Knappe fünf Stunden gondeln wir gemütlich von der Calabash Bay ganz im Norden von Long Island gelegen südwärts zur Thompson Bay. Vairea gleitet über das helle türkisfarbene Wasser, das sich wieder wie eine samtene Fläche bis weit zum Horizont erstreckt. Das Gefühl der schier unendlichen Weite verursacht mir immer wieder eine wohlige Gänsehaut. Leider keine Chance, diesen Eindruck auf einem Foto festzuhalten.
Die Ankerbucht ist riesig und das Wasser beinahe topfeben. Vorfreude kommt auf, denn diese Konstellation verspricht eine herrlich ruhige Nacht. Von der Lille-Venn winkt uns Barbara schon mit beiden Armen zu, der Lebensmittelladen gleich oberhalb der Dinghi-Anlegestelle sei nach der Ankunft des Versorgungsschiffs besonders gut sortiert. Und für mich ganz wichtig, es gebe Bananen. Dass ich der gelben Frucht nicht widerstehen kann, muss sich herumgesprochen haben. Das Angebot an frischem Gemüse und Früchten ist wirklich toll und die Versuchung, alles in den Einkaufskorb zu packen gross. Allerdings halte ich mich etwas zurück, denn übermorgen ist Samstag und der frühmorgendliche Besuch auf dem Farmers Market im Dorf ein Must.
Mit Barbara und Ralph verabschieden wir den Tag auf der Vairea und geniessen einen freundschaftlichen Abend zu viert. Italienische Lebensfreude auf Long Island mit Spaghetti, Wein, viel Lachen und bis weit in die Nacht hinein. Dani und Ralph kümmern sich anderntags auf der Lille-Venn um ihren muckenden Gennaker und ich rücke der etwas salzigen Vairea mit dem Putzlappen zu Leibe. Am Nachmittag laufen kurz nacheinander auch die La Bohème und die Invia in die Bucht ein. Das Zusammentreffen muss gefeiert werden. Die lustige Runde in Tiny‘s Hurricane Hole wird immer grösser, denn auch Andrea und Andreas von der Akka haben ihren Weg zur Strandbar gefunden. Nach einem Kaffee- und leckeren Kuchenstopp auf der Lille-Venn fallen wir wieder etwas später, pappsatt und glücklich in die Federn.
Farmers Market in der Thompson Bay
Es ist Samstag geworden und bereits vor acht Uhr braust ein Dinghi nach dem anderen mit noch etwas verschlafener Crew Richtung Anlegestelle. Der Farmers Market ruft! Ich werde etwas an die Handwerksmärkte erinnert, die damals in der Schweiz besonders rund um die Weihnachtszeit ihren festen Platz hatten. Nebst zwei oder drei Bauern mit ihren Produkten bieten einheimische Künstler oder Handwerker Selbstgemachtes an. Alles schön und vor allem liebevoll präsentiert.
Ralph erklärt uns den Weg über den Hügel hinüber auf die windzugewandte Seite und kurz nach dem Mittag ziehen Dani und ich los. Was für eine betörend schöne Natur, sind wir uns zwei Stunden später wieder auf unserer Vairea einig. Wir wollen mehr von dieser Insel sehen, genau wie Simone und Peter und so mieten wir uns wieder und wie schon so oft zusammen ein Auto. Die Frage, wer fahren soll, ist schnell geklärt. Auf der Insel herrscht Linksverkehr, klarer Heimvorteil für einen Engländer. Und zudem, man soll nie Altbewährtes verändern. Like in the good old days, schmunzelt Peter, bevor er sich auf den Fahrersitz schwingt. Hinter uns reihen sich Dorothee und Stephan ein, die ebenfalls einen Wagen angeheuert haben.
Kirche mit einem Dornenwächter
Wie schon auf Great Inagua steht auch hier ein Gotteshaus nach dem anderen entlang unseres Weges Richtung Süden. Kleine, wuchtige, sehr malerische, in die Jahre gekommene oder gepflegte Gebäude. Andachtsorte der Anglikaner, der Katholiken oder der Baptisten. Eines aber erregt unser Interesse, hauptsächlich aber wegen des Baumes im Friedhof. Unter dem riesigen Blätterdach des mutmasslich uralten Baumes entdecken wir eine noch nie gesehene Absonderlichkeit, die Äste sind mit scharfen Dornen gespickt. Es handelt sich um einen Kapok- oder Wollbaum, der bis 500 Jahre alt werden kann. Interessant, dass je älter der Baum wird, umso mehr Dornen verliert er.
Im kleinen Friedhof erregt ein Grab meine Aufmerksamkeit. Die liebevollen und handgeschriebenen Zeilen auf Steinplatten und Krügen eines Ehemannes an seine verstorbene Frau berühren mich sehr. Ich hätte zu gerne mehr über diese Liebesgeschichte erfahren.
Dean’s Blue Hole
Die Inseln der Bahamas sind gespickt mit Blue Holes, Löchern im Dach eines Saumriffes. Das Dean’s Blue Hole im Süden von Long Island ist besonders bei den Apnoetauchern berühmt und mit seinen 200 Metern gar das zweittiefste der Welt. Als uns eine Freitaucherin kurz vor ihrem Gang in die Tiefe erzählt, dass sie nur mit ihrer Atemluft bis auf 100 Meter hinabsteigt, stellen sich mir trotz der Hitze die Haare auf. Wir haben zwar kein Tauchzubehör dabei, aber alles zum Schnorcheln. Peter lässt die Drohne steigen, die mit spektakulären Bildern zurückkommt. Ganz besonders aus der Höhe ist dieses tiefblaue und kreisrunde Loch inmitten von Strand und türkisfarbenem Wasser ein Eyecatcher.
Unterdessen ist es kurz vor dem Mittag an diesem Sonntag, die Gottesdienste beendet und auch Mr. Cartwright ist daher wieder zurück. Ein für uns wichtiger Mann, denn er ist in Person Eigner und Tourguide der Hamilton’s Cave, dem grössten Höhlensystem auf den Bahamas. Er rüstet uns am Eingang mit Taschenlampen aus und führt uns durch das unterirdische Labyrinth wie durch sein Wohnzimmer. Dreierlei Arten von Fledermäusen, Bananenspinnen oder Wespen wohnen in den weitverzweigten Höhlen. Aber auch über so eklige Tiere wie Termiten und Kakerlaken erzählt er uns und mich schauert es ganz fürchterlich, wenn der Schein seiner Taschenlampe diese Insekten erfasst. Wieder draussen empfiehlt uns der nette Höhlenbesitzer beim Abschied den Besuch im Shrimp Hole. Kommt uns ganz gelegen, liegt dieser Ort doch auf unserem Rückweg.
Shrimp Hole
Wir sehen zwar das Hinweis-Schild zu diesem Hole, aber da steht nur eine etwas verfallene Kirche. Doch hinter der Ruine entdecken wir den Weg, der entlang von Bäumen und Büschen ins Landesinnere führt. Nach einem kurzen Fussmarsch kommen wir bei dieser natürlichen Wassergrotte an. Bewohnt wird sie, wie es ihr Name sagt, von roten Shrimps. Die Einheimischen sollen sich hier an den Wochenenden gerne abkühlen. Wir geniessen den etwas verwunschen wirkenden Platz dieses Mal nur vom sicheren Land aus, bevor wir das Knurren unserer Mägen nicht mehr länger ignorieren können.
Abschied vom Wohlfühlort Thompson Bay
Nach einem wundervollen Essen im Restaurant Chez Pierre machen wir uns auf den Rückweg, denn den Sundowner wollen wir noch einmal im Tiny‘s Hurricane Hole verbringen. Zusammen mit den Crews der Flora und Easy-One, die unterdessen ihren Anker ebenfalls in der Thompson Bay fallen gelassen haben. Morgen, bereits in der Frühe, segeln wir wieder etwas weiter. Die Exumas rufen. Es ist nur leichter Wind prognostiziert und daher werden wir unser Ziel Georgetown und Stocking Island vermutlich in zwei Etappen erreichen.
Tolle Eindrücke- und Klasse Erlebnisse , weiter so- es ist eine echte Freude, dass wir Euch kennen gelernt haben und Deine Frohnatur ist einfach genial
Ihr Lieben, das ist es! Wir empfinden es als grosse Freude, dass wir uns über den Weg gesegelt sind. Und hoffentlich verbringen wir noch manche lustige und interessante Stunde zusammen. Es ist schön, Euch-zwei so liebenswürdige und aufgestellte Menschen-zu kennen.
Vielen lieben Dank für deine/eure wundervollen, gut geschriebenen Geschichten, die mich immer so mitnehmen, als dürfte ich hautnah dabei sein. Besonders wertvoll für mich, da ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in die Karibik kommen werde und mit Kroatien vorlieb nehmen muss – auch nicht das schlimmste Schicksal… Euch wünsche ich noch viele schöne Erlebnisse, aber vorallem, bleibt gesund!
Deine Zeilen berühren sehr, liebe Helge. Ganz herzlichen Dank für das tolle Kompliment. Es ist uns eine grosse Freude, wenn wir Euch auf unseren Reisen mitnehmen können. Wir segeln noch eine ganze Weile durch die Inselwelt der Bahamas und laden Euch ein, weiter mit an Bord zu sein.
Ganz herzliche Grüsse nach Kroatien, alles Liebe und beste Gesundheit