Entweder wir segeln morgen weiter oder wir kommen vermutlich die nächsten 10 Tage nicht mehr fort von hier. So einfach lautet das Fazit des täglichen Wettercheck. Wir schreiben unterdessen den 11. März und mein Captain scharrt mit den Hufen. Und er hat ja Recht, wir haben die Abacos reichlich genossen und auch ich bin bereit für eine Luftveränderung. In diesem Sinne, auf nach Eleuthera!
Unglaublich, es braucht doch tatsächlich den letzten Spaziergang durch Marsh Harbour, bis wir die Conch Bar endlich geöffnet vorfinden. Während Besitzer Fathi fleissig das Muschelfleisch und das Gemüse für unsere Portionen schnippelt ist seine Partnerin Sicilly mit dem kreieren von Ohrringen aus Kronkorken beschäftigt. Es ist grad keine gute Zeit in Europa, meint sie zu mir. Oh nein, gebe ich ihr zur Antwort, dieser Krieg ist einfach nur entsetzlich. Oh ja meint sie, solche Katastrophen sind fürchterlich und belastend. Nur, führt sie weiter aus, da können weder Du noch ich etwas dran ändern oder die Situation beeinflussen.
Unsere Schultern sind weiss Gott zu schmal solche Lasten zu tragen. Aber auf unser Umfeld, ja darauf können wir Einfluss nehmen. Sie danke dem Herrgott nach dem Aufstehen für eine gute Nacht und einen bestimmt ebensolchen Tag, erklärt sie weiter. Und fokussiere dann tagtäglich, wo und wie sie aktiv Gutes bewirken könne. Zum Beispiel Liebe aussenden und Toleranz leben. So wie die Wellen, gebe ich ihr zur Antwort. Aussenden und empfangen. Ja Schwester, genau so sehe ich das bekomme ich mit einem breiten Lachen zur Antwort. Welch besondere Erfahrung uns doch zuteil wurde. Bis zum letzten Tag haben wir auf den Abacos immer wieder Leute kennenglernt, die nicht mit dem Erlittenen hadern, sondern vorwärtsschauen und dankbar sind für das was sie haben. Und die in ihren Lebenseinstellungen und Ansichten so sehr geerdet sind.
Hinter der Kaltfront nach Eleuthera
Als anderntags der Wind in die prognostizierte Richtung wechselt, nehmen wir den Anker auf, setzen die Segel und ziehen südwärts. Es wird eine unangenehme und nasse Fahrt, denn die Wellen scheinen zu quengeln und kommen stoisch weiterhin gegenan. Nach fünf Stunden ist die Quälerei endlich beendet und der Anker fällt bei Bridges Cay ins Wasser. Eigentlich völlig widersinnig und atypisch, dass wir voll in den südlich auflaufenden Wellen liegen. Doch von der Ostküste der USA ist für den frühen Abend eine Störung gemeldet, die viel Wind aus Nord über die Inseln der Abacos bringen soll.
Glaube mir, dann werden wir hier wundervoll ruhig liegen, ist sich Daniel sicher, während ich versuche die Bratpfanne gut festzuhalten. Und schon ist sie da! Bedrohlich riesig, schwarz und schnell braust die Front heran. Und das Erstaunliche ist, dass der Wind tatsächlich innerhalb von Minuten um 180 Grad dreht. Der Windmesser geht bis 35 Knoten hoch, bläst neu aus Nord und es wird mit einem Schlag richtig kalt. Dann öffnet auch noch der Himmel alle Schleusen und wäscht die eingesalzene Vairea wieder sauber. Aber bei allem Tohuwabohu verbringen wir wie vorausgesagt eine wunderbar ruhige Nacht.
Bereits kurz nach Sonnenaufgang heben wir den Anker, setzen das Gross im 1. Reff und rollen die Genua aus. Richtig flott geht’s voran nach Eleuthera und erfreulicherweise kommen dieses Mal Wind und Wellen angenehm von schräg hinten. Wir geniessen eine entspannte Fahrt bis uns um 13 Uhr ein gewaltiger Knall aufschreckt. Die Ursache dafür und für das schräg hängende Segel ist schnell gefunden, die Reffleine ist gerissen. Doch Glück im Unglück, der Wind hat unterdessen an Kraft verloren und so erreichen wir die Insel Eleuthera problemlos unter Vollzeug.
Erster Stopp in Eleuthera: Meeks Patch
Just als der Anker vor der kleinen Insel Meeks Patch ins türkisfarbene Wasser plumpst, spaziert doch tatsächlich direkt vor meinen Augen eine ganze Schweinefamilie dem Strand entlang. Unglaublich, irgendwie scheint es immer mehr von diesen schweinischen Attraktionen zu geben auf den Bahamas. Für einen Besuch ist es unterdessen leider zu spät, aber nachdem das Wetter anderntags aufgeklart hat brausen wir sofort Richtung Strand. Und tatsächlich, auf dieser vor Spanish Wells gelegenen Insel leben etwa 25 freilebende Schweine. Vom stattlichen Eber, seinen Ladies bis zu süssen Ferkeln. Einige buddeln wohlig grunzend im Sand, andere schlafen friedlich unter den Palmen oder warten auf Besucher, die hoffentlich Gemüseabfälle mitbringen. Alle sind sie wohlgenährt, neugierig zwar aber ganz friedlich. Und wie wenn das nicht genug wäre, wuseln auch Hühner mit ihren Jungen, stolze Hähne und Gänse herum. Fast wie ein kleiner Streichelzoo.
Spanish Wells
Ich freue mich sehr auf den Besuch von Spanish Wells und werde nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil. Ein schmucker Ort, wo überraschend viele kleine Werften und Marinas den Kanal säumen. Und wie schon auf den Abacos, was für ein Unterschied zu den Häusern in Europa in ihrem meist Einheitsweiss. Von schrill pink über neongrün bis zitronengelb leuchten da die Fassaden der kleinen Eigenheime und verbreiten damit einfach gute Laune. Wobei das Highlight, der Eyecatcher von Spanish Wells der liegt für mich woanders. Nur einmal die schmale Insel queren und dann öffnet sich der Blick auf eine riesige Lagune, die mich beinahe sprachlos macht. Kilometerlanger Sandstrand und einmal mehr diese Blau- und Türkistöne des Wassers. Diese für die Bahamas so typischen Farbspiele. So surreal schön und schlicht zum niederknien dieses Bild! Ich möchte am liebsten einfach hier eine Weile sitzen und bleiben.
Doch wie eine dunkle Wolke wird das Gefühl vom Glücklichsein immer wieder überschattet von Unsicherheit und Beklemmnis. Und ich frage mich, kann ich überhaupt? Darf ich überhaupt Berichte über die schönen Begebenheiten an wundervollen Orten dieser Welt schreiben oder gar Bilder davon zeigen während dem dieser blutige Krieg tobt? Auf dem Weg zur Problemlösung dieses Dilemmas hat mir der folgende Satz einer Seglerkollegin sehr geholfen. «Es ist diese Gleichzeitigkeit der Dinge, in der wir nun mal leben. Ich finde nur wichtig dabei, dass es nicht zur Gleichgültigkeit werden darf»! Und so versuche ich mit ganz viel Empathie diese Balance zu finden zwischen dem ungetrübten Hier und dem verheerenden Dort.
Liebe Martina
Ich freue mich diesen tollen Bericht zu lesen .
Natürlich darfst du diese positiven Seiten von dem Land und von euren schönen Momenten zeigen. Das tut auch uns gut!
Kriege gibt es schon seit Jahren, sei es in Syrien, Ex Jugoslawien oder Pakistan usw.
Nach vorne schauen und in der Gegenwart leben.
Alles Liäbi dini Fründin
Dass es Euch gut tut, das freut mich ganz besonders. Ja, die Welt hat so viele schöne und positive Seiten und nicht nur die hässlichen Fratzen und das Elend dieser unsäglichen Kriege.
Herzlichste Grüsse von Deiner Freundin