Madeira hat vieles zu bieten, aber nur zwei wirklich gute und sichere Ankerplätze. Die wiederum sind nicht bei jeder Wetterlage geeignet und ein stabiles Ankerwetter will sich momentan (noch) nicht einstellen. Mit unserem Besuch an Bord an einem schwelligen Ankerplatz? Das stellen wir uns nicht so toll vor und so ruft Daniel in der Marina in Funchal an. Wir machen uns nicht allzu grosse Hoffnungen, aber der glückliche Zufall will, dass es doch tatsächlich Platz für unsere Vairea hat, wenn auch etwas unkomfortabel an der Hafenmauer, und so segeln wir am 29. Mai von Caniçal in die Hauptstadt. Diese ist nach dem Blumenfestival im Mai bereits wieder auf Hochglanz poliert und überall künden die wehenden Fahnen das nächste Grossereignis, das Atlantic Festival an. Nebst vielen künstlerischen Darbietungen und viel Musik, findet jede Samstagnacht im Juni ein pompöses Feuerwerk statt. Der Sieger dieses Knall- und Petarden-Wettbewerbes darf dann im gleichen Jahr das prestigeträchtige Sylvester Feuerwerk ausrichten. Unsere Tochter und ihr Kollege sind überglücklich mit dem neuen Standort. Während sie mit viel Freude und Ausdauer das Shopping- und Nightlife-Paradies Funchal erkunden, geniessen wir ein weiteres Mal die unzähligen Parks und Grünanlagen. Leider vergeht die gemeinsame Zeit mit unserer Melanie viel zu schnell und schon ist sie zusammen mit ihrem Kollegen Can wieder auf dem Heimweg. Und auch für uns wird es jetzt Zeit. Nach dem fast einstündigen Genuss eines wirklich eindrucksvollen Feuerwerks, mit bester Sicht vom Dach unserer Vairea, lösen wir am 4. Juni kurz vor dem Mittag die Leinen, sagen Funchal bei herrlichem Sonnenschein und einer Flaute sehr dankbar Adieu und ziehen hinaus aufs Wasser.
Ich glaube, es gibt hunderte von Segelblogs, die man lesen oder abonnieren könnte, denn immer mehr Segler nutzen diese Art von elektronischem Segel-/Reisetagebuch. Ich beschränke mich auf etwa 3 SchreiberInnen, die mich ansprechen, unter anderem die „Flaschenpost der SY TinLizzy“ von Barbara Witte. Sie hat im vergangenen Jahr über ihren Ausflug zu den Desertas Inseln geschrieben und ihr Bericht sowie die Fotos von diesem Platz haben uns neugierig gemacht, ganz besonders auf die letzten, dort freilebenden Kegelrobben. Die Auflagen sind sehr strikt, ohne ein Permit darf man bei diesem Naturschutzgebiet weder ankern noch anlanden. Mit dem vorgängig eingeholten Dokument im Sack machen wir uns also am Sonntagmittag auf den etwas mehr als 20 Seemeilen langen Weg zu dieser vorgelagerten Insel. Der Wetterbericht hat von moderaten Winden und wenig Wellen gesprochen. Doch schon nach der ersten Abdeckung frischt der Wind deutlich auf und noch vor der Hälfte der Distanz binden wir das erste Reff in unser Hauptsegel. Bis zu 30 Knoten bläst der Wind und mit bis zu 9 Knoten jagt Vairea durch das ruppige Wellental, dem Ziel Baia Doca entgegen. Die ganze Fahrt über haben wir weder Wale noch einen einzigen Delphin gesehen. Ob es denen etwa zu wellig war? Ich für meinen Teil kann mir noch nicht vorstellen, wie bei diesen Bedingungen an ein ruhiges ankern zu denken ist. Als wir unserem Ziel jedoch näher kommen, sehen wir eine vorgelagerte Steinbarre, die wohl die anrollenden Wellen und den Schwell abhalten soll. Und genau so ist es, hinter dieser Steinmauer präsentiert sich uns ein beinahe ruhiges und türkisfarbenes Wasser.
Wir holen die Segel ein und Daniel übergibt mir das Steuer, damit er sich vorschriftsgemäss per Funk bei den Parkwächtern anmelden kann. Genau jetzt, als ich das Steuer nicht loslassen kann und Daniel mitten im Funkverkehr steckt, taucht steuerbord direkt neben uns eine Kegelrobbe auf. Völlig fasziniert starren wir auf dieses putzige Tier, das aber kurz danach untertaucht und auch verschwunden bleibt. Wir hören sie zwar im Laufe des Abends ein paar Mal laut schnaufen, aber sie zeigt sich nicht mehr. Ach Robbe, warum bist Du nicht etwas später aufgetaucht!?! Wir machen an einer der vier ausgelegten Bojen fest und setzen anschliessend mit dem Beiboot rüber auf die Insel. Dieses Unterfangen geht nicht ohne nasse Hosen, denn das Anlanden ist weder komfortabel noch einfach. Der nette Parkwächter begrüsst uns, zeigt uns die Insel und macht uns mit den Vorschriften bekannt. Wir hatten Glück, meint er, denn Robbensichtungen seien eher selten. Sie hätten das Projekt damals mit nur 8 freilebenden Tieren begonnen, erzählt er uns, unterdessen zählt der Bestand 40 von den possierlichen und streng geschützen Tieren. Nach einer langen, sehr ruhigen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück geniessen wir den Ausblick auf die unglaublich hohe und steile Felswand direkt hinter uns und den wilden Atlantik vor uns. Kurz nach 15 Uhr, fast genau zur selben Zeit wie bei unserer gestrigen Ankunft, werden wir durch ein lautes grunzähnliches Geräusch vom Lesen und Faulenzen aufgeschreckt. Das kam aber von sehr nah! Wir schiessen auf, laufen mit Handy und Kamera bewaffnet nach draussen und trauen unseren Augen nicht, denn da prustet und hustet doch tatsächlich direkt neben unserer Vairea die süsseste Robbe im Wasser! Dieses Mal reichts für ein paar Fotos, bevor der putzige Meeresbewohner wieselflink wieder abtaucht! Wir können es kaum glauben, und ja der Parkwächter hatte Recht, was für ein Glück wir doch haben.
Leider passt das Wetter nicht für ein Weitersegeln auf die kanarischen Inseln und so machen wir uns anderntags wohl oder übel wieder auf den Rückweg nach Madeira. Wir können bei einer leichten Brise schon am Ankerplatz unser Grosssegel setzen, doch kaum sind wir aus der ersten Abdeckung raus, frischt der Wind auf und unsere Lady jagt mit bis zu 9 Knoten dem Ziel Machico entgegen, einem der beiden guten Ankerplätze auf der Insel. Ich habe mir das ja so richtig schön vorgestellt. Nach dem ankern im ruhigen Wasser mit dem Beiboot an Land fahren, beim Lebensmittelhändler noch die letzten Einkäufe für die nächste Überfahrt besorgen, zusammen auswärts essen gehen und sich noch etwas die Füsse vertreten, bevor wir dann zu Bett gehen. In diesem Fall sind Träume aber nur Schäume, denn beim Anblick des vielen Schwells, der in die unruhige Bucht läuft, drehen wir mit etwas langen Gesichtern sofort Richtung Baia d’Abra ab. Entweder es klappt mit diesem Ankerplatz, sonst müssen wir wohl oder übel noch einmal in die Marina Quinta do Lorde. Es klappt und wie! Praktisch flach liegt die grosse Bucht vor uns, vereinzelt heftige Böen jagen über das blaue klare Wasser. Kein anderes Boot ist da, Vairea kann sich den Platz aussuchen. Rund um die Bucht führt einer der schönsten Ausflüge zum östlichsten Punkt von Madeira, zum Cabo Sao Lourenço, eine Wanderung die wir vor ein paar Wochen selbst noch gegangen sind. Auch jetzt sind zig Naturfreunde unterwegs, die uns von allen Seiten beim Ankermannöver beobachten und fotografieren. Dies klappt beim ersten Mal hervorragend, wir sind noch in der Übung und ein eingespieltes Team. Da das Einkaufen ins Wasser fällt, tritt Plan B in Kraft – Lebensmittel zusammen suchen und vorkochen. Bald zieht ein feiner, süsser Geschmack von Apfelmus und Zimt durch die Kombüse, auf dem Gasherd blubbert in einer Pfanne friedlich Rüebli Püree und der Brotteig geht still vor sich hin auf. Nur einige freche und gierige Möwen, denen Dani mit dem Bootshaken drohen muss, ein Fischerboot und ein Tauchdinghi kehren gegen den Abend kurz in der Bucht ein, bevor dieser ruhige und schöne Platz wieder ganz alleine uns gehört.
Unterdessen ist der 7. Juni angebrochen, unser letzter ganzer Tag in Portugal. Wir werden diesen Mittwoch mit einigen Arbeiten, ausruhen und faulenzen verbringen, bevor es dann morgen für circa 2 Segeltage wieder hinaus auf hohe See geht. Denn die Prognosen für die Überfahrt zu den kanarischen Inseln sind perfekt. Wenn alles so bleibt, und davon gehen wir fest aus, dann kommt der nächste Homepagebeitrag nach so vielen Monaten in Portugal wieder einmal aus Spanien. Zugegeben, an diesen Gedanken muss ich mich erst noch gewöhnen!