Nach dem schweinischen Erlebnis am White Bay Cay wird’s magisch. In zweierlei Hinsicht. Zum einen, weil mich der Ankerplatz vor Rudder Cut Cay absolut verzaubert und zum anderen, weil der Besitzer dieser und ein paar Nachbarinseln David Copperfield ist. Ja genau der. Ich musste allerdings das Internet zu Hilfe nehmen und recherchieren. Hatte keine Ahnung, ob Herr Copperfield überhaupt noch unter uns weilt und wenn ja, wie alt er ist. Der Illusionist, der als Solokünstler so viele Tickets verkauft hatte wie kein anderer, war nicht nur aus meinem Bewusstsein, sondern auch komplett aus den Medien verschwunden. Es sei verraten, auch an diesem Beau vergangener Tage ist die Zeit nicht unbemerkt vorbeigegangen und man sieht ihm seine 64 Lenze an. Was ihm hier rund um Musha Cay und Rudder Cut Cay gehört, ist dagegen ein zeitloses Paradies.
Wir geniessen es, mit den grünen Meeresschildkröten im seichten Wasser zu schnorcheln und entdecken das versunkene Piano am Meeresgrund sowie die adrett davor drapierte Meerjungfrau, beides aus Stein und vor vielen Jahren von Mr. Copperfield zur Belustigung seiner Gäste im Wasser versenkt. Gross ist die Begeisterung, als die Anixi einläuft und uns Nora via VHF ganz stolz von ihrem kapitalen Fang erzählt. Mahi-Mahi für Alle! An Bord der La Bohème und der Vairea werden flink Salatschüsseln gefüllt und von der Lille-Venn weht der Duft des berühmten Barbara-Brotes über das Ankerfeld. Ein weiteres Mal stellen Barbara und Ralph in so grosszügiger Art und Weise ihr Zuhause für unser Zusammenkommen zur Verfügung. Ralph brät die von Hacko filetierten Stücke perfekt auf den Punkt, in den Gläsern funkelt der Wein und hinter der Lille-Venn geht langsam die blutrote Sonne unter. Momente für weiche Knie.
Abschied am Rudder Cut Cay von der Lille Venn
Und trotzdem schlucke ich schwer. Der nahende Abschied lässt sich jetzt nicht mehr länger verdrängen. Schon übermorgen ist es soweit. Wir wussten, dass der Rudder Cut Cay die Wende einer langen gemeinsamen Zeit bedeutet. Während wir weiter nordwärts segeln, liegt das Endziel der Lille-Venn-Crew in Curacao, also in der entgegengesetzten Richtung. Wir geniessen jede Minute und für uns steht ausser Frage, dass die Freundschaft diese paar läppischen Seemeilen überdauert. Nur jetzt geht es doch plötzlich schnell und alles ist das letzte Mal. Der Farewell-Brunch an Bord der La Bohème, bevor Simone und Peter den nächsten Ankerplatz ansteuern. Der letzte Topf Spaghetti und Vino Rosso am Vorabend der Verabschiedung. Nur die sonst unbeschwerte, fröhliche Stimmung kommt bei keinem von uns Vieren auf.
Am letzten Apriltag heben wir bei Hochwasser den Anker, verabschieden uns mit winken und hupen von Barbara und Ralph, rollen das Vorsegel aus und begeben uns auf die Weiterreise. Vorbei an Musha Cay geht die Fahrt, bei leichtem Wind gleiten wir beinahe schwerelos über das fast topfebene Wasser. Nach etwas mehr als fünf Stunden herrlichem segeln sind die Abschiedstränen getrocknet und mit Black Point unser nächstes Ziel erreicht. In der Sunset View Bar fast am Ende der kleinen Promenade geniessen wir zusammen mit Simone und Peter die einmalige Aussicht und lassen ein herrlich kühles Bier durch unsere Kehlen rinnen. Im Alderley Supermarket wird uns die Nähe zum Touristen-Hotspot Staniel Cay bewusst. Die Preise hier sind um einiges höher wie noch im Supermarkt auf Long Island oder auch George Town.
Vom Rudder Cut Cay nach Black Point und Staniel Cay
Aber dafür werden wir beschenkt. Mit einer Sapodilla, einer mir unbekannten Frucht, die gemäss der Shop Inhaberin wie eine Kiwi schmecken soll. Noch sind unsere zwei Exemplare hart, der Geschmackstest steht also noch aus. Es bleibt tierisch, denn nach rosa borstig folgt braun geschuppt, nach den Schweinen folgen die Iguanas. Schon bei der Anfahrt auf diese Naturinsel sehen wir die Echsen am Strand. Die Tiere scheinen auf Boote konditioniert zu sein und wieseln innert kürzester Zeit gierig um unsere Füsse herum. Simone und ich haben grossen Respekt vor den scharfen Krallen dieser Leguane und verabreichen ihnen die Salatstücke nur mit gebührendem Abstand. Ich kann nichts dafür, dass der Hügel hinter dem Strand anschliessend bestiegen werden muss, das liegt halt einfach in meinen Genen.
Das Wasser ist zu kabbelig, ein entspanntes über Nacht liegen vor diesem Strand eher unwahrscheinlich und daher fahren wir ein paar Seemeilen bis Staniel Cay. Pünktlich zum Niedrigwasser sind wir bereit für den Besuch der Thunderball Grotte, bekannt aus dem gleichnamigen James Bond Film aus dem Jahr 1965. Einmal durch den relativ schmalen Durchgang geschnorchelt, öffnet sich die Grotte. Etwas Licht fällt durch das kreisrunde Loch an der Decke ein. Nett, aber nicht spektakulär lautet unser Fazit. Amüsant fanden wir mehr das Verhalten der vielen Schnorchler.
Big Majors Spot
Sollen wir oder sollen wir nicht, nach dem Fake Pig Beach mit den unverdorbenen Schweinen auch noch die Borstentiere am Big Majors Spot besuchen? Ich bin eher abgeneigt, zumal mir Segelbekannte berichtet haben, dass sie beim Besuch sogar gebissen wurden. Da der Ankerplatz aber so gut geschützt ist, fahren wir halt hin. Spähen nach dem Ankermanöver gespannt Richtung Strand, ob und was sich bei den Schweinen so tut. Es wird 9 Uhr, doch weder Vierbeiner noch Ausflugsboote mit Zweibeinern sind in Sicht. Das ist unsere Chance, sagen wir uns und wagen mutig die Annäherung. Beide sind wir darauf vorbereitet, nach dem Anlanden möglicherweise von Kampfsauen attackiert zu werden. Doch überhaupt nichts dergleichen geschieht! Die etwa 50 Schweine bleiben lieber an ihren Schattenplätzen und lassen sich nicht im Geringsten durch uns bei ihrem Schlaf stören.
Zwei jüngere Exemplare jedoch finden grossen Gefallen an Dani, liegen lang ausgestreckt zu seinen Füssen und lassen sich wohlig grunzend den Bauch kraulen. Als sich kurze Zeit später ein Ausflugsboot mit Touristen nähert, kommt Bewegung in die Truppe. Wie auf ein Kommando hin bewegen sich alle mit flottem Tempo Richtung Wasser. Die schlauen Tiere erkennen raschelnde Futtersäcke schon von weitem. Für uns wird es nach unserer schönen und völlig problemlosen Begegnung jetzt Zeit wieder zurück auf die Vairea zu fahren. Weiter geht’s, zum Cambridge Cay, so lautet der Plan. Das Ankermanöver ist in vollem Gang, nur noch den Anker muss ich mit der elektrischen Winsch hochziehen, als das Teil schlagartig seinen Dienst quittiert.
Die Ankerwinde streikt
Zum Glück lässt sich die Kette wieder ausfahren und der Captain kümmert sich sofort um das streikende Teil. Sein Urteil ist schnell gefällt und vernichtend. Die Ankerwinsch ist nach bald sieben Jahren im Gebrauch hinüber. Einen Ersatz auf den Bahamas zu kriegen ist vermutlich schwer möglich und das Problem wohl erst in den Staaten lösbar. Doch ich muss mir überhaupt keine Gedanken machen, denn mein schlauer und vorausschauender Captain hat damals in weiser Voraussicht auf Aruba eine neue Ankerwinsch bestellt. Und diese braucht er jetzt nur hervorzuholen, einzubauen und gut ist.
Peter und Simone haben zwischenzeitlich ihre Fahrt unterbrochen und sind direkt hinter uns wieder vor Anker gegangen. Kurze Zeit später zeigt sich, was Freundschaft bedeutet. Wir fahren nicht weiter, bevor euer Problem gelöst ist, ist für den Captain der La Bohème klar, als er zur Unterstützung auf die Vairea kommt. Drei Stunden lang arbeiten die Beiden trotz sengender Hitze Hand in Hand, unermüdlich und schweissnass bis sie hoch zufrieden vermelden können, es ist alles wieder ok. Den leckeren Lunch und ein paar kühle Biere danach haben sich die beiden Champions mehr als verdient.
Little Halls Pond Cay
Unterdessen liegen wir wieder vor einer privaten Insel, dieses Mal heisst der Besitzer von Little Halls Pond Cay Johnny Depp. Sein kleines Paradies kann allerdings nicht ganz mit dem magischen Rudder Cut Cay mithalten. Denn eine sehr starke Strömung lässt Vairea so sehr am Anker umhertanzen, dass ich meinen Captain am späteren Nachmittag bitte, an eine der Mooring Bojen ums Eck zu wechseln. Dort soll es viel ruhiger sein. Glück gehabt, noch genau eine ist frei. Dani stutzt etwas, denn diese Boje liegt praktisch über dem Flugzeugwrack.
Doch trotz Kontrolle findet er keinen sonst üblichen Vermerk an der Boje. Wir haben Vairea eben dran festgemacht, als uns von der Invia eine Nachricht erreicht. Achtung, schreibt Stefan, die Boje ist nur am Flugzeug befestigt, sie ist nicht für das Gewicht von Yachten ausgelegt sondern für die Dinghis der Schnorchler gedacht. Um ein Haar hätten wir womöglich ein Flugzeugwrack geborgen, sagen wir uns mit Tränen vor Lachen in den Augen. Und so endet der Tag zwar etwas hektisch und Vairea liegt nach viel hin und her wieder wie zu Beginn vor Anker. Aber wir können jetzt einen weiteren wunderschönen Sonnenuntergang geniessen, ohne uns dauernd im Kreis zu drehen.