Ganz schön viel Wind sagen die Prognosen voraus, als wir am Morgen des 3. Juni auf dem Ashley River in Richtung offenes Meer fahren. Bis zu 30 Knoten in den Böen soll es blasen, lesen wir kurz bevor wir den Anker hoch nehmen. Doch nach bald sieben Jahren unterwegs machen mir solche Windtempi keine grossen Probleme mehr. Denn zum einen werden wir zeitig im 230 Seemeilen entfernten Beaufort NC ankommen und zum anderen binden wir zur Sicherheit immer ein Reff ins Grosssegel. Und nach den Erfahrungen der so vielen herrlichen, unbeschwerten Champagner-Segeletappen in letzter Zeit käme mir gar nicht in den Sinn, dass es auch ganz anders kommen könnte. Der erste Squall braust heran, kaum haben wir das offene Wasser erreicht. Rechtzeitig bergen wir die Segel und setzen sie neu, nachdem der Gewittersturm vorbei ist.
Was uns zu dem Zeitpunkt bereits stutzig macht, ist der fehlende Wind. Wo es mit den prognostizierten 18 Knoten blasen sollte, spüren wir nur ein laues Lüftchen. Wenn das so weiter geht, könnte es knapp werden mit der Ankunftszeit morgen vor Einbruch der Dunkelheit. Der Captain ist noch tiefenentspannt und meint, der Wind kommt schon noch. Was schon kommt und zwar im Eilzugstempo, ist der nächste Squall. Konzentriert beobachten wir seine Zugbahn auf dem Radar, bis klar ist, die Segel müssen wieder runter. Kaum ist alles Tuch geborgen gehen die Anzeigeinstrumente hoch, gefolgt vom typischen und gefürchteten Winddreher. Blitze zucken, Donner grollt, Petrus öffnet die Schleusen und ein weiteres Mal prasselt Starkregen auf die Vairea nieder. Die nassen Klamotten tropfen von den Wäscheleinen und unterdessen laufen beide Motoren.
Squall über Squall
Weltuntergangsstimmung! Um kurz nach 1 Uhr in der Nacht rollen wir die Genua aus, müssen sie aber bereits eine knappe Stunde später wieder einrollen, der nächste Squall quält uns. Es blitzt von allen Seiten und donnert unterdessen pausenlos, zum Teil knallt es ohrenbetäubend. Die elektronischen Geräte sind sicherheitshalber alle im Ofen und mir sitzt die Angst im Nacken. Von allem hat es auf dieser Passage viel zu viel, nur von einem viel zu wenig. Denn zwischen den Squalls und den Gewitterstürmen bläst es nach wie vor mit nur knapp 5 Knoten. Ein Ankommen in Beaufort ohne eine weitere Nacht auf See ist in weite Ferne gerückt. Und so entscheiden wir uns wohl oder übel zum Abbruch. Beschliessen um vier Uhr in der Früh, den Masonboro Inlet anzulaufen und bei Wrigthsville Beach vor Anker zu gehen.
Verrückt, wie wenn das Wetter ein Einsehen hätte, frischt der Wind nach der Richtungsänderung auf und wir können doch tatsächlich segeln. Aber ätsch, zu früh gefreut, denn uns erwischt nach gerade einmal 30 Minuten die nächste Gewitterzelle. Im Segelbergen sind wir unterdessen sowas von trainiert und nässer können wir auch nicht mehr werden. So richtig glücklich bin ich, dass unsere Ankunftszeit perfekt mit der Tide zusammenpasst. Ich will gar nicht dran denken, wenn wir bei diesen Bedingungen hätten draussen warten müssen! Und so tasten wir uns mit einlaufendem Wasser und uns schiebenden Wellen im Blindflug auf dem Inlet vorwärts.
Trockene Ankunft in Wrightsville Beach
Just, als wir zur ersten Flusskehre kommen, zeigt das Unwetter ein Erbarmen und stellt das Gewitter und den Regen ab. Halleluja und ja gerne, ich bevorzuge das Ankermanöver allerdings bei trockenen Bedingungen! Nach 20 Stunden fällt der Anker ins Wasser und hält zum Glück bombenfest. Dani greift sofort zum Telefon und ruft den CBP-Officer an, denn die Ankunft in einem neuen Staat muss umgehend gemeldet werden. Auch an unserer ersten Stelle in North Carolina werden wir super freundlich empfangen. Am Nachmittag setzen wir mit dem Dinghi über und geniessen einen ersten Spaziergang dem ellenlangen Strand entlang. Ein familienfreundlicher Ort sei dies, schreibt mein Reiseführer und die Hauptattraktion von Wrigthsville Beach sei eben dieser Beach. Wir schaffen es tatsächlich gerade noch vor dem nächsten Regenschauer wieder zurück auf die Vairea.
Kaum zu glauben, der neue Tag erwartet uns tatsächlich trocken und sogar mit einigen Sonnenstrahlen. Was für ein Unterschied zum gestrigen Weltuntergangsgefühl. Ausgeschlafen und neugierig machen wir uns auf, mehr von diesem ungeplanten Ort zu entdecken. Es ist Sonntag und die Leute strömen mit Kind und Kegel, Sack und Pack Richtung Wasser. Sonnenschirme, Liegen, Strandspielzeug und die obligaten Gefriertruhen, Alles muss mit. Eine der vielen Regeln besagt, dass am Strand ein striktes Alkoholverbot gilt, lesen wir. Und fragen uns amüsiert, ob sich in den unzähligen blickdichten Tumblern und Bechern der Sonnenhungrigen tatsächlich nur Wasser oder Limonade befindet.
Auf dem Rückweg entlang der Dünen kehren wir als Abschluss im South Beach Grill für ein frühes Dinner ein und sind uns bei immer noch schönem Wetter einig, dass sich dieser ungeplante Zwischenstopp zu einer perfekten Lösung mauserte. Morgen bereits um 6 Uhr wollen wir weiter, dann bitte direkt und vor allem ohne Squalls und Gewitter bis Beaufort.