Spagat

Wie gerne hätte ich ihn gekonnt, den Spagat. Glühend bewunderte ich meine gelenkige Cousine, wie sie mit diesem Kunststück im Jugendzirkus auftrat. Bei ihr sah der Spagat immer so einfach aus. Leider fehlte mir wohl nebst dem passenden Körperbau auch der nötige Wille. Und so wurde es nie etwas, weder mit dem Kunststück noch mit dem Zirkus. Jahrzehnte später beherrsche ich ihn perfekt, den Spagat. Den zwischen Pflicht und Vergnügen. Wobei die Pflicht aktuell gerade zunimmt. Denn jetzt scheint es da zu sein, das ersehnte Wetterfenster. Noch getraue ich mich nur hinter vorgehaltener Hand vom tatsächlichen Aufbruch zu sprechen. Denn schon einige Male löste sich eine positive Prognose sozusagen in Schall und Rauch auf. Aber seit einigen Tagen summt mein Captain ganz fidel beim Studium der neusten Daten.

Das bedeutet definitiv nur Gutes. Barbara hat ja vor kurzem den Begriff „Champagner Segeln“ kreiert. Sozusagen ein Törn, der prickelnd auf der Zunge zergeht. Wünschen kann man sich vieles, pflegte meine Mama immer kurz vor Weihnachten zu sagen und so steht jetzt  „Champagner Törn“ zuoberst auf meiner Wunschliste. Sollte die Wetterprognose so bleiben und davon gehen wir aus, dann brechen wir hier in der ersten Märzwoche auf. Wann genau und ob durch die Windward Passage direkt zu den Bahamas oder via Mona Passage zuerst zur Dominikanischen Republik ist noch offen und hängt davon ab, wie Wind und Wellen einfallen. So richtig kleinbürgerlich und traditionell präsentiert sich aktuell die Pflichtverteilung an Bord. Wäsche waschen, Einkaufslisten schreiben, Vairea aufräumen und Menupläne für das Vorkochen schreiben, gehört zu meinen Aufgaben. Der ganze technische Part, die Routenplanung sowie die generelle Überprüfung des Bootes obliegen dem Captain. Ebenfalls zur Pflicht gehört das Aushalten der Anspannung.

Spagat zwischen Pflicht und Kür

Schwemmholz-GestaltungDie Gedanken an viele Tage und Stunden auf See machen sich durch dieses unmissverständliche Ziehen in der Magengegend bemerkbar. Und leider lässt sich diese Spannung nicht einfach abschütteln. Davon gefeit sein und dem Kommenden ruhig und gelassen entgegenzusehen, diese Gabe käme auf meiner Wunschliste allerdings noch vor dem „Champagner Segeln“. Ein Trost ist, dass es bei all den unausweichlichen Pflichten aber auch die Kür gibt. Und vergnügliche Stunden erleben wir hier unzählige. Curacao begeistert uns speziell im westlichen Teil der Insel mit wunderschöner Natur, einer Vielzahl an Wandertrails und herrlichen Sandstränden. Willemstad mit den zwei Vierteln Punda und Otrabanda gilt für Viele als die schönste Stadt der Karibik. Für mich ist sie definitiv die Bunteste. Wir füttern Strausse, erspähen gut getarnte Papageien, suchen am Strand von Puerto Mari vergeblich die Schweine und ich gestalte in einer der vielen Galerien mein erstes, eigenes Schwemmholz-Schild.

Socialising in Curaçao

Und natürlich sind es auch hier die sozialen Kontakte, die Freude bereiten. Chris und Ruedi liegen mit ihrer SY Pasito ebenfalls in der Lagune von Spanish Water vor Anker. Zu Viert macht eine Sailors-Night im „The Pier“ gleich doppelt Freude. Und wenn an Bord der Vairea „Ghackets mit Hörnli und Öpfelmues“ auf den Tisch kommt, dann langen vier Schweizer Segler gerne zu. Nelly und Allan verwöhnen uns an Bord ihrer SY Meerla mit selbstgemachter Pizza und wir befriedigen unsere gemeinsame Spieleleidenschaft bei ein paar gepflegten Runden Brändi Dog. Yvonne und Koen sind mit ihrer SY Heavy Metal ebenfalls von Bonaire hergesegelt. Wir begiessen unser Wiedersehen bei einem Sundowner. Und gross ist die Freude, dass es auch mit einem wiederholten Treffen mit Holger klappt. Und so ist es schlussendlich ein völlig ausgeglichener und wohldosierter Spagat zwischen Pflicht und Kür.

Spagat zwischen Pflicht und Kür in Curaçao im Februar 2021

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4 Kommentare zu „Spagat“

  1. Thomas Luginbühl

    Ein schönes Schwemmholz-Schild hast du da gemacht.
    Ich wünsche euch eine schöne Überfahrt auf die nächste Insel.
    Thomas

    1. Hallo Thomas
      Danke für Deine Rückmeldung. Ja ich habe grosse Freude an meinem Schild.
      Euch eine gute Zeit und liebe Grüsse
      Martina

  2. Graziella Schaffer

    Hallo ihr Lieben
    Ich kann euch nachfühlen wie sehr euch das ganze beschäftigt. Auf der einen Seite möchte man gerne auf der sicheren und gemütlichen Haut sitzen und doch hat man so seine Pläne und es zieht einen weiter.
    Ihr zwei habt euch für das Weiterziehen entschieden und ich wünsche euch von ganzem Herzen das gute Wetterfenster dass ihr euch so gewünscht habt.
    Unterdessen seid ihr ja unterwegs zu der Dom und ich hoffe dass euer Magen ruhig geblieben ist.

    Alles Liebe von Heinz und Graziella

    1. Martina & Daniel

      Ihr Lieben
      herzlichen Dank für die schönen Zeilen, die es genau treffen. Wir haben uns dann doch einen Tritt in die gemütliche Haut gegeben und das war eine gute Entscheidung. Unsere Mägen blieben absolut ruhig, nur ein paar blaue Flecken zeugen von der doch holprigen und vor allem sehr schnellen Passage.
      Ganz liebe Grüsse von Euren Freunden

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