Grenada – dem Ende entgegen

Wir gleiten mit Piccola-Vairea, unserem Beiboot, vom Ankerplatz über die riesige Bucht Richtung Strand von Grande Anse an der Westküste von Grenada und wollen dort am Pier festmachen. Die starke Strömung und der anrollende Schwell zieht unser Dinghy immer wieder halb unter den doch recht hohen Anlegesteg. Verflixt, das anlanden und aussteigen könnte schwieriger werden.

Willkommen in Grenada

Ich bin noch am überlegen, wie ich mich schlau anstellen soll, da höre ich von oben eine Stimme! „Gimme your hand Lady“ ruft ein junger Grenadier und streckt mir seine Hand entgegen. Mach zuerst ihr Boot fest, rät sein Kollege und schwups, schon hängt Klein-Vairea fest an der Klampe. Ehe ich mich versehe, zieht er mich (definitiv kein Federgewicht) mit Schwung hoch auf die Pier. Kurz darauf steht auch Daniel neben mir. Ein breites Grinsen auf unser herzliches Dankeschön, das war’s. Wir sind in Grenada! Diese Begegnung mit der zuvorkommenden Geste war kein Einzelfall, uns begegnen Freundlichkeit, Höflichkeit und Hilfsbereitschaft hier immer wieder. Uns wohl- und willkommen zu fühlen fällt sehr leicht. Das ist auch gut so, denn wir werden noch eine ganze Weile hier verweilen. Daniel und ich bis Mitte Juli, unsere Vairea sogar bis Mitte November.

Obwohl wir gefühlt eben erst in der Karibik angekommen sind, geht’s nämlich schon dem Ende entgegen. Also natürlich nicht dem endgültigen Ende! Nein, nur dem Ende unserer ersten karibischen Segelsaison. Denn immer am 1. Juli beginnt hier die alljährliche Hurrikan Zeit, sozusagen die Achillesverse der Karibiksegler und so etwas wie der grosse Bruder der kalten Wintermonate in europäischen Gewässern. Gut, wir müssten die Saison nicht beenden, es gibt durchaus Wege, diese zu umgehen. Aber diese anderen Möglichkeiten fallen bei uns durch. Zum einen erachten wir das „auf dem Boot zu bleiben“ während der enorm feuchten und schwülen Zeit als eine schlechte und unkomfortable Lösung. Wir haben auch wenig Lust, täglich auf den Wetterbericht zu starren wie die Schlange aufs Kaninchen um womöglich blitzartig aufzubrechen und uns in Sicherheit zu bringen, sollte die Gefahr eines Hurrikans drohen.

Spa-Behandlung für Vairea während der Hurrikan-Saison

Und da wir Ende dieses Jahres, also nach der Hurrikan-Saison zu den nördlich von Martinique gelegenen Inseln bis nach Cuba segeln wollen, liegen weder die holländischen ABC-Inseln, noch Surinam oder Guyana auf unserem Weg. Die Insel Grenada wäre doch was, um unsere Vairea sicher an Land zu stellen, meint Daniel. Und an Land muss sie, das nährstoffreiche und vor allem warme karibische Wasser setzt dem Unterwasserschiff arg zu. Bald führen wir unser eigenes, kleines Riff mit, unke ich jeweils nach den Putzgängen mit Eiskratzer und Schwamm.

Ivan war der letzte Hurrikan, der 2004 die Insel traf und verwüstete. Seitdem blieb die Insel von Katastrophen verschont. Das tönt beruhigend. Und Spice Island Marine, die Werft im Süden der Insel hat einen guten Ruf und sichert Yachten genau so, dass unsere Versicherung im Falle eines Schadens auch zahlt. Die Werft hat auf telefonische Anfrage Platz für unsere Vairea und so sind wir am 2. Juli morgens um 8 Uhr fürs auswassern gebucht.

Die Hauptstadt von Grenada ist Saint George's

Grenada – Die Gewürzinsel

Und darum wird also Grenada unser temporäres Endziel, ein Fleck auf unserer Erde über den ich wenig bis gar nichts weiss. Bringe die Insel mit Gewürzen in Verbindung, wohl wegen der landläufigen Bezeichnung „Spice Island“. Ich habe einfach die Hoffnung, dass uns Grenada gefällt, als wir zum ersten Mal in der riesigen Bucht vor St. George den Anker werfen. Der Hauptstadt sagt man nach, sei die Schönste der ganzen Karibik. Mir fehlen die Vergleiche, aber ich empfinde sie als spannend, lebendig, farbig und daher schön. Ganz besonders ins Auge stechen mir die alten und bunten Handelshäuser entlang des Viertels Carenage. Mein Sahnebonbon allerdings ist Grande Anse mit seinem kilometerlangen, puderweichen und blütenweissen Sandstrand und den unzähligen, verschiedenartigen Bäumen, die als natürlicher Schattenspender dienen. Jetzt, ausserhalb der Saison teilen wir uns den Strand nur mit Einheimischen und einer Handvoll Touristen.

Grande Anse ein langer Traumstrand gleich südlich der Hauptstadt

Probleme mit der Schaltung des Saildrive

Leider fehlt uns die Zeit für ein ausgiebiges Entdecken, denn unser Steuerbordmotor zickt. Seit Martinique schon und immer mehr ziert er sich beim einkuppeln. Das muss repariert werden, meint Daniel mit Sorgenfalten auf der Stirn. Geht zu Sim von Palm Tree Marine, er ist ein Meister seines Fachs, wird uns geraten. Also Anker auf und zusammen mit der SY Isis geht’s ab in den Süden, Ziel ist der Ankerplatz bei der Clarkes Court Werft.

Was für eine riesige Bucht mit unzähligen Möglichkeiten zum Ankerwerfen und Verweilen! Im Süden sind viele Marinas und Werften sowie Dutzende Ankerplätze angesiedelt und entsprechend perfekt organisiert ist das Social Life. Im Grenada-Heft sind die täglichen Events aufgelistet und jeweils morgens um 08 Uhr orientiert VHF 66 über alles Mögliche und Aussergewöhnliche. Auf uns warten Glanzpunkte wie: Limen auf Hog Island, Dominospielen oder Brunch am Sonntag. Sunset-Yoga am Montag, Filme schauen oder Rum Tasting am Sim von Palm Tree Marine prüft den SaildriveDienstag, Karaoke oder Pig Roast Special am Mittwoch. Livemusic im Lightship des Phare Bleu am Donnerstag oder Freitag oder dann doch lieber Roast Chicken in der Whisper Cove? Und so weiter und so fort. Von den unzähligen All Night Happy Hour ganz zu schweigen.

Wir konzentrieren uns vorderhand aber auf den Motor und harren gespannt auf das Ergebnis, als Sim in den Motorenraum steigt. Entgegen der Befürchtung, die Kupplung für ca. 1500.- US Dollar auswechseln zu müssen, war eine verstellte Schaltung der Grund. Kostenfolge: knapp 80.- US Dollar!! Meine Hallelujas hört man wohl über die ganze Bucht. Diese Empfehlung war Gold wert!

Dinghi-Konzert beim Phare Bleu

Man kommst sich Nahe beim Busfahren auf GrenadaGelöst und erleichtert geniessen wir während den kommenden Tagen die nähere Umgebung um Woburn und lernen dabei eines der Highlights, den ÖV von Grenada kennen und schätzen. Unzählige Kleinbusse verkehren ohne Fahrplan und fixe Haltestellen auf den wichtigsten Routen der Insel und bringen uns für eine Handvoll EC-Dollars innert kürzester Zeit und meist in halsbrecherischer Fahrweise von A nach B. Schnell realisieren wir, wenns hupt kommt so ein Bus. Ein Kontrollblick auf die Windschutzscheibe ob die Busnummer passt und dann rein ins Vehikel. Die oft jüngeren Fahrer werden verehrt wie kleine Stars, haben in praktisch jedem Dorf eine Freundin und fahren so als sässe ihnen der Teufel im Nacken, erklärt uns Dieter, der Besitzer des Phare Bleu Resorts, als wir eines Abends beim Bier zusammensitzen.

Der Schweizer ist vor bald 10 Jahren nach Grenada ausgewandert, hat zusammen mit seiner Frau ein Resort und eine Marina aufgebaut und veranstaltet grandiose Musikevents. Mit der Musik kannst Du einen Bogen zur einheimischen Bevölkerung schlagen, erzählt uns der passionierte Tonkünstler. Oh ja, und der Rhythmus liegt ihnen im Blut, davon können wir uns beim Dinghi-Konzert überzeugen. Das wird auch von Dieter organisiert und dafür werden je nach Wetter 3-5 Mal pro Jahr eine Bühne und eine Plattform für Bar und Gäste auf den Ankerplatz vor der Marina des Phare Bleu gefahren. Wir machen wie unzählige andere Segler mit unserem Dinghi an der Plattform fest und brauchen uns nicht gross im Takt der Reggae-Musik zu bewegen, die Wellen und der Schwell besorgen das für uns. Ein Heidenspektakel!

Dinghi-Konzert beim Phare-Bleu

Nationalpark Grand Etang

Nationalpark Grand Etang

Mit Judy legen wir einen Wandertag auf Grenada einJudy und Günther von der SY Isis schwärmen uns vom unglaublich grünen Hinterland und der Diversität der Pflanzen vor. Das macht neugierig und so schnüren wir ein weiteres Mal unsere Wanderschuhe und zusammen mit Judy geht’s los ins grüne Hinterland. In St. George werden wir Drei in einen Minivan gepfercht und ab geht die abenteuerliche Fahrt Richtung Nationalpark Grand Etang mit dem grossen Kratersee. Wanderempfehlungen oder Streckenangaben gibt’s im Informationscenter nur vage und Karten sind ein Fremdwort. So ziehen wir halt einfach mal los und hoffen, den Einstieg auf den Mount Qua Qua irgendwie zu finden.

Finden wir natürlich nicht und landen stattdessen immer Dies waren vor langer, langer Zeit einmal Brückentiefer im Morast und Schlamm. Das mag unsere Begeisterung für diese grandiose Dschungel-Natur rund um den See aber nicht schmälern. Einfach ja nicht hinfallen, lautet die Devise. Die Schuhe geben Schmatzgeräusche von sich, der Schweiss rinnt uns in Bächen über Stirn und Rücken, die Luftfeuchtigkeit muss enorm sein.

Zurück auf der Strasse, auf irgendeiner, entdecken wir den Hinweis zu den Seven-Sister-Falls. Wenn nicht Berg, dann halt Wasserfall. Nehmt diese stabilen Wander-Stecken mit und passt gut auf den Weg auf, schärft uns der Mann beim Kasssenhäuschen ein und streckt uns drei knorrige Äste entgegen. Und tatsächlich, steil und stotzig geht’s immer weiter runter. Juhui, denke ich, das alles dürfen wir dann auch wieder raufklettern….. Der Anblick des Wasserfalls ist aber alle Strapazen wert. Hätten wir unsere Badekleider dabei, man könnte und dürfte baden. Haben wir nicht und zum Nacktbaden fehlt uns allen Dreien der Mut! Für den Rückweg nehmen wir den Weg über Grenville, der zweitgrössten Kleinstadt an der Ostküste von Grenada und ebenso wuselig und betriebsam wie die grosse Schwester an der Westküste.

Seven-Sister-Falls

Prickly Bay –  Saison-Ende – Vairea bleibt in Grenada

Nachdem die dreckige Wäsche in der kleinen Marina von Whisper Cove gewaschen ist, nehmen wir ein weiteres Mal unseren Anker auf und segeln ein paar Seemeilen weiter westlich Richtung Prickly Bay. Gespannt sind wir auf die Werft und Daniel auch auf den vielgepriesenen Shipchandler gleich nebenan. Wir werden nicht enttäuscht; die Anlage macht einen professionellen Eindruck und entgegen anderen Werften gibt’s hier auch eine Security mit Eingangskontrolle. Leider ist der Schwell am Ankerplatz recht unangenehm und das sedimentreiche Wasser lädt nicht zum schwimmen ein.

Grand Anse südlich der Hauptstadt Saint George'sKomm lass uns wieder nach St. George segeln, schlägt Daniel vor. Und so liegen wir seit einigen Tagen erneut zwischen der Hauptstadt und dem wunderschönen Strand von Grande Anse. Hier können wir bereits viele der nötigen Vorarbeiten erledigen, damit wir unsere Vairea mit gutem Gewissen ein paar Monate alleine lassen können. Allerdings sind solche Arbeiten meist nur bis höchstens 11 Uhr möglich, danach wird’s eindeutig zu heiss. Geniessen dann einen Bummel über den Markt mit dem reichhaltigen Angebot an frischen Früchten, Gemüse oder Fisch, lernen das eine oder andere Lokal kennen, spazieren der Küste entlang, treffen uns mit bekanntenMarkt in Saint George's mit einem vielfältigen Angebot an frischen Früchten und frischem Gemüse Segelfreunden wie Laurie und Matt von der SY Stardust oder knüpfen neue Kontakte wie mit den Schweizern Monica oder Dominique von der SY Prana Cat.

Ein besonderes Erlebnis ist der Besuch der Schweizer SY Pinut-Crew. Die Eltern Corina und Michael besuchen uns mit ihren 6 Kindern!! Die grösste Tochter ist 14 Jahre und das Baby gerade einmal 4 Monate alt. Und wir erfreuen uns an Grenada, seinen Naturschönheiten und seinen Menschen. Deren Wesen wir zwar als viel zurückhaltender und stolzer empfinden als anders wo, aber eben sehr freundlich, unterhaltsam und hilfsbereit.

Vairea bei Saint George's vor Anker

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Auf Grenada hat man gut Lachen

Unsere Reise im Überblick & Unsere Schatzkiste

2 Kommentare zu „Grenada – dem Ende entgegen“

  1. Graziella Schaffer

    Hallo Ihr Lieben❣️Der Reisebericht ist ja wieder super spannend und unterhaltsam. Uns freut es, dass es euch so gut geht und ihr so viel erleben dürft! Eines Tages werden wir euch besuchen, aber wie ihr wisst, ist es momentan wegen Patty einfach nicht möglich so lange auf Reisen zu gehen! Ich wünsche euch weiterhin viel Spaß bei euren Vorhaben und wir freuen uns auf euch❣️Alles Liebe
    Graziella und Heinz

  2. barbara TinLizzy

    So, jetzt habe ich meinen Rückstand endlich mal aufgeholt! Klingt ja wirklich gut, was du schreibst über Grenada! Tolle Bilder… Wer weiß vielleicht zieht es uns ja doch nochmal hin, nachdem wir uns in der nächsten Saison in Schottland den H… abgefroren haben ;-). Wir sind derweil in São Jorge, ebenso grün, ebenso feucht, aber nicht so heiss. Mal gucken, wie lange mein Göttergatte hier durchhält… Ganz liebe Grüße von der TinLizzy!

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