Am 9. November 2015 kurz vor dem Mittag laufen wir von Ibiza kommend in den grossen, alten Stadt-Hafen von Cartagena ein. Kaum angefunkt kommt schon die positive Antwort, ja es hat Platz für uns drei. Vairea bekommt sogar ihre ganz eigene, grosse Box. Wir haben vor, drei Tage zu verweilen, bevor es dann weiter westwärts gehen soll. Nach den üblichen Formalitäten machen wir uns zu Fuss auf, die geschichtsträchtige Stadt zu erkunden. Auf den ersten Blick wirkt diese eher grob, fast etwas derb. Doch beim genaueren hin sehen, entdecken wir viel Filigranes und Feines, das uns entfernt an die maurische, andalusische Architektur erinnert. Vom ersten Rundgang zurück, kommen wir schnell in den Kontakt mit den anderen Langfahrtseglern, wovon viele in Cartagena überwintern. Eine tolle, internationale Community hat sich da versammelt. Im Nu sind wir aufgenommen und nehmen an Barbecues und Yogalektionen teil.
Leider erreichen uns zwei Tage später aus der Schweiz traurige Nachrichten, der fast 5-jährige Kampf meiner Mutter gegen den Krebs ist verloren und sie liegt im Sterben. Vairea können wir problemlos und sicher vertäut im Hafen lassen. Nebst den Marineros schauen bestimmt 10 Segleraugen gut zu unserem schwimmenden Zuhause. Am Freitag, 13. November fliegen wir mit schwerem Herzen zurück in die Schweiz und begleiten dort zusammen mit der ganzen Familie meine Mutter auf ihrem letzten Weg. Am 5. Dezember in der Früh darf sie zum Glück schmerzfrei ihre Augen für immer schliessen. Es waren sehr traurige 5 Wochen in der Schweiz, aber es war wichtig und richtig, dort zu sein.
Cartagena, Vairea und die mitfühlende Segelcommunity empfangen uns am 18. Dezember zurück. Wir haben für die kommenden drei Tage einen Mietwagen, mit dem wir einerseits den anstehenden Grosseinkauf erledigen können (die Weihnachtstage stehen an) und andererseits die nähere Umgebung erkunden wollen. Und so erklimmen wir schon am Tag darauf auf einer kurvenreichen Passstrasse das Fuerte de Navidad, eine alte Festung, die im 2. Weltkrieg als Küstenbatterie genutzt wurde. Die Sicht ist schlicht grandios und das Wetter mit über 20 Grad einfach herrlich. Entgegen der Weihnachtsbeleuchtung in der Schweiz fällt diese in Cartagena sehr zurückhaltend aus. Dafür gibt’s Weihnachtssterne in Hülle und Fülle und auch auf der Vairea steht bald eine solche Pflanze. Am 22. Dezember geben wir unseren Fiat 500 in Alicante ab. Mit dem Bus geht’s zurück nach Murcia. Die Hauptstadt der gleichnamigen autonomen Region ist die siebtgrösste Stadt Spaniens, mit einem sehr milden Klima und einer beeindruckenden Kathedrale. Besonders gefallen hat uns aber das Real Casino de Murcia, dem königlichen Club für die bessere Gesellschaft der Stadt. Eine relativ unbekannte Stadt mit wenig Touristen, aber viel Flair.
Auch am Weihnachtstag steht Yoga mit den anderen Seglerinnen auf dem Programm, bevor wir das Clublokal der Marina für den feierlichen Abend herrichten. Jeder der mitfeiert hat etwas gekocht/zubereitet und so schlemmen wir von einem Buffet mit englischen, deutschen, holländischen, dänischen, französischen und schweizerischen Gerichten. Glücklich und mehr als satt rollen wir gegen Mitternacht zurück auf unser Boot.
Für den 27. Dezember zeigen die Wetterdaten ein kleines, gutes Wetterfenster, welches uns weiter westwärts bringen könnte. Sollen wir weiter oder wollen wir bleiben? Für beide Varianten spricht so einiges und so entschliessen wir uns nach gründlicher Abwägung für das weiterziehen. Das übliche Prozedere beginnt und so sind wir und unsere Vairea am 27. Dezember bereit für eine nächste Etappe. Nach einem letzten Rundgang durch die Stadt, dem Abschied bei den liebgewordenen Segler und der Bezahlung beim Hafen lösen wir um 13.30 die Leinen mit dem Ziel Almerimar, welches 134 Seemeilen weiter westwärts liegt.
Entgegen der Voraussage von maximal 19 Knoten frischt der Wind schon vor Mitternacht kräftig auf und erreicht in Böen gar bis 30 Knoten. Unsere tapfere Vairea zieht unbeirrt ihre Bahnen und erreicht mit 14,7 Knoten beinahe einen neuen Geschwindigkeitsrekord. Als wir in den frühen Morgenstunden in die Bucht von Almeria einlaufen, stellt der Wind plötzlich und komplett ab. Uns soll das recht sein, es ist noch viel zu dunkel und daher zu früh, den Hafen anzulaufen. Und so drehen wir bei und geniessen in der beinahe spiegelglatten Bucht etwas Schlaf. Um kurz nach 8 Uhr fahren wir nach der Funkanmeldung in den Hafen ein. Ziemlich schnell wird uns klar: das ist der falsche Hafen! Es ist der Stadthafen von Almeria und nicht derjenige von Almerimar!! Schnell wieder raus und auf dem Plotter die Koordinaten checken. Dabei stellen wir mit Schrecken fest, dass unser richtiges Ziel sowohl noch 20 Seemeilen entfernt ist und uns der Wind unterdessen auf die Nase weht. Also müssen die letzten 3 Stunden unter Motor zurückgelegt werden. Endlich, um kurz nach 13 Uhr fahren wir in den Hafen von Almerimar ein und vertäuen unsere Vairea sicher und fest. Wir stellen ziemlich schnell fest, dass das Klima hier noch einmal um einiges milder ist wie in Cartagena. Vor allem nachts ist es für diese Jahreszeit mit 14 bis 15 Grad sehr moderat und am Tag klettert das Thermometer bei Sonnenschein auf bis zu 31 Grad. Wir werden die nächsten 4 bis 5 Tage hier in Almerimar verbringen und bei einem nächsten günstigen Wind eine kürzere Etappe bis Motril segeln. Von dort aus steht dann mit einem Landausflug nach Granada und der Besichtigung der Alhambra ein langgehegter Traum auf dem Programm. Auch ein Besuch des Hamam ist ein Must. Doch zuerst feiern wir mit den anderen, vielen Langfahrtseglern hier den Jahreswechsel.
Das zu Ende gegangene Jahr bescherte uns viel Gefreutes und mit dem Start in unseren neuen Lebensabschnitt auch eine grundlegende Erneuerung. Doch mit dem Tod der Mutter brauchte uns 2015 auch eine tieftraurige und einschneidende Erfahrung. Wir haben gelernt, wie wichtig Zusammenhalt ist und wie schön es ist, auf Freundschaft und Liebe zählen zu können und dürfen. Keine Selbstverständlichkeit! Wir wünschen euch nebst dem höchsten Gut, der Gesundheit, dass auch ihr diesen Zusammenhalt und die Liebe leben und teilen könnt. In diesem Sinne: einen guten Rutsch ins 2016!