wir nordwärts, Richtung Yachtclub, der ganz idyllisch mitten im Grünen am Ufer des ICW liegt. Mindestens 40 Paar Hände schütteln wir zur Begrüssung im imposanten Clubhaus. Werden von Jeder und Jedem ganz herzlich willkommen geheissen, müssen und dürfen Allen immer wieder versichern wie gut es uns in Beaufort gefällt und werden unablässig über unsere Atlantiküberquerung befragt.
Zu Gast im Morehead Beaufort Yacht Club
Die eine oder der andere erzählen von ihren Aufenthalten in der Schweiz oder wie gerne sie nach Europa reisen würden. Die langen Tische biegen sich unter den vielen Leckereien und mir platzt beinahe der Bauch. Zum Abschluss hantiert Dianne mit Alufolie herum und steckt uns vom fein gebratenen Fleisch in die Tasche. Nicht, dass ihr mir verhungert, meint sie und oh Himmel, herzlichen Dank aber an die Portionen werde ich mich einfach nie gewöhnen, stöhne ich innerlich. Am Montag will sie mit mir einkaufen gehen, sagt sie auf dem Rückweg, wir besorgen Euch einen Weihnachtsbaum. Aber nicht einen gewöhnlichen, nein einen aus Hummerkörben recycelten und ganz wichtig einen zusammenklappbaren, platzsparenden. Einen mit Lichtern und selbstverständlich rostfrei, strahlt sie. Nein sagen? Keine Chance. Bevor die herrliche Dianne am Abend dann bei uns zu Gast ist, gehen wir also Mitte Juni noch einen Weihnachtsbaum besorgen.
Mit vollen Bäuchen und auf dem Rücken liegend sind wir uns nicht nur an diesem Abend absolut sicher, mit Beaufort hatten wir definitiv den richtigen Riecher!
Ihr Lieben. Einfach wieder so wunderbar geschrieben, dass man für ein paar Minuten mit dabei ist. Danke!
Ganz herzlichen Dank für dieses tolle Kompliment. Und riesig ist die Freude, wenn ihr bei uns seid ihr Lieben!