366 Tage nach meinem bösen Unfall in den Middleham Falls sind wir zurück. Genau 1 Jahr und 1 Tag nach diesem schicksalshaften Samstag im Dezember 2018 biegen wir wieder in die grosse Bucht bei der Hauptstadt Roseau ein. Bereits im Kanal zwischen Martinique und Dominica schlägt mein Herz etwas schneller, unzweifelhaft spült diese Insel Emotionen hoch. Wir hätten problemlos an Dominica vorbei segeln können, aber für die Verarbeitung und das endgültige Abschliessen mit dem damaligen Unglück bedarf es den wiederholten Besuch für mich.
Und da gibt es ja noch diesen jungen Mann, der jetzt auf seinem Boot von der Bucht her auf uns zurast. Dwayne, genannt Mr. Beanz, zuständig für die Mooringbojen der Organisation Sea Cat und gute Seele der Firma. Er, der sich damals so rührend um uns kümmerte und sich während des ganzen vergangenen Jahres mindestens jede zweite Woche bei uns meldete. I miss you guys, wie geht es dem Knie und wann kommt ihr denn wieder zurück. So oder ähnlich lauteten seine Botschaften.
An ein Vorbeisegeln war also überhaupt nicht zu denken. Und jetzt ist er längsseits, winkt und ruft uns zu, schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf und hat wie ich Pipi in den Augen. Hör mal, sagen wir ihm später nach vielen Umarmungen auf der Vairea, uns fehlt noch was. Wir kennen Dominica immer noch nicht richtig. Aber der Ausflug übermorgen, der darf zwar alles beinhalten, nur keine grosse Wanderungen. Wir wollen das Schicksal ja nicht herausfordern.
Roseau die Hauptstadt von Dominica
Anderntags fährt er uns erstmals an Land. Mit dem Bus fahren wir dann in die Hauptstadt. Lassen uns durch die vielen kleinen Gässchen von Roseau treiben, erfreuen uns ab den zahlreichen farbigen Häusern und schlürfen das erste einheimische Kubuli-Bier. Geniessen hoch oben bei der Kathedrale einen tollen Blick über die kleine Stadt, als ein Auto neben uns stoppt und sich eine Frau aus dem Autofenster zu uns herüber beugt. Das da hinten sei der Sitz des Bischofs, erklärt sie uns und vor uns das durch den Hurrikan Maria total zerstörte Gotteshaus. Es sei halt viel Arbeit und noch mehr Geld nötig, Alles wieder herzustellen.
Wir bedanken uns bei der netten Lady für die Informationen. Dass wir aus der Schweiz kommen antworten wir auf die Nachfrage und versichern ihr, wie gut uns die Stadt gefällt. Und dass uns ganz besonders die enorme Sauberkeit so positiv überrasche. Wirklich nirgends liege Abfall oder Unrat herum, anders wie auf vielen anderen karibischen Inseln. Darauf sei sie ganz besonders stolz erwidert die Dame, und übrigens sie sei Irene John, die Bürgermeisterin der Stadt! Wir plaudern noch eine ganze Weile völlig ungezwungen, bis ein hupendes Auto die Bürgermeisterin zur Weiterfahrt zwingt. Was für interessante Gegebenheiten es doch gibt.
Phantastischer Ausflug über die Insel
Am 10. Dezember holt uns Mr. Beanz bereits früh auf der Vairea ab. Wir überlassen Dir die Gestaltung des Ausfluges, meint Daniel zu Octavius, unserem heutigen Guide und Chef der Organisation Sea Cat. Was immer Du uns vom südlichen Teil von Dominica zeigen willst, wir freuen uns darauf. Und es gibt viel zu sehen, denn die Natur von Dominica ist einfach phantastisch. Zwar sind die Schäden des verheerenden Hurrikans Maria von vor zwei Jahren immer noch sichtbar, aber die Natur erholt sich zusehends und die Narben werden kleiner.
Immer wieder steigt Octavius auf die Bremsen, schwingt sich aus dem Auto und verschwindet hinter einem Busch, dem nächsten Baum oder buddelt etwas aus der Erde aus. Wieder zurück im Fahrzeug beginnt für uns dann der Biologie-Unterricht. Wir befühlen Gräser, schnüffeln an Blättern und versuchen zu erraten, was denn da auf Dominica alles wächst und gedeiht. Zitronengras oder Ginger wachsen wie Unkraut entlang der Strassen. Pampelmusen, Passionsfrucht, Grapefruit oder die leckere Starfrucht können einfach von den Bäumen gepflückt- oder vom Wegesrand aufgelesen werden. Wenn ihr errät, was für ein Öl aus dieser Frucht gewonnen wird, dann gewinnt ihr einen Preis. Octavius grinst spitzbübisch, dass wir natürlich keine Ahnung haben, dass er uns die Pflanze des Castor Oil oder Rhizinus Öl gezeigt hat.
Caribe Territory
Komplett begeistert bin ich vom Caribe Territory, in der Mitte der Insel gelegen und der Atlantikseite zugewandt. Steil geht’s bergan und nach dem nächsten hübschen, blitzsauberen Dorf ebenso abfallend wieder hinunter. Wir kommen nur schleppend voran, denn Octavius kennt einfach Jeden und Jede und Alle ihn. Überall wo wir hinkommen gibt es ein grosses Hallo. Der Spruch, er sei der „non elected prime minister von Dominica“ scheint nebst dem Spassfaktor durchaus einen Kern Wahrheit zu beinhalten. Nach der nächsten Kurve schwingt sich ein Caribe auf den Beifahrersitz.
Toto ist ein auf der Insel bekannter Bushdoctor und der Unterricht an Bord wird gleich um das Fach Pflanzenheilkunde ergänzt. Damit Du am operierten Knie keine Arthrose bekommst, musst Du es mit Snakeoil massieren, ermahnt er mich. Ich glaube mich verhört zu haben, hat er jetzt wirklich Schlangenöl gesagt? Aber natürlich, die in den Bergen lebende Boa Constrictor liefert dafür das Öl. Bei einer älteren Frau am Strassenrand werden umgehend die für mein Knie notwendigen vier Öle geordert. Hast Du gewusst, fragt Octavius, dass die älteste Frau auf Dominica lebte? Sie starb unlängst mit 128 Jahren. Und ihr langes Leben erreichte sie auch dank der Wirkung der Pflanzen. Ich schaue in meinen unterdessen mit Gewächs prall gefüllten und verführerisch riechenden Sack und bin beruhigt. Da kann ja nichts mehr schief gehen.
Wir probieren das herrliche Cassava Brot, das der Bäcker Daniel ganz traditionell über dem Feuer zubereitet und dann führt uns Octavius in ein Restaurant mit traumhafter Aussicht hoch über der windumtosten Atlantikküste.
Bushrum von Dominica
Doch nicht der Ausblick ist das Highlight, sondern die Bar mit den Bushrums. Etwa 50 Flaschen mit Insel-Rum stehen da in Reih und Glied, jede angereichert mit einem einheimischen Kraut, einem Blatt, einer Frucht oder einer Wurzel. Daniel entscheidet sich nach längerem Studium für den Rum Monkey Tails mit einem Farn, Octavius schliesst sich an. Wir lachen Tränen über das Gesicht unseres Tourguides, der nach dem ersten Schluck Feuerwasser stöhnt und mit Wasser nachspülen muss. Mein starker Capitano hingegen geniessst das Gebräu pur.
Unterdessen sind die Kreuzfahrttouristen bestimmt wieder zurück auf ihrem Boot und wir können uns aufmachen in Richtung der Wasserfälle meint Octavius nach dem Lunch und einem Blick auf seine Uhr.
Und tatsächlich, sowohl am Emerald Pool wie auch an den Trafalgar Falls geniessen wir die enormen Naturschönheiten für uns ganz Alleine. Ein schlauer Fuchs, dieser nichtgewählte Premierminister, zudem ein total sympathischer und mitreissender Mensch mit einem enormen Wissen über Flora und Fauna der Insel. Merci für diesen tollen Tag.
Nach Sonnenuntergang kommt Mr. Beanz auf unsere Vairea, im Schlepptau hat er Armstrong. Auch unser damaliger Guide will es sich nicht entgehen lassen uns wieder zu sehen. Und schon heisst es Abschied nehmen, denn wir wollen anderntags weiter Richtung Norden. Aber anders als vor einem Jahr fliessen an diesem Abend keine Tränen, wir sagen uns glücklich und gesund Adieu. Der Süden von Dominica hat uns komplett begeistert und wir sind gespannt auf die Fortsetzung der Insel.
Indian River
Am 11. Dezember lösen wir uns von der Boje und segeln der grünen Insel entlang bis zur grossen Prince Rupert Bay. Funkt dort Martin Carrierre von Providence an, gab uns Mr. Beanz mit auf den Weg. Am anderen Tag holt uns der fröhliche Guide und Hobby-Vogelkundler bereits um 7 Uhr ab für den Ausflug den Indian River hoch. Eine Stunde folgen wir dem Wasserlauf, nur begleitet vom Vogelgezwitscher und Martins Erklärungen zu Flora und Fauna. Freuen uns ab der Nachricht, dass sich auch hier die Natur prächtig erholt. Behände packt Martin eine Landkrabbe von einem überhängenden Ast und ich weiss jetzt, wie sich Männchen und Weibchen unterscheiden. Oder kann erkennen, ob es ein Jungtier oder ein Grossvater ist. Und da fliegt doch tatsächlich ein Adler mit einem grösseren Fisch in seinen Krallen haltend über uns hinweg.
Wie Octavius ist auch Martin ein mitreissender, einnehmender Inselbewohner, stolz auf seine Heimat und dessen Naturschönheiten. Zudem ein Musiker, der uns auf dem Rückweg sogar die Nationalhymne Dominicas schmettert. Als wir sein Alter erraten sollen, stöhne ich innerlich auf. Das kann jetzt nur peinlich werden. Daniel und ich stecken unsere Köpfe zusammen und einigen uns dann auf 32 Jahre, objektiv wären 34 Lenze. Was, ihr schätzt mich so alt? Na toll, voll erwischt. Er lacht herzlich ab unseren etwas schuldbewussten Minen. Aber nein, beruhigt es uns, ich bin 51 Jahre alt!?! Erst als er uns seinen Führerausweis zeigt, können wir es glauben. Verrückt, diese Insel hält und macht wirklich jung!
Fort Shirley
Unsere Wanderung zum Fort Shirley, des East Cabrits Trail oder die Tour mit dem Auto anderntags durch den Nordteil Dominicas ändert nichts daran, dass für uns dieser Part der Insel gegenüber dem Süden abfällt. Auch Portsmouth vermag uns nie so zu begeistern wie Roseau. Vermutlich ist das mein sehr subjektiver Eindruck, aber vor allem eine Herzensangelegenheit. Eine Verbundenheit mit dem Süden Dominicas und vor allem mit seinen Menschen. So fällt uns der Abschied am 14. Dezember nicht sehr schwer und die Freude auf eine neue Insel überwiegt. Marie-Galante, wir kommen.
Wir wünschen Euch Allen frohe und friedliche Festtage.
And to you the same! Dominica looks beautiful! Glad you were able to go back. Cheers Phoebe and Reg.
Thank you so much. Hope to see you in the Caribbean. Cheers Daniel and Martina